Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

noch zum Voraus sagen, daß ich die Meinung,
welche ich vom Einflusse der Sele in ihren
Körper vortragen werde, nicht vor eine ausser
alle Schwierigkeiten gesetzte Meinung ausgebe.
Jch werde mich hiermit zwar nicht besonders
entschuldiget haben; allein es wird mir als-
denn mit denenienigen, welche andre Meinun-
gen behaupten, nur einerley Schicksal wieder-
fahren. Jch weiß mehr als zu wohl, daß der-
lenige so sicher seyn will, dieienige Parthey er-
wählen müsse, welche vor denen übrigen die
Oberhand hat. Die Neutralität schützet so
wenig vor Anfechtungen, daß man vielmehr ie-
derman zum Feinde bekommt, an statt daß
man wenigstens eine Parthey zu Freunden be-
hält, wenn man sich gefallen läst, einer nach
Sinne zu reden. Zu allem Glück kostet mir
die Feindschaft beyder Partheyen kein Blut,
und dieses ist gerade das einzige, welches mich
abschrecken könte. Wer sich vieler Wieder-
sprüche befürchten muß, dem fehlet zur Ueber-
windung aller Anfälle nichts mehr, als eine
etwas phlegmatische Sele. Jch habe mir sa-
gen lassen, daß ich zu diesem Temperamente
mit der Zeit wol kommen könte, und dieses ist
in Wahrheit eine Ursach, warum ich so dreist
gewesen bin, diese Gedancken vom Einflusse der
Sele in den Körper der Welt durch gegenwär-
tige Blätter bekannt zu machen.

§. 12.

Die Dualisten vermuthen, daß man nur

auf

noch zum Voraus ſagen, daß ich die Meinung,
welche ich vom Einfluſſe der Sele in ihren
Koͤrper vortragen werde, nicht vor eine auſſer
alle Schwierigkeiten geſetzte Meinung ausgebe.
Jch werde mich hiermit zwar nicht beſonders
entſchuldiget haben; allein es wird mir als-
denn mit denenienigen, welche andre Meinun-
gen behaupten, nur einerley Schickſal wieder-
fahren. Jch weiß mehr als zu wohl, daß der-
lenige ſo ſicher ſeyn will, dieienige Parthey er-
waͤhlen muͤſſe, welche vor denen uͤbrigen die
Oberhand hat. Die Neutralitaͤt ſchuͤtzet ſo
wenig vor Anfechtungen, daß man vielmehr ie-
derman zum Feinde bekommt, an ſtatt daß
man wenigſtens eine Parthey zu Freunden be-
haͤlt, wenn man ſich gefallen laͤſt, einer nach
Sinne zu reden. Zu allem Gluͤck koſtet mir
die Feindſchaft beyder Partheyen kein Blut,
und dieſes iſt gerade das einzige, welches mich
abſchrecken koͤnte. Wer ſich vieler Wieder-
ſpruͤche befuͤrchten muß, dem fehlet zur Ueber-
windung aller Anfaͤlle nichts mehr, als eine
etwas phlegmatiſche Sele. Jch habe mir ſa-
gen laſſen, daß ich zu dieſem Temperamente
mit der Zeit wol kommen koͤnte, und dieſes iſt
in Wahrheit eine Urſach, warum ich ſo dreiſt
geweſen bin, dieſe Gedancken vom Einfluſſe der
Sele in den Koͤrper der Welt durch gegenwaͤr-
tige Blaͤtter bekannt zu machen.

§. 12.

Die Dualiſten vermuthen, daß man nur

auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="30"/>
noch zum Voraus &#x017F;agen, daß ich die Meinung,<lb/>
welche ich vom Einflu&#x017F;&#x017F;e der Sele in ihren<lb/>
Ko&#x0364;rper vortragen werde, nicht vor eine au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
alle Schwierigkeiten ge&#x017F;etzte Meinung ausgebe.<lb/>
Jch werde mich hiermit zwar nicht be&#x017F;onders<lb/>
ent&#x017F;chuldiget haben; allein es wird mir als-<lb/>
denn mit denenienigen, welche andre Meinun-<lb/>
gen behaupten, nur einerley Schick&#x017F;al wieder-<lb/>
fahren. Jch weiß mehr als zu wohl, daß der-<lb/>
lenige &#x017F;o &#x017F;icher &#x017F;eyn will, dieienige Parthey er-<lb/>
wa&#x0364;hlen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, welche vor denen u&#x0364;brigen die<lb/>
Oberhand hat. Die Neutralita&#x0364;t &#x017F;chu&#x0364;tzet &#x017F;o<lb/>
wenig vor Anfechtungen, daß man vielmehr ie-<lb/>
derman zum Feinde bekommt, an &#x017F;tatt daß<lb/>
man wenig&#x017F;tens eine Parthey zu Freunden be-<lb/>
ha&#x0364;lt, wenn man &#x017F;ich gefallen la&#x0364;&#x017F;t, einer nach<lb/>
Sinne zu reden. Zu allem Glu&#x0364;ck ko&#x017F;tet mir<lb/>
die Feind&#x017F;chaft beyder Partheyen kein Blut,<lb/>
und die&#x017F;es i&#x017F;t gerade das einzige, welches mich<lb/>
ab&#x017F;chrecken ko&#x0364;nte. Wer &#x017F;ich vieler Wieder-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che befu&#x0364;rchten muß, dem fehlet zur Ueber-<lb/>
windung aller Anfa&#x0364;lle nichts mehr, als eine<lb/>
etwas phlegmati&#x017F;che Sele. Jch habe mir &#x017F;a-<lb/>
gen la&#x017F;&#x017F;en, daß ich zu die&#x017F;em Temperamente<lb/>
mit der Zeit wol kommen ko&#x0364;nte, und die&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
in Wahrheit eine Ur&#x017F;ach, warum ich &#x017F;o drei&#x017F;t<lb/>
gewe&#x017F;en bin, die&#x017F;e Gedancken vom Einflu&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Sele in den Ko&#x0364;rper der Welt durch gegenwa&#x0364;r-<lb/>
tige Bla&#x0364;tter bekannt zu machen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 12.</head><lb/>
          <p>Die Duali&#x017F;ten vermuthen, daß man nur<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0060] noch zum Voraus ſagen, daß ich die Meinung, welche ich vom Einfluſſe der Sele in ihren Koͤrper vortragen werde, nicht vor eine auſſer alle Schwierigkeiten geſetzte Meinung ausgebe. Jch werde mich hiermit zwar nicht beſonders entſchuldiget haben; allein es wird mir als- denn mit denenienigen, welche andre Meinun- gen behaupten, nur einerley Schickſal wieder- fahren. Jch weiß mehr als zu wohl, daß der- lenige ſo ſicher ſeyn will, dieienige Parthey er- waͤhlen muͤſſe, welche vor denen uͤbrigen die Oberhand hat. Die Neutralitaͤt ſchuͤtzet ſo wenig vor Anfechtungen, daß man vielmehr ie- derman zum Feinde bekommt, an ſtatt daß man wenigſtens eine Parthey zu Freunden be- haͤlt, wenn man ſich gefallen laͤſt, einer nach Sinne zu reden. Zu allem Gluͤck koſtet mir die Feindſchaft beyder Partheyen kein Blut, und dieſes iſt gerade das einzige, welches mich abſchrecken koͤnte. Wer ſich vieler Wieder- ſpruͤche befuͤrchten muß, dem fehlet zur Ueber- windung aller Anfaͤlle nichts mehr, als eine etwas phlegmatiſche Sele. Jch habe mir ſa- gen laſſen, daß ich zu dieſem Temperamente mit der Zeit wol kommen koͤnte, und dieſes iſt in Wahrheit eine Urſach, warum ich ſo dreiſt geweſen bin, dieſe Gedancken vom Einfluſſe der Sele in den Koͤrper der Welt durch gegenwaͤr- tige Blaͤtter bekannt zu machen. §. 12. Die Dualiſten vermuthen, daß man nur auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/60
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/60>, abgerufen am 21.11.2024.