nichts kosten, so können wir derselben so viele beylegen, als uns gefällt; allein eben darum, weil sie so wohlfeil sind, wird man sich nicht viel besonderes davon versprechen können. Mei- nethalben könte die menschliche Sele, Archäus, Microcosmetor oder Monade heissen, das eine würde mir ihre wahre Beschaffenheit so wenig entdecken, als das andre. Wenn wir die Materialisten ausnehmen, so behauptet ie- dermann, daß die Seele ein Geist sey. Allein es muß Grade in der Geistigkeit geben, weil es Leute giebt, welche zwar mit Gewißheit glauben, daß die Sele ein Geist sey: die aber demohngeachtet nicht zugeben wollen, daß man sie eine Monade nennen soll. Was mich be- trift, so soll es mir einerley gelten, man mag die Sele halten, wovor man will. Meine Gedancken von dem Einflusse der Sele in ih- ren Körper sollen also beschaffen seyn, daß sie einer Monade eben so wohl, als einem Ar- chäus zu kommen. Jch will zum voraus se- tzen, daß wir allesammt dencken: und dasie- nige Ding, welches in uns ist und Vorstel- lungen hat, soll eine Sele heissen. Diese Er- klärung hat einen ziemlich weiten Umfang, allein weil ich nicht sehe, warum ich das We- sen der Sele genauer bestimmen müste: so will ich lieber die Streitigkeiten in dieser Sa- che vermeiden. Dieses wird ohne Zweifel de- nenienigen wunderlich vorkommen, welche glau- ben, daß ich in dieser Materie, die ich abzu-
handeln
nichts koſten, ſo koͤnnen wir derſelben ſo viele beylegen, als uns gefaͤllt; allein eben darum, weil ſie ſo wohlfeil ſind, wird man ſich nicht viel beſonderes davon verſprechen koͤnnen. Mei- nethalben koͤnte die menſchliche Sele, Archaͤus, Microcosmetor oder Monade heiſſen, das eine wuͤrde mir ihre wahre Beſchaffenheit ſo wenig entdecken, als das andre. Wenn wir die Materialiſten ausnehmen, ſo behauptet ie- dermann, daß die Seele ein Geiſt ſey. Allein es muß Grade in der Geiſtigkeit geben, weil es Leute giebt, welche zwar mit Gewißheit glauben, daß die Sele ein Geiſt ſey: die aber demohngeachtet nicht zugeben wollen, daß man ſie eine Monade nennen ſoll. Was mich be- trift, ſo ſoll es mir einerley gelten, man mag die Sele halten, wovor man will. Meine Gedancken von dem Einfluſſe der Sele in ih- ren Koͤrper ſollen alſo beſchaffen ſeyn, daß ſie einer Monade eben ſo wohl, als einem Ar- chaͤus zu kommen. Jch will zum voraus ſe- tzen, daß wir alleſammt dencken: und dasie- nige Ding, welches in uns iſt und Vorſtel- lungen hat, ſoll eine Sele heiſſen. Dieſe Er- klaͤrung hat einen ziemlich weiten Umfang, allein weil ich nicht ſehe, warum ich das We- ſen der Sele genauer beſtimmen muͤſte: ſo will ich lieber die Streitigkeiten in dieſer Sa- che vermeiden. Dieſes wird ohne Zweifel de- nenienigen wunderlich vorkommen, welche glau- ben, daß ich in dieſer Materie, die ich abzu-
handeln
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nichts koſten, ſo koͤnnen wir derſelben ſo viele
beylegen, als uns gefaͤllt; allein eben darum,
weil ſie ſo wohlfeil ſind, wird man ſich nicht
viel beſonderes davon verſprechen koͤnnen. Mei-
nethalben koͤnte die menſchliche Sele, Archaͤus,
Microcosmetor oder Monade heiſſen, das
eine wuͤrde mir ihre wahre Beſchaffenheit ſo
wenig entdecken, als das andre. Wenn wir
die Materialiſten ausnehmen, ſo behauptet ie-
dermann, daß die Seele ein Geiſt ſey. Allein
es muß Grade in der Geiſtigkeit geben, weil
es Leute giebt, welche zwar mit Gewißheit
glauben, daß die Sele ein Geiſt ſey: die aber
demohngeachtet nicht zugeben wollen, daß man
ſie eine Monade nennen ſoll. Was mich be-
trift, ſo ſoll es mir einerley gelten, man mag
die Sele halten, wovor man will. Meine
Gedancken von dem Einfluſſe der Sele in ih-
ren Koͤrper ſollen alſo beſchaffen ſeyn, daß ſie
einer Monade eben ſo wohl, als einem Ar-
chaͤus zu kommen. Jch will zum voraus ſe-
tzen, daß wir alleſammt dencken: und dasie-
nige Ding, welches in uns iſt und Vorſtel-
lungen hat, ſoll eine Sele heiſſen. Dieſe Er-
klaͤrung hat einen ziemlich weiten Umfang,
allein weil ich nicht ſehe, warum ich das We-
ſen der Sele genauer beſtimmen muͤſte: ſo
will ich lieber die Streitigkeiten in dieſer Sa-
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/34>, abgerufen am 16.07.2024.
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