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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Erdstromes Influencirungen und Entladungen bei localen Gewittern ihr Auftreten
verdanken. Mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit kann man aber auch behaupten,
daß die über größere Flächen der Erde verbreiteten elektrischen Spannungen und
Ausgleichungen, welche in den Polarlichtern hervortreten, unter Umständen noch
mächtigeren und weiter verbreiteten elektrischen Ab- und Zuströmungen, wie sie
besonders in den längeren Telegraphenleitungen beobachtet werden können, den
Ursprung geben.

Ueber die Einflüsse eines Gewitters auf die Erdströme erstattete Fröhlich
im Berliner elektrotechnischen Vereine Bericht. Zu den Versuchen stand die mittlere
Ader des Kabels zur Verfügung, welches Berlin und Dresden verbindet. Das
Gewitter entlud sich über und in der Nähe von Berlin. Die Schwankungen des
Erdstromes wurden durch einen Registrirapparat in Form einer Curve dargestellt.
Der Verlauf dieser während des Gewitters aufgenommenen Erdstromcurve zeigt
im Vergleiche mit einer früher erhaltenen keine wesentlichen Verschiedenheiten; auf-
fallend sind jedoch die durch den Apparat markirten zahlreichen und sehr kräftigen
Inductionsschläge, an welchen sich die Entwicklung des Gewitters verfolgen läßt.
Diese Inductionsschläge fallen offenbar mit atmosphärischen Entladungen zusammen;
denn bei einer Anzahl derselben hat der den Apparat überwachende Beamte zugleich

[Abbildung] Fig. 167.

Solenoid.

einen Blitz beobachtet. Das Hauptergebniß dieser Beobachtung scheint darin zu
liegen, daß während des Gewitters der Erdstrom seinen Charakter und seine Stärke
nicht wesentlich verändert und daß sich der ganze Einfluß des Gewitters in In-
ductionsschlägen äußert, welche von atmosphärischen Entladungen herrühren.

Kehren wir nochmals zur Einwirkung des Erdmagnetismus auf freibeweg-
liche stromumflossene Ebenen zurück. Wir haben gehört, daß diese unter der Ein-
wirkung jener Kraft immer in eine und dieselbe Stellung geführt und darin fest-
gehalten werden. Diese Erscheinung ist um so leichter herbeizuführen, wenn man
an Stelle einer Windung einen aus mehreren zueinander parallelen Windungen
hergestellten Stromkreis anwendet. Giebt man hierbei diesem Stromkreise die in
Fig. 167 dargestellte oder eine ähnliche Form, so nennt man ihn schlechtweg ein
Solenoid. Ampere verstand unter einem Solenoide allerdings die Aufeinander-
schichtung vieler unendlich kleiner Kreisströme derselben Richtung und in der Art,
daß ihre Ebenen sämmtlich auf der ihre Mittelpunkte verbindenden Linie senkrecht
stehen; da aber dies praktisch nicht ausführbar und auch das Verhalten eines
Stromkreises von der in der Figur dargestellten Form nur ein quantitativ ver-
schiedenes ist, kann die Bezeichnung Solenoid auch hierfür beibehalten werden.

Die in Fig. 167 dargestellte Form kann in der That als System paralleler
Kreisströme aufgefaßt werden; jede Windung ist nahezu ein voller Kreis und durch

Erdſtromes Influencirungen und Entladungen bei localen Gewittern ihr Auftreten
verdanken. Mit ebenſo großer Wahrſcheinlichkeit kann man aber auch behaupten,
daß die über größere Flächen der Erde verbreiteten elektriſchen Spannungen und
Ausgleichungen, welche in den Polarlichtern hervortreten, unter Umſtänden noch
mächtigeren und weiter verbreiteten elektriſchen Ab- und Zuſtrömungen, wie ſie
beſonders in den längeren Telegraphenleitungen beobachtet werden können, den
Urſprung geben.

Ueber die Einflüſſe eines Gewitters auf die Erdſtröme erſtattete Fröhlich
im Berliner elektrotechniſchen Vereine Bericht. Zu den Verſuchen ſtand die mittlere
Ader des Kabels zur Verfügung, welches Berlin und Dresden verbindet. Das
Gewitter entlud ſich über und in der Nähe von Berlin. Die Schwankungen des
Erdſtromes wurden durch einen Regiſtrirapparat in Form einer Curve dargeſtellt.
Der Verlauf dieſer während des Gewitters aufgenommenen Erdſtromcurve zeigt
im Vergleiche mit einer früher erhaltenen keine weſentlichen Verſchiedenheiten; auf-
fallend ſind jedoch die durch den Apparat markirten zahlreichen und ſehr kräftigen
Inductionsſchläge, an welchen ſich die Entwicklung des Gewitters verfolgen läßt.
Dieſe Inductionsſchläge fallen offenbar mit atmoſphäriſchen Entladungen zuſammen;
denn bei einer Anzahl derſelben hat der den Apparat überwachende Beamte zugleich

[Abbildung] Fig. 167.

Solenoid.

einen Blitz beobachtet. Das Hauptergebniß dieſer Beobachtung ſcheint darin zu
liegen, daß während des Gewitters der Erdſtrom ſeinen Charakter und ſeine Stärke
nicht weſentlich verändert und daß ſich der ganze Einfluß des Gewitters in In-
ductionsſchlägen äußert, welche von atmoſphäriſchen Entladungen herrühren.

Kehren wir nochmals zur Einwirkung des Erdmagnetismus auf freibeweg-
liche ſtromumfloſſene Ebenen zurück. Wir haben gehört, daß dieſe unter der Ein-
wirkung jener Kraft immer in eine und dieſelbe Stellung geführt und darin feſt-
gehalten werden. Dieſe Erſcheinung iſt um ſo leichter herbeizuführen, wenn man
an Stelle einer Windung einen aus mehreren zueinander parallelen Windungen
hergeſtellten Stromkreis anwendet. Giebt man hierbei dieſem Stromkreiſe die in
Fig. 167 dargeſtellte oder eine ähnliche Form, ſo nennt man ihn ſchlechtweg ein
Solenoid. Ampère verſtand unter einem Solenoide allerdings die Aufeinander-
ſchichtung vieler unendlich kleiner Kreisſtröme derſelben Richtung und in der Art,
daß ihre Ebenen ſämmtlich auf der ihre Mittelpunkte verbindenden Linie ſenkrecht
ſtehen; da aber dies praktiſch nicht ausführbar und auch das Verhalten eines
Stromkreiſes von der in der Figur dargeſtellten Form nur ein quantitativ ver-
ſchiedenes iſt, kann die Bezeichnung Solenoid auch hierfür beibehalten werden.

Die in Fig. 167 dargeſtellte Form kann in der That als Syſtem paralleler
Kreisſtröme aufgefaßt werden; jede Windung iſt nahezu ein voller Kreis und durch

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[268/0282] Erdſtromes Influencirungen und Entladungen bei localen Gewittern ihr Auftreten verdanken. Mit ebenſo großer Wahrſcheinlichkeit kann man aber auch behaupten, daß die über größere Flächen der Erde verbreiteten elektriſchen Spannungen und Ausgleichungen, welche in den Polarlichtern hervortreten, unter Umſtänden noch mächtigeren und weiter verbreiteten elektriſchen Ab- und Zuſtrömungen, wie ſie beſonders in den längeren Telegraphenleitungen beobachtet werden können, den Urſprung geben. Ueber die Einflüſſe eines Gewitters auf die Erdſtröme erſtattete Fröhlich im Berliner elektrotechniſchen Vereine Bericht. Zu den Verſuchen ſtand die mittlere Ader des Kabels zur Verfügung, welches Berlin und Dresden verbindet. Das Gewitter entlud ſich über und in der Nähe von Berlin. Die Schwankungen des Erdſtromes wurden durch einen Regiſtrirapparat in Form einer Curve dargeſtellt. Der Verlauf dieſer während des Gewitters aufgenommenen Erdſtromcurve zeigt im Vergleiche mit einer früher erhaltenen keine weſentlichen Verſchiedenheiten; auf- fallend ſind jedoch die durch den Apparat markirten zahlreichen und ſehr kräftigen Inductionsſchläge, an welchen ſich die Entwicklung des Gewitters verfolgen läßt. Dieſe Inductionsſchläge fallen offenbar mit atmoſphäriſchen Entladungen zuſammen; denn bei einer Anzahl derſelben hat der den Apparat überwachende Beamte zugleich [Abbildung Fig. 167. Solenoid.] einen Blitz beobachtet. Das Hauptergebniß dieſer Beobachtung ſcheint darin zu liegen, daß während des Gewitters der Erdſtrom ſeinen Charakter und ſeine Stärke nicht weſentlich verändert und daß ſich der ganze Einfluß des Gewitters in In- ductionsſchlägen äußert, welche von atmoſphäriſchen Entladungen herrühren. Kehren wir nochmals zur Einwirkung des Erdmagnetismus auf freibeweg- liche ſtromumfloſſene Ebenen zurück. Wir haben gehört, daß dieſe unter der Ein- wirkung jener Kraft immer in eine und dieſelbe Stellung geführt und darin feſt- gehalten werden. Dieſe Erſcheinung iſt um ſo leichter herbeizuführen, wenn man an Stelle einer Windung einen aus mehreren zueinander parallelen Windungen hergeſtellten Stromkreis anwendet. Giebt man hierbei dieſem Stromkreiſe die in Fig. 167 dargeſtellte oder eine ähnliche Form, ſo nennt man ihn ſchlechtweg ein Solenoid. Ampère verſtand unter einem Solenoide allerdings die Aufeinander- ſchichtung vieler unendlich kleiner Kreisſtröme derſelben Richtung und in der Art, daß ihre Ebenen ſämmtlich auf der ihre Mittelpunkte verbindenden Linie ſenkrecht ſtehen; da aber dies praktiſch nicht ausführbar und auch das Verhalten eines Stromkreiſes von der in der Figur dargeſtellten Form nur ein quantitativ ver- ſchiedenes iſt, kann die Bezeichnung Solenoid auch hierfür beibehalten werden. Die in Fig. 167 dargeſtellte Form kann in der That als Syſtem paralleler Kreisſtröme aufgefaßt werden; jede Windung iſt nahezu ein voller Kreis und durch

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/282>, abgerufen am 17.05.2024.