anhängen, heissen Occasionalisten, und des Cartes ist der Erfinder derselben Lehre. Jch wolte wol sagen, daß mir diese Meinung ge- fiele; allein ich habe zweyerley Bedencken da- bey, welche man mir erst aus dem Wege räu- men müste. Einmal wolte ich mir gerne einen Begrif davon machen können, was es mit der Würckung der Sele in dem Körper vor eine Beschaffenheit habe. Allein, wenn ich lange weiß, daß GOtt den Nervensaft nach unsern Vorstellungen verändere; so begreife ich dadurch doch noch nichts von dem, was ich wissen wolte. Hernach so halte ich, ausserdem daß dieser gantze Satz eine unerwiesene Hypo- these ist, davor, daß GOtt wol mächtig und fähig genug gewesen sey, den Menschen schon vom Anfange also einzurichten, daß er nicht nöthig habe, in einen ieden Menschen bloß des- halb unmittelbar zu wircken, damit die Verän- derungen der Sele und des Körpers in einer beständigen Verhältniß erhalten werden möch- te. Ja es scheint mir auch, daß man bey Beurtheilung einer Ursache mehr auf die nähe- ren als die entferntesten gehen müsse. Wenn man demnach gleich zugeben muß, daß GOtt wie von allen, also auch von dieser Verände- rung unsers Körpers in so weit eine Ursach sey, daß derselbe ursprünglich von ihm abstammet: so wäre es doch, bey Erklärung dieser Frage nöthig gewesen, die Mittel zu bestimmen, deren sich GOtt bedienet, um diesen Endzweck zu
errei-
anhaͤngen, heiſſen Occaſionaliſten, und des Cartes iſt der Erfinder derſelben Lehre. Jch wolte wol ſagen, daß mir dieſe Meinung ge- fiele; allein ich habe zweyerley Bedencken da- bey, welche man mir erſt aus dem Wege raͤu- men muͤſte. Einmal wolte ich mir gerne einen Begrif davon machen koͤnnen, was es mit der Wuͤrckung der Sele in dem Koͤrper vor eine Beſchaffenheit habe. Allein, wenn ich lange weiß, daß GOtt den Nervenſaft nach unſern Vorſtellungen veraͤndere; ſo begreife ich dadurch doch noch nichts von dem, was ich wiſſen wolte. Hernach ſo halte ich, auſſerdem daß dieſer gantze Satz eine unerwieſene Hypo- theſe iſt, davor, daß GOtt wol maͤchtig und faͤhig genug geweſen ſey, den Menſchen ſchon vom Anfange alſo einzurichten, daß er nicht noͤthig habe, in einen ieden Menſchen bloß des- halb unmittelbar zu wircken, damit die Veraͤn- derungen der Sele und des Koͤrpers in einer beſtaͤndigen Verhaͤltniß erhalten werden moͤch- te. Ja es ſcheint mir auch, daß man bey Beurtheilung einer Urſache mehr auf die naͤhe- ren als die entfernteſten gehen muͤſſe. Wenn man demnach gleich zugeben muß, daß GOtt wie von allen, alſo auch von dieſer Veraͤnde- rung unſers Koͤrpers in ſo weit eine Urſach ſey, daß derſelbe urſpruͤnglich von ihm abſtammet: ſo waͤre es doch, bey Erklaͤrung dieſer Frage noͤthig geweſen, die Mittel zu beſtimmen, deren ſich GOtt bedienet, um dieſen Endzweck zu
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anhaͤngen, heiſſen Occaſionaliſten, und des
Cartes iſt der Erfinder derſelben Lehre. Jch
wolte wol ſagen, daß mir dieſe Meinung ge-
fiele; allein ich habe zweyerley Bedencken da-
bey, welche man mir erſt aus dem Wege raͤu-
men muͤſte. Einmal wolte ich mir gerne einen
Begrif davon machen koͤnnen, was es mit
der Wuͤrckung der Sele in dem Koͤrper vor
eine Beſchaffenheit habe. Allein, wenn ich
lange weiß, daß GOtt den Nervenſaft nach
unſern Vorſtellungen veraͤndere; ſo begreife
ich dadurch doch noch nichts von dem, was ich
wiſſen wolte. Hernach ſo halte ich, auſſerdem
daß dieſer gantze Satz eine unerwieſene Hypo-
theſe iſt, davor, daß GOtt wol maͤchtig und
faͤhig genug geweſen ſey, den Menſchen ſchon
vom Anfange alſo einzurichten, daß er nicht
noͤthig habe, in einen ieden Menſchen bloß des-
halb unmittelbar zu wircken, damit die Veraͤn-
derungen der Sele und des Koͤrpers in einer
beſtaͤndigen Verhaͤltniß erhalten werden moͤch-
te. Ja es ſcheint mir auch, daß man bey
Beurtheilung einer Urſache mehr auf die naͤhe-
ren als die entfernteſten gehen muͤſſe. Wenn
man demnach gleich zugeben muß, daß GOtt
wie von allen, alſo auch von dieſer Veraͤnde-
rung unſers Koͤrpers in ſo weit eine Urſach ſey,
daß derſelbe urſpruͤnglich von ihm abſtammet:
ſo waͤre es doch, bey Erklaͤrung dieſer Frage
noͤthig geweſen, die Mittel zu beſtimmen, deren
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/49>, abgerufen am 16.07.2024.
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