"ursprünglichen thierischen Lebenskraft des Gehirns stehen." §. 666. Wem es zu schwer seyn möchte, sich diesen Zwei- fel selbst aufzulösen, dem werden folgende Anweisungen zu- recht helfen können.
Die thierische Maschine, welche die Lebensgeister ab- sondert, ist nicht bey allen Thieren zugleich diejenige, wel- che thierischer Seelenkräfte fähig ist, wird aber in beyder- ley Absicht Gehirn genennt. §. 673. Alle thierische Ver- richtungen erfodern im natürlichen Zustande die ursprüng- liche thierische Lebenskraft des Gehirns zur Absonderung der Lebensgeister und zu ihrem Vertriebe in den Nerven, §. 680. nicht aber die thierischen Seelenkräfte, in so fern die meisten derselben durch bloße Nervenkräfte ersetzet wer- den können. §. 697. Jn den Thieren, die keine thieri- sche Seelenkräfte besitzen, ist im natürlichen Zustande die Absonderung und Verbreitung der Lebensgeister, mithin ein Gehirn mit einer ursprünglichen thierischen Lebenskraft, zu allen ihren thierischen Verrichtungen nöthig, weil sie derselben natürlich subordiniret sind. §. 680. 690. Allein dieses Gehirn kann in ihrem ganzen Körper zerstreuet und jedem Theile besonders eigen seyn. §. 677. N. 4. Sie können also eines Kopfs, als eines besondern Behältnisses des zur Absonderung der Lebensgeister nöthigen Gehirns entbehren, und doch ihre thierische Verrichtungen in der natürlichen Subordination unter die ursprüngliche thieri- sche Lebenskraft ihres ausgebreiteten oder zerstreuten Ge- hirns bewerkstelligen. §. 677. N. 4. Wenn sich aber ein solcher Kopf an ihnen befindet, und nicht in allen ihren Gliedern, sondern nur im Kopfe allein das Nervenmark Lebensgeister absondert und vertreibt, so kann dieser Kopf und dieses Gehirn mit seiner ursprünglichen thierischen Le- benskraft ihnen nicht genommen werden, ohne zugleich al- ler ihrer natürlichen thierischen Verrichtungen, mithin ih- res ganzen blos thierischen Lebens ein Ende zu machen. §. 639. 680. Unterdessen sind nicht gleich in demselben Au- genblicke, da diese Trennung geschieht, alle in das ganze
System
Y y
5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben.
„urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft des Gehirns ſtehen.“ §. 666. Wem es zu ſchwer ſeyn moͤchte, ſich dieſen Zwei- fel ſelbſt aufzuloͤſen, dem werden folgende Anweiſungen zu- recht helfen koͤnnen.
Die thieriſche Maſchine, welche die Lebensgeiſter ab- ſondert, iſt nicht bey allen Thieren zugleich diejenige, wel- che thieriſcher Seelenkraͤfte faͤhig iſt, wird aber in beyder- ley Abſicht Gehirn genennt. §. 673. Alle thieriſche Ver- richtungen erfodern im natuͤrlichen Zuſtande die urſpruͤng- liche thieriſche Lebenskraft des Gehirns zur Abſonderung der Lebensgeiſter und zu ihrem Vertriebe in den Nerven, §. 680. nicht aber die thieriſchen Seelenkraͤfte, in ſo fern die meiſten derſelben durch bloße Nervenkraͤfte erſetzet wer- den koͤnnen. §. 697. Jn den Thieren, die keine thieri- ſche Seelenkraͤfte beſitzen, iſt im natuͤrlichen Zuſtande die Abſonderung und Verbreitung der Lebensgeiſter, mithin ein Gehirn mit einer urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft, zu allen ihren thieriſchen Verrichtungen noͤthig, weil ſie derſelben natuͤrlich ſubordiniret ſind. §. 680. 690. Allein dieſes Gehirn kann in ihrem ganzen Koͤrper zerſtreuet und jedem Theile beſonders eigen ſeyn. §. 677. N. 4. Sie koͤnnen alſo eines Kopfs, als eines beſondern Behaͤltniſſes des zur Abſonderung der Lebensgeiſter noͤthigen Gehirns entbehren, und doch ihre thieriſche Verrichtungen in der natuͤrlichen Subordination unter die urſpruͤngliche thieri- ſche Lebenskraft ihres ausgebreiteten oder zerſtreuten Ge- hirns bewerkſtelligen. §. 677. N. 4. Wenn ſich aber ein ſolcher Kopf an ihnen befindet, und nicht in allen ihren Gliedern, ſondern nur im Kopfe allein das Nervenmark Lebensgeiſter abſondert und vertreibt, ſo kann dieſer Kopf und dieſes Gehirn mit ſeiner urſpruͤnglichen thieriſchen Le- benskraft ihnen nicht genommen werden, ohne zugleich al- ler ihrer natuͤrlichen thieriſchen Verrichtungen, mithin ih- res ganzen blos thieriſchen Lebens ein Ende zu machen. §. 639. 680. Unterdeſſen ſind nicht gleich in demſelben Au- genblicke, da dieſe Trennung geſchieht, alle in das ganze
Syſtem
Y y
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0729"n="705"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben.</hi></fw><lb/>„urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft des Gehirns ſtehen.“<lb/>
§. 666. Wem es zu ſchwer ſeyn moͤchte, ſich dieſen Zwei-<lb/>
fel ſelbſt aufzuloͤſen, dem werden folgende Anweiſungen zu-<lb/>
recht helfen koͤnnen.</p><lb/><p>Die thieriſche Maſchine, welche die Lebensgeiſter ab-<lb/>ſondert, iſt nicht bey allen Thieren zugleich diejenige, wel-<lb/>
che thieriſcher Seelenkraͤfte faͤhig iſt, wird aber in beyder-<lb/>
ley Abſicht Gehirn genennt. §. 673. Alle thieriſche Ver-<lb/>
richtungen erfodern im natuͤrlichen Zuſtande die urſpruͤng-<lb/>
liche thieriſche Lebenskraft des Gehirns zur Abſonderung<lb/>
der Lebensgeiſter und zu ihrem Vertriebe in den Nerven,<lb/>
§. 680. nicht aber die thieriſchen Seelenkraͤfte, in ſo fern<lb/>
die meiſten derſelben durch bloße Nervenkraͤfte erſetzet wer-<lb/>
den koͤnnen. §. 697. Jn den Thieren, die keine thieri-<lb/>ſche Seelenkraͤfte beſitzen, iſt im natuͤrlichen Zuſtande die<lb/>
Abſonderung und Verbreitung der Lebensgeiſter, mithin<lb/>
ein Gehirn mit einer urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft,<lb/>
zu allen ihren thieriſchen Verrichtungen noͤthig, weil ſie<lb/>
derſelben natuͤrlich ſubordiniret ſind. §. 680. 690. Allein<lb/>
dieſes Gehirn kann in ihrem ganzen Koͤrper zerſtreuet und<lb/>
jedem Theile beſonders eigen ſeyn. §. 677. <hirendition="#aq">N.</hi> 4. Sie<lb/>
koͤnnen alſo eines Kopfs, als eines beſondern Behaͤltniſſes<lb/>
des zur Abſonderung der Lebensgeiſter noͤthigen Gehirns<lb/>
entbehren, und doch ihre thieriſche Verrichtungen in der<lb/>
natuͤrlichen Subordination unter die urſpruͤngliche thieri-<lb/>ſche Lebenskraft ihres ausgebreiteten oder zerſtreuten Ge-<lb/>
hirns bewerkſtelligen. §. 677. <hirendition="#aq">N.</hi> 4. Wenn ſich aber ein<lb/>ſolcher Kopf an ihnen befindet, und nicht in allen ihren<lb/>
Gliedern, ſondern nur im Kopfe allein das Nervenmark<lb/>
Lebensgeiſter abſondert und vertreibt, ſo kann dieſer Kopf<lb/>
und dieſes Gehirn mit ſeiner urſpruͤnglichen thieriſchen Le-<lb/>
benskraft ihnen nicht genommen werden, ohne zugleich al-<lb/>
ler ihrer natuͤrlichen thieriſchen Verrichtungen, mithin ih-<lb/>
res ganzen blos thieriſchen Lebens ein Ende zu machen. §.<lb/>
639. 680. Unterdeſſen ſind nicht gleich in demſelben Au-<lb/>
genblicke, da dieſe Trennung geſchieht, alle in das ganze<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y y</fw><fwplace="bottom"type="catch">Syſtem</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[705/0729]
5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben.
„urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft des Gehirns ſtehen.“
§. 666. Wem es zu ſchwer ſeyn moͤchte, ſich dieſen Zwei-
fel ſelbſt aufzuloͤſen, dem werden folgende Anweiſungen zu-
recht helfen koͤnnen.
Die thieriſche Maſchine, welche die Lebensgeiſter ab-
ſondert, iſt nicht bey allen Thieren zugleich diejenige, wel-
che thieriſcher Seelenkraͤfte faͤhig iſt, wird aber in beyder-
ley Abſicht Gehirn genennt. §. 673. Alle thieriſche Ver-
richtungen erfodern im natuͤrlichen Zuſtande die urſpruͤng-
liche thieriſche Lebenskraft des Gehirns zur Abſonderung
der Lebensgeiſter und zu ihrem Vertriebe in den Nerven,
§. 680. nicht aber die thieriſchen Seelenkraͤfte, in ſo fern
die meiſten derſelben durch bloße Nervenkraͤfte erſetzet wer-
den koͤnnen. §. 697. Jn den Thieren, die keine thieri-
ſche Seelenkraͤfte beſitzen, iſt im natuͤrlichen Zuſtande die
Abſonderung und Verbreitung der Lebensgeiſter, mithin
ein Gehirn mit einer urſpruͤnglichen thieriſchen Lebenskraft,
zu allen ihren thieriſchen Verrichtungen noͤthig, weil ſie
derſelben natuͤrlich ſubordiniret ſind. §. 680. 690. Allein
dieſes Gehirn kann in ihrem ganzen Koͤrper zerſtreuet und
jedem Theile beſonders eigen ſeyn. §. 677. N. 4. Sie
koͤnnen alſo eines Kopfs, als eines beſondern Behaͤltniſſes
des zur Abſonderung der Lebensgeiſter noͤthigen Gehirns
entbehren, und doch ihre thieriſche Verrichtungen in der
natuͤrlichen Subordination unter die urſpruͤngliche thieri-
ſche Lebenskraft ihres ausgebreiteten oder zerſtreuten Ge-
hirns bewerkſtelligen. §. 677. N. 4. Wenn ſich aber ein
ſolcher Kopf an ihnen befindet, und nicht in allen ihren
Gliedern, ſondern nur im Kopfe allein das Nervenmark
Lebensgeiſter abſondert und vertreibt, ſo kann dieſer Kopf
und dieſes Gehirn mit ſeiner urſpruͤnglichen thieriſchen Le-
benskraft ihnen nicht genommen werden, ohne zugleich al-
ler ihrer natuͤrlichen thieriſchen Verrichtungen, mithin ih-
res ganzen blos thieriſchen Lebens ein Ende zu machen. §.
639. 680. Unterdeſſen ſind nicht gleich in demſelben Au-
genblicke, da dieſe Trennung geſchieht, alle in das ganze
Syſtem
Y y
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/729>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.