Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

That einerley, man mag glauben, welches man
will. Jndessen kan es gantz und gar nicht
schwer fallen, zu erweisen, das vielmehr S, M
würcke, und daß M nicht die Ursach, sondern
die Würckung von S sey. Denn wenn es
ausgemacht ist, daß dasienige die Ursach des
andern sey, welches allemal dem andern vor-
gehet, und worauf dasselbe erfolget; so wird
man auch zugeben müssen, daß S die Ursach
von M sey: da es allemal ehe zugegen ist, als
M. Unsre Sele ist dasienige Ding, welches
Vorstellungen hat und in uns befindlich ist §. 1.
Also muß auch der Sitz der Empfindungen die
Sele seyn. Würcken nun die Empfindungen,
Bewegungen in unsern Körper, so kan es nicht
fehlen, als daß sie ein Jnstrument der Sele
abgeben, wodurch sie eine würckende Ursach
einiger Veränderungen unsers Körpers wird,
nemlich dererienigen Bewegungen, die denen
Empfindungen folgen und ihnen proportional
sind. Jch habe den Obersatz dieses Beweises
so sehr eingeschränckt, als vielleicht noch nicht
geschehen. Wenn man demnach an diesen
zweifeln wolte, so müste man auch läugnen,
daß die Sonne die Ursach des Lichts, der Va-
ter und Mutter eine Ursach der Kinder, das
Essen und Trincken eine Ursach unsrer Ernäh-
rung, die Bewegung des Hertzens die Ursach
des Umlaufs des Geblüts, das Herumgehen
des Zeigers eine Würckung der innern Bewe-
gung der Uhr, und die verschiedenen Verände-

rungen
G 4

That einerley, man mag glauben, welches man
will. Jndeſſen kan es gantz und gar nicht
ſchwer fallen, zu erweiſen, das vielmehr S, M
wuͤrcke, und daß M nicht die Urſach, ſondern
die Wuͤrckung von S ſey. Denn wenn es
ausgemacht iſt, daß dasienige die Urſach des
andern ſey, welches allemal dem andern vor-
gehet, und worauf daſſelbe erfolget; ſo wird
man auch zugeben muͤſſen, daß S die Urſach
von M ſey: da es allemal ehe zugegen iſt, als
M. Unſre Sele iſt dasienige Ding, welches
Vorſtellungen hat und in uns befindlich iſt §. 1.
Alſo muß auch der Sitz der Empfindungen die
Sele ſeyn. Wuͤrcken nun die Empfindungen,
Bewegungen in unſern Koͤrper, ſo kan es nicht
fehlen, als daß ſie ein Jnſtrument der Sele
abgeben, wodurch ſie eine wuͤrckende Urſach
einiger Veraͤnderungen unſers Koͤrpers wird,
nemlich dererienigen Bewegungen, die denen
Empfindungen folgen und ihnen proportional
ſind. Jch habe den Oberſatz dieſes Beweiſes
ſo ſehr eingeſchraͤnckt, als vielleicht noch nicht
geſchehen. Wenn man demnach an dieſen
zweifeln wolte, ſo muͤſte man auch laͤugnen,
daß die Sonne die Urſach des Lichts, der Va-
ter und Mutter eine Urſach der Kinder, das
Eſſen und Trincken eine Urſach unſrer Ernaͤh-
rung, die Bewegung des Hertzens die Urſach
des Umlaufs des Gebluͤts, das Herumgehen
des Zeigers eine Wuͤrckung der innern Bewe-
gung der Uhr, und die verſchiedenen Veraͤnde-

rungen
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="77"/>
That einerley, man mag glauben, welches man<lb/>
will. Jnde&#x017F;&#x017F;en kan es gantz und gar nicht<lb/>
&#x017F;chwer fallen, zu erwei&#x017F;en, das vielmehr <hi rendition="#aq">S, M</hi><lb/>
wu&#x0364;rcke, und daß <hi rendition="#aq">M</hi> nicht die Ur&#x017F;ach, &#x017F;ondern<lb/>
die Wu&#x0364;rckung von <hi rendition="#aq">S</hi> &#x017F;ey. Denn wenn es<lb/>
ausgemacht i&#x017F;t, daß dasienige die Ur&#x017F;ach des<lb/>
andern &#x017F;ey, welches allemal dem andern vor-<lb/>
gehet, und worauf da&#x017F;&#x017F;elbe erfolget; &#x017F;o wird<lb/>
man auch zugeben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß <hi rendition="#aq">S</hi> die Ur&#x017F;ach<lb/>
von <hi rendition="#aq">M</hi> &#x017F;ey: da es allemal ehe zugegen i&#x017F;t, als<lb/><hi rendition="#aq">M.</hi> Un&#x017F;re Sele i&#x017F;t dasienige Ding, welches<lb/>
Vor&#x017F;tellungen hat und in uns befindlich i&#x017F;t §. 1.<lb/>
Al&#x017F;o muß auch der Sitz der Empfindungen die<lb/>
Sele &#x017F;eyn. Wu&#x0364;rcken nun die Empfindungen,<lb/>
Bewegungen in un&#x017F;ern Ko&#x0364;rper, &#x017F;o kan es nicht<lb/>
fehlen, als daß &#x017F;ie ein Jn&#x017F;trument der Sele<lb/>
abgeben, wodurch &#x017F;ie eine wu&#x0364;rckende Ur&#x017F;ach<lb/>
einiger Vera&#x0364;nderungen un&#x017F;ers Ko&#x0364;rpers wird,<lb/>
nemlich dererienigen Bewegungen, die denen<lb/>
Empfindungen folgen und ihnen proportional<lb/>
&#x017F;ind. Jch habe den Ober&#x017F;atz die&#x017F;es Bewei&#x017F;es<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr einge&#x017F;chra&#x0364;nckt, als vielleicht noch nicht<lb/>
ge&#x017F;chehen. Wenn man demnach an die&#x017F;en<lb/>
zweifeln wolte, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te man auch la&#x0364;ugnen,<lb/>
daß die Sonne die Ur&#x017F;ach des Lichts, der Va-<lb/>
ter und Mutter eine Ur&#x017F;ach der Kinder, das<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en und Trincken eine Ur&#x017F;ach un&#x017F;rer Erna&#x0364;h-<lb/>
rung, die Bewegung des Hertzens die Ur&#x017F;ach<lb/>
des Umlaufs des Geblu&#x0364;ts, das Herumgehen<lb/>
des Zeigers eine Wu&#x0364;rckung der innern Bewe-<lb/>
gung der Uhr, und die ver&#x017F;chiedenen Vera&#x0364;nde-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><fw place="bottom" type="catch">rungen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0107] That einerley, man mag glauben, welches man will. Jndeſſen kan es gantz und gar nicht ſchwer fallen, zu erweiſen, das vielmehr S, M wuͤrcke, und daß M nicht die Urſach, ſondern die Wuͤrckung von S ſey. Denn wenn es ausgemacht iſt, daß dasienige die Urſach des andern ſey, welches allemal dem andern vor- gehet, und worauf daſſelbe erfolget; ſo wird man auch zugeben muͤſſen, daß S die Urſach von M ſey: da es allemal ehe zugegen iſt, als M. Unſre Sele iſt dasienige Ding, welches Vorſtellungen hat und in uns befindlich iſt §. 1. Alſo muß auch der Sitz der Empfindungen die Sele ſeyn. Wuͤrcken nun die Empfindungen, Bewegungen in unſern Koͤrper, ſo kan es nicht fehlen, als daß ſie ein Jnſtrument der Sele abgeben, wodurch ſie eine wuͤrckende Urſach einiger Veraͤnderungen unſers Koͤrpers wird, nemlich dererienigen Bewegungen, die denen Empfindungen folgen und ihnen proportional ſind. Jch habe den Oberſatz dieſes Beweiſes ſo ſehr eingeſchraͤnckt, als vielleicht noch nicht geſchehen. Wenn man demnach an dieſen zweifeln wolte, ſo muͤſte man auch laͤugnen, daß die Sonne die Urſach des Lichts, der Va- ter und Mutter eine Urſach der Kinder, das Eſſen und Trincken eine Urſach unſrer Ernaͤh- rung, die Bewegung des Hertzens die Urſach des Umlaufs des Gebluͤts, das Herumgehen des Zeigers eine Wuͤrckung der innern Bewe- gung der Uhr, und die verſchiedenen Veraͤnde- rungen G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/107
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/107>, abgerufen am 18.12.2024.