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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Im August 1757 erhielt er bei Anwendung eines entsprechenden Ausladers sogar
Funken von 10 Fuß Länge.

Hatte auch das tragische Schicksal Richmann's bedeutendes Aufsehen erregt
und die Gefahren derartiger Experimente in das grellste Licht gesetzt, so ließ man
sich dadurch doch keineswegs von weiteren Experimenten und Studien abschrecken.
Forscher wie Le Monnier, Beccaria und Cavallo arbeiteten rüstig weiter.
Auch an die Anwendung der Elektricität in der Heilkunde wurde bereits gedacht.
Es ist daher begreiflich, daß man nun auch Mittel und Wege suchte, um die
Elektricität zu messen. Das erste praktisch verwendbare Elektrometer construirte
John Canton, der von 1718 bis 1772 in England lebte. Es ist dies das
bekannte Hollundermarkkügelchen oder Korkkügelchen-Elektrometer, welches dann das
Vorbild für eine Reihe von Elektrometern wurde, welche im Principe von dem
Canton's nicht abweichen.

Zur selben Zeit wurden auch Versuche über die Fernwirkung elektrischer
Körper auf unelektrische gemacht, oder, wie man sich damals ausdrückte, man
studirte die elektrische Atmosphäre eines elektrischen Körpers. Man hatte beobachtet,
daß zwei nebeneinander hängende Korkkügelchen sich abstoßen, wenn man denselben
einen elektrisirten Körper auch nur annähert, also nicht die Kügelchen mit ihm
berührt. Diese Erscheinung studirten namentlich Aepinus und Wilke eingehend
und trugen viel zu ihrer Erklärung bei. Auch wurde durch deren Versuche die
Unhaltbarkeit der Ansicht Franklin's über die Kleist'sche Flasche dargethan, welcher
glaubte, das Verhalten der Flasche oder Tafel sei der besonderen Structur des
Glases zu verdanken und diesem ausschließlich eigenthümlich.

Nun kam die für die Entwicklung der Elektricitätslehre wichtige Periode der
seidenen Strümpfe. Ein gewisser Esquire Robert Symmer in England eröffnete
diese elektrische "Strumpfperiode" im Jahre 1759. Genannter Esquire pflegte
nämlich seidene Strümpfe zu tragen, und zwar immer zwei Paare, ein weißes
unterhalb und ein schwarzes darüber. Beim Ausziehen derselben bemerkte er nun,
sobald nicht beiderlei Strümpfe gleichzeitig herabgezogen wurden, ein Knistern,
welches er bald der Erzeugung von Elektricität durch Reiben der Strümpfe an-
einander zuschrieb. Ferner bemerkte er, daß die Strümpfe gleicher Farbe sich gegen-
seitig abstoßen, die ungleicher Farbe sich aber anziehen und mit sehr erheblicher
Kraft aneinander halten. Obwohl diese Versuche an sich eigentlich nichts Neues
lehrten, man kannte ja schon eine ganze Reihe von Körpern, die durch Reiben
elektrisch werden, so erregten Symmer's Versuche doch bedeutendes Aufsehen und
brachten die seidenen Strümpfe bei den Elektrikern sehr in Mode. Immerhin würden
aber diese Versuche für die Erweiterung der Kenntnisse unserer Wissenschaft ohne
Belang geblieben sein, wenn nicht Symmer daraus ganz neue Ansichten über das
Wesen der Elektricität geschöpft hätte. Symmer kehrte nämlich wieder zu der schon
von Dufay ausgesprochenen, aber damals nicht beachteten Theorie zurück, welche
zweierlei Elektricitäten annahm. Im natürlichen Zustande sollten die Körper von
den beiden einander entgegengesetzten Elektricitäten gleich viel besitzen und beide
miteinander vereinigt sein; durch Reiben werden sie aber getrennt und nun er-
scheint der eine Körper entgegengesetzt elektrisirt wie der andere.

Symmer konnte zu Gunsten seiner Theorie nur einen einzigen Versuch an-
führen und der bestand darin, daß er einen Funken durch Papier schlagen ließ;
dieses zeigte sich dann an der Durchschlagsstelle auf beiden Seiten aufgeworfen.
Diese Erscheinung ließ sich nach Franklin's Theorie allerdings nicht gut erklären,

Im Auguſt 1757 erhielt er bei Anwendung eines entſprechenden Ausladers ſogar
Funken von 10 Fuß Länge.

Hatte auch das tragiſche Schickſal Richmann’s bedeutendes Aufſehen erregt
und die Gefahren derartiger Experimente in das grellſte Licht geſetzt, ſo ließ man
ſich dadurch doch keineswegs von weiteren Experimenten und Studien abſchrecken.
Forſcher wie Le Monnier, Beccaria und Cavallo arbeiteten rüſtig weiter.
Auch an die Anwendung der Elektricität in der Heilkunde wurde bereits gedacht.
Es iſt daher begreiflich, daß man nun auch Mittel und Wege ſuchte, um die
Elektricität zu meſſen. Das erſte praktiſch verwendbare Elektrometer conſtruirte
John Canton, der von 1718 bis 1772 in England lebte. Es iſt dies das
bekannte Hollundermarkkügelchen oder Korkkügelchen-Elektrometer, welches dann das
Vorbild für eine Reihe von Elektrometern wurde, welche im Principe von dem
Canton’s nicht abweichen.

Zur ſelben Zeit wurden auch Verſuche über die Fernwirkung elektriſcher
Körper auf unelektriſche gemacht, oder, wie man ſich damals ausdrückte, man
ſtudirte die elektriſche Atmoſphäre eines elektriſchen Körpers. Man hatte beobachtet,
daß zwei nebeneinander hängende Korkkügelchen ſich abſtoßen, wenn man denſelben
einen elektriſirten Körper auch nur annähert, alſo nicht die Kügelchen mit ihm
berührt. Dieſe Erſcheinung ſtudirten namentlich Aepinus und Wilke eingehend
und trugen viel zu ihrer Erklärung bei. Auch wurde durch deren Verſuche die
Unhaltbarkeit der Anſicht Franklin’s über die Kleiſt’ſche Flaſche dargethan, welcher
glaubte, das Verhalten der Flaſche oder Tafel ſei der beſonderen Structur des
Glaſes zu verdanken und dieſem ausſchließlich eigenthümlich.

Nun kam die für die Entwicklung der Elektricitätslehre wichtige Periode der
ſeidenen Strümpfe. Ein gewiſſer Esquire Robert Symmer in England eröffnete
dieſe elektriſche „Strumpfperiode“ im Jahre 1759. Genannter Esquire pflegte
nämlich ſeidene Strümpfe zu tragen, und zwar immer zwei Paare, ein weißes
unterhalb und ein ſchwarzes darüber. Beim Ausziehen derſelben bemerkte er nun,
ſobald nicht beiderlei Strümpfe gleichzeitig herabgezogen wurden, ein Kniſtern,
welches er bald der Erzeugung von Elektricität durch Reiben der Strümpfe an-
einander zuſchrieb. Ferner bemerkte er, daß die Strümpfe gleicher Farbe ſich gegen-
ſeitig abſtoßen, die ungleicher Farbe ſich aber anziehen und mit ſehr erheblicher
Kraft aneinander halten. Obwohl dieſe Verſuche an ſich eigentlich nichts Neues
lehrten, man kannte ja ſchon eine ganze Reihe von Körpern, die durch Reiben
elektriſch werden, ſo erregten Symmer’s Verſuche doch bedeutendes Aufſehen und
brachten die ſeidenen Strümpfe bei den Elektrikern ſehr in Mode. Immerhin würden
aber dieſe Verſuche für die Erweiterung der Kenntniſſe unſerer Wiſſenſchaft ohne
Belang geblieben ſein, wenn nicht Symmer daraus ganz neue Anſichten über das
Weſen der Elektricität geſchöpft hätte. Symmer kehrte nämlich wieder zu der ſchon
von Dufay ausgeſprochenen, aber damals nicht beachteten Theorie zurück, welche
zweierlei Elektricitäten annahm. Im natürlichen Zuſtande ſollten die Körper von
den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten gleich viel beſitzen und beide
miteinander vereinigt ſein; durch Reiben werden ſie aber getrennt und nun er-
ſcheint der eine Körper entgegengeſetzt elektriſirt wie der andere.

Symmer konnte zu Gunſten ſeiner Theorie nur einen einzigen Verſuch an-
führen und der beſtand darin, daß er einen Funken durch Papier ſchlagen ließ;
dieſes zeigte ſich dann an der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten aufgeworfen.
Dieſe Erſcheinung ließ ſich nach Franklin’s Theorie allerdings nicht gut erklären,

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[22/0036] Im Auguſt 1757 erhielt er bei Anwendung eines entſprechenden Ausladers ſogar Funken von 10 Fuß Länge. Hatte auch das tragiſche Schickſal Richmann’s bedeutendes Aufſehen erregt und die Gefahren derartiger Experimente in das grellſte Licht geſetzt, ſo ließ man ſich dadurch doch keineswegs von weiteren Experimenten und Studien abſchrecken. Forſcher wie Le Monnier, Beccaria und Cavallo arbeiteten rüſtig weiter. Auch an die Anwendung der Elektricität in der Heilkunde wurde bereits gedacht. Es iſt daher begreiflich, daß man nun auch Mittel und Wege ſuchte, um die Elektricität zu meſſen. Das erſte praktiſch verwendbare Elektrometer conſtruirte John Canton, der von 1718 bis 1772 in England lebte. Es iſt dies das bekannte Hollundermarkkügelchen oder Korkkügelchen-Elektrometer, welches dann das Vorbild für eine Reihe von Elektrometern wurde, welche im Principe von dem Canton’s nicht abweichen. Zur ſelben Zeit wurden auch Verſuche über die Fernwirkung elektriſcher Körper auf unelektriſche gemacht, oder, wie man ſich damals ausdrückte, man ſtudirte die elektriſche Atmoſphäre eines elektriſchen Körpers. Man hatte beobachtet, daß zwei nebeneinander hängende Korkkügelchen ſich abſtoßen, wenn man denſelben einen elektriſirten Körper auch nur annähert, alſo nicht die Kügelchen mit ihm berührt. Dieſe Erſcheinung ſtudirten namentlich Aepinus und Wilke eingehend und trugen viel zu ihrer Erklärung bei. Auch wurde durch deren Verſuche die Unhaltbarkeit der Anſicht Franklin’s über die Kleiſt’ſche Flaſche dargethan, welcher glaubte, das Verhalten der Flaſche oder Tafel ſei der beſonderen Structur des Glaſes zu verdanken und dieſem ausſchließlich eigenthümlich. Nun kam die für die Entwicklung der Elektricitätslehre wichtige Periode der ſeidenen Strümpfe. Ein gewiſſer Esquire Robert Symmer in England eröffnete dieſe elektriſche „Strumpfperiode“ im Jahre 1759. Genannter Esquire pflegte nämlich ſeidene Strümpfe zu tragen, und zwar immer zwei Paare, ein weißes unterhalb und ein ſchwarzes darüber. Beim Ausziehen derſelben bemerkte er nun, ſobald nicht beiderlei Strümpfe gleichzeitig herabgezogen wurden, ein Kniſtern, welches er bald der Erzeugung von Elektricität durch Reiben der Strümpfe an- einander zuſchrieb. Ferner bemerkte er, daß die Strümpfe gleicher Farbe ſich gegen- ſeitig abſtoßen, die ungleicher Farbe ſich aber anziehen und mit ſehr erheblicher Kraft aneinander halten. Obwohl dieſe Verſuche an ſich eigentlich nichts Neues lehrten, man kannte ja ſchon eine ganze Reihe von Körpern, die durch Reiben elektriſch werden, ſo erregten Symmer’s Verſuche doch bedeutendes Aufſehen und brachten die ſeidenen Strümpfe bei den Elektrikern ſehr in Mode. Immerhin würden aber dieſe Verſuche für die Erweiterung der Kenntniſſe unſerer Wiſſenſchaft ohne Belang geblieben ſein, wenn nicht Symmer daraus ganz neue Anſichten über das Weſen der Elektricität geſchöpft hätte. Symmer kehrte nämlich wieder zu der ſchon von Dufay ausgeſprochenen, aber damals nicht beachteten Theorie zurück, welche zweierlei Elektricitäten annahm. Im natürlichen Zuſtande ſollten die Körper von den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten gleich viel beſitzen und beide miteinander vereinigt ſein; durch Reiben werden ſie aber getrennt und nun er- ſcheint der eine Körper entgegengeſetzt elektriſirt wie der andere. Symmer konnte zu Gunſten ſeiner Theorie nur einen einzigen Verſuch an- führen und der beſtand darin, daß er einen Funken durch Papier ſchlagen ließ; dieſes zeigte ſich dann an der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten aufgeworfen. Dieſe Erſcheinung ließ ſich nach Franklin’s Theorie allerdings nicht gut erklären,

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/36>, abgerufen am 23.11.2024.