andre Empfindungen als die gegenwärtige veranlassende beziehen, sondern in so fern sie wenigstens zum Theil von ihr wesentlich herrühren.
3. daß der Grund, warum dieser Unterschied bey den Trieben weniger Statt findet, und warum die Seelenwir- kungen dieser, ob sie gleich auch nur zufällige der sie veran- lassenden äußern Empfindung sind, §. 98. N. 3. doch viel unfehlbarer durch die bloße Nervenkraft des äußern sinnli- chen Eindrucks eben dieser äußern Empfindung ersetzet wer- den, als der Leidenschaften, eigentlich darinn liege, weil die äußere Empfindung, welche einen Trieb erreget, da sich das Thier derselben selten oder doch kaum bewußt wird, den sinnlichen Willkühr der Vorstellungskraft nicht so weit von sich wegschweifen läßt, daß nicht die sinnlichen Zwischen- vorstellungen, welche der Trieb erfodert, §. 94. sich im- mer nur zunächst auf sie beziehen, und aus ihr größten- theils bestehen sollten, um durch diesen Zwang der Natur ihre Zwecke desto gewisser zu erreichen: §. 552. dahinge- gen die Leidenschaften, durch die Zwischenkunft andrer weit- her geholter und fremder sinnlicher Vorstellungen von der sie veranlassenden äußern Empfindung, oft so weit abwei- chen, daß ihre Seelenwirkungen zum wenigsten Theile, und ganz zufällig, nach psychologischen Gesetzen von ihr mitge- wirket werden. §. 565 -- 567.
§. 569.
Ob also gleich die Nervenkräfte überhaupt die Seelen- wirkungen der Leidenschaften einzeln ersetzen können, §. 563. so können sie doch die Operationen der thierischen Seelen- kräfte in der Ordnung, wie sie sich von der veranlassenden äußern Empfindung an, bis zum Ausbruche der Leiden- schaft psychologisch entwickeln, nicht nachahmen, wofern nicht die Leidenschaft, auf ähnliche Weise wie ein Trieb, zunächst und größtentheils von der veranlassenden äußern Empfindung abhängt. §. 568. N. 2. 3. Da nun von den Seelenwirkungen der Leidenschaften die übrigen Folgen in
der
1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
andre Empfindungen als die gegenwaͤrtige veranlaſſende beziehen, ſondern in ſo fern ſie wenigſtens zum Theil von ihr weſentlich herruͤhren.
3. daß der Grund, warum dieſer Unterſchied bey den Trieben weniger Statt findet, und warum die Seelenwir- kungen dieſer, ob ſie gleich auch nur zufaͤllige der ſie veran- laſſenden aͤußern Empfindung ſind, §. 98. N. 3. doch viel unfehlbarer durch die bloße Nervenkraft des aͤußern ſinnli- chen Eindrucks eben dieſer aͤußern Empfindung erſetzet wer- den, als der Leidenſchaften, eigentlich darinn liege, weil die aͤußere Empfindung, welche einen Trieb erreget, da ſich das Thier derſelben ſelten oder doch kaum bewußt wird, den ſinnlichen Willkuͤhr der Vorſtellungskraft nicht ſo weit von ſich wegſchweifen laͤßt, daß nicht die ſinnlichen Zwiſchen- vorſtellungen, welche der Trieb erfodert, §. 94. ſich im- mer nur zunaͤchſt auf ſie beziehen, und aus ihr groͤßten- theils beſtehen ſollten, um durch dieſen Zwang der Natur ihre Zwecke deſto gewiſſer zu erreichen: §. 552. dahinge- gen die Leidenſchaften, durch die Zwiſchenkunft andrer weit- her geholter und fremder ſinnlicher Vorſtellungen von der ſie veranlaſſenden aͤußern Empfindung, oft ſo weit abwei- chen, daß ihre Seelenwirkungen zum wenigſten Theile, und ganz zufaͤllig, nach pſychologiſchen Geſetzen von ihr mitge- wirket werden. §. 565 — 567.
§. 569.
Ob alſo gleich die Nervenkraͤfte uͤberhaupt die Seelen- wirkungen der Leidenſchaften einzeln erſetzen koͤnnen, §. 563. ſo koͤnnen ſie doch die Operationen der thieriſchen Seelen- kraͤfte in der Ordnung, wie ſie ſich von der veranlaſſenden aͤußern Empfindung an, bis zum Ausbruche der Leiden- ſchaft pſychologiſch entwickeln, nicht nachahmen, wofern nicht die Leidenſchaft, auf aͤhnliche Weiſe wie ein Trieb, zunaͤchſt und groͤßtentheils von der veranlaſſenden aͤußern Empfindung abhaͤngt. §. 568. N. 2. 3. Da nun von den Seelenwirkungen der Leidenſchaften die uͤbrigen Folgen in
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[573/0597]
1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
andre Empfindungen als die gegenwaͤrtige veranlaſſende
beziehen, ſondern in ſo fern ſie wenigſtens zum Theil von
ihr weſentlich herruͤhren.
3. daß der Grund, warum dieſer Unterſchied bey den
Trieben weniger Statt findet, und warum die Seelenwir-
kungen dieſer, ob ſie gleich auch nur zufaͤllige der ſie veran-
laſſenden aͤußern Empfindung ſind, §. 98. N. 3. doch viel
unfehlbarer durch die bloße Nervenkraft des aͤußern ſinnli-
chen Eindrucks eben dieſer aͤußern Empfindung erſetzet wer-
den, als der Leidenſchaften, eigentlich darinn liege, weil
die aͤußere Empfindung, welche einen Trieb erreget, da ſich
das Thier derſelben ſelten oder doch kaum bewußt wird, den
ſinnlichen Willkuͤhr der Vorſtellungskraft nicht ſo weit von
ſich wegſchweifen laͤßt, daß nicht die ſinnlichen Zwiſchen-
vorſtellungen, welche der Trieb erfodert, §. 94. ſich im-
mer nur zunaͤchſt auf ſie beziehen, und aus ihr groͤßten-
theils beſtehen ſollten, um durch dieſen Zwang der Natur
ihre Zwecke deſto gewiſſer zu erreichen: §. 552. dahinge-
gen die Leidenſchaften, durch die Zwiſchenkunft andrer weit-
her geholter und fremder ſinnlicher Vorſtellungen von der
ſie veranlaſſenden aͤußern Empfindung, oft ſo weit abwei-
chen, daß ihre Seelenwirkungen zum wenigſten Theile, und
ganz zufaͤllig, nach pſychologiſchen Geſetzen von ihr mitge-
wirket werden. §. 565 — 567.
§. 569.
Ob alſo gleich die Nervenkraͤfte uͤberhaupt die Seelen-
wirkungen der Leidenſchaften einzeln erſetzen koͤnnen, §. 563.
ſo koͤnnen ſie doch die Operationen der thieriſchen Seelen-
kraͤfte in der Ordnung, wie ſie ſich von der veranlaſſenden
aͤußern Empfindung an, bis zum Ausbruche der Leiden-
ſchaft pſychologiſch entwickeln, nicht nachahmen, wofern
nicht die Leidenſchaft, auf aͤhnliche Weiſe wie ein Trieb,
zunaͤchſt und groͤßtentheils von der veranlaſſenden aͤußern
Empfindung abhaͤngt. §. 568. N. 2. 3. Da nun von den
Seelenwirkungen der Leidenſchaften die uͤbrigen Folgen in
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/597>, abgerufen am 21.11.2024.
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