Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
1 Abschn. Der Lebensgeister.
§. 21.

Wenn im Gehirne die Lebensgeister gehörig vom Blu-
te abgesondert werden, und ihr Einfluß von da in die Ner-
ven, oder von diesen in jenes ungehindert von Statten geht,
so erfolgen auch die thierischen Verrichtungen der Seelen-
oder Nervenkräfte, welche sie vermitteln müssen, natürlich
und ungehindert, und so können besagte Kräfte, in Ver-
hältniß dieses Grundes frey wirken.

§. 22.

Alles, was die Hervorbringung der Lebensgeister im
Gehirne hindert, alles, was ihre, uns zwar unbekannte,
natürliche Beschaffenheit verdirbt, alles, was ihren Ein-
fluß aus dem Gehirne in die Nerven, oder aus diesen in
jenes unterbricht, und endlich alles, was die Verzehrung
oder Abnutzung derselben befördert, das hindert die freye
Wirkung der thierischen Seelen- und Nervenkräfte, in so
fern solche durch sie vermittelt werden muß. Der gehemm-
te Umlauf des Bluts durchs Gehirn, die Zusammendrü-
ckung oder gänzliche Zerstörung, oder die Trennung des
letztern vom Körper, hindern die Hervorbringung der Le-
bensgeister im Gehirne. Ein allgemeines Verderben aller
Säfte muß auch nothwendig ihre natürliche Beschaffenheit
vernichten; das Unterbinden, Zusammendrücken oder Zer-
schneiden des Rückenmarks, der Nervenstämme und ihrer
Zweige hemmt ihren Einfluß aus dem Gehirne in die Ner-
ven, und aus diesen ins Gehirn; und eine übermäßige An-
strengung der Leibes- oder Gemüthskräfte verzehret die Le-
bensgeister. §. 20. Also sind dieses insgesammt Ursa-
chen, welche die freye Wirkung der thierischen Seelen- und
Nervenkräfte in dem, was die Lebensgeister dazu beytra-
gen, hindern.

§. 23.

Die Erfahrung lehret, daß im Schlafe, vom Genusse
des Weins und andrer geistiger Mittel und leichter nahr-

hafter
C 2
1 Abſchn. Der Lebensgeiſter.
§. 21.

Wenn im Gehirne die Lebensgeiſter gehoͤrig vom Blu-
te abgeſondert werden, und ihr Einfluß von da in die Ner-
ven, oder von dieſen in jenes ungehindert von Statten geht,
ſo erfolgen auch die thieriſchen Verrichtungen der Seelen-
oder Nervenkraͤfte, welche ſie vermitteln muͤſſen, natuͤrlich
und ungehindert, und ſo koͤnnen beſagte Kraͤfte, in Ver-
haͤltniß dieſes Grundes frey wirken.

§. 22.

Alles, was die Hervorbringung der Lebensgeiſter im
Gehirne hindert, alles, was ihre, uns zwar unbekannte,
natuͤrliche Beſchaffenheit verdirbt, alles, was ihren Ein-
fluß aus dem Gehirne in die Nerven, oder aus dieſen in
jenes unterbricht, und endlich alles, was die Verzehrung
oder Abnutzung derſelben befoͤrdert, das hindert die freye
Wirkung der thieriſchen Seelen- und Nervenkraͤfte, in ſo
fern ſolche durch ſie vermittelt werden muß. Der gehemm-
te Umlauf des Bluts durchs Gehirn, die Zuſammendruͤ-
ckung oder gaͤnzliche Zerſtoͤrung, oder die Trennung des
letztern vom Koͤrper, hindern die Hervorbringung der Le-
bensgeiſter im Gehirne. Ein allgemeines Verderben aller
Saͤfte muß auch nothwendig ihre natuͤrliche Beſchaffenheit
vernichten; das Unterbinden, Zuſammendruͤcken oder Zer-
ſchneiden des Ruͤckenmarks, der Nervenſtaͤmme und ihrer
Zweige hemmt ihren Einfluß aus dem Gehirne in die Ner-
ven, und aus dieſen ins Gehirn; und eine uͤbermaͤßige An-
ſtrengung der Leibes- oder Gemuͤthskraͤfte verzehret die Le-
bensgeiſter. §. 20. Alſo ſind dieſes insgeſammt Urſa-
chen, welche die freye Wirkung der thieriſchen Seelen- und
Nervenkraͤfte in dem, was die Lebensgeiſter dazu beytra-
gen, hindern.

§. 23.

Die Erfahrung lehret, daß im Schlafe, vom Genuſſe
des Weins und andrer geiſtiger Mittel und leichter nahr-

hafter
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0059" n="35"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">1 Ab&#x017F;chn. Der Lebensgei&#x017F;ter.</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 21.</head><lb/>
              <p>Wenn im Gehirne die Lebensgei&#x017F;ter geho&#x0364;rig vom Blu-<lb/>
te abge&#x017F;ondert werden, und ihr Einfluß von da in die Ner-<lb/>
ven, oder von die&#x017F;en in jenes ungehindert von Statten geht,<lb/>
&#x017F;o erfolgen auch die thieri&#x017F;chen Verrichtungen der Seelen-<lb/>
oder Nervenkra&#x0364;fte, welche &#x017F;ie vermitteln mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, natu&#x0364;rlich<lb/>
und ungehindert, und &#x017F;o ko&#x0364;nnen be&#x017F;agte Kra&#x0364;fte, in Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß die&#x017F;es Grundes frey wirken.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 22.</head><lb/>
              <p>Alles, was die Hervorbringung der Lebensgei&#x017F;ter im<lb/>
Gehirne hindert, alles, was ihre, uns zwar unbekannte,<lb/>
natu&#x0364;rliche Be&#x017F;chaffenheit verdirbt, alles, was ihren Ein-<lb/>
fluß aus dem Gehirne in die Nerven, oder aus die&#x017F;en in<lb/>
jenes unterbricht, und endlich alles, was die Verzehrung<lb/>
oder Abnutzung der&#x017F;elben befo&#x0364;rdert, das hindert die freye<lb/>
Wirkung der thieri&#x017F;chen Seelen- und Nervenkra&#x0364;fte, in &#x017F;o<lb/>
fern &#x017F;olche durch &#x017F;ie vermittelt werden muß. Der gehemm-<lb/>
te Umlauf des Bluts durchs Gehirn, die Zu&#x017F;ammendru&#x0364;-<lb/>
ckung oder ga&#x0364;nzliche Zer&#x017F;to&#x0364;rung, oder die Trennung des<lb/>
letztern vom Ko&#x0364;rper, hindern die Hervorbringung der Le-<lb/>
bensgei&#x017F;ter im Gehirne. Ein allgemeines Verderben aller<lb/>
Sa&#x0364;fte muß auch nothwendig ihre natu&#x0364;rliche Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
vernichten; das Unterbinden, Zu&#x017F;ammendru&#x0364;cken oder Zer-<lb/>
&#x017F;chneiden des Ru&#x0364;ckenmarks, der Nerven&#x017F;ta&#x0364;mme und ihrer<lb/>
Zweige hemmt ihren Einfluß aus dem Gehirne in die Ner-<lb/>
ven, und aus die&#x017F;en ins Gehirn; und eine u&#x0364;berma&#x0364;ßige An-<lb/>
&#x017F;trengung der Leibes- oder Gemu&#x0364;thskra&#x0364;fte verzehret die Le-<lb/>
bensgei&#x017F;ter. §. 20. Al&#x017F;o &#x017F;ind die&#x017F;es insge&#x017F;ammt Ur&#x017F;a-<lb/>
chen, welche die freye Wirkung der thieri&#x017F;chen Seelen- und<lb/>
Nervenkra&#x0364;fte in dem, was die Lebensgei&#x017F;ter dazu beytra-<lb/>
gen, hindern.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 23.</head><lb/>
              <p>Die Erfahrung lehret, daß im Schlafe, vom Genu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Weins und andrer gei&#x017F;tiger Mittel und leichter nahr-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">hafter</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0059] 1 Abſchn. Der Lebensgeiſter. §. 21. Wenn im Gehirne die Lebensgeiſter gehoͤrig vom Blu- te abgeſondert werden, und ihr Einfluß von da in die Ner- ven, oder von dieſen in jenes ungehindert von Statten geht, ſo erfolgen auch die thieriſchen Verrichtungen der Seelen- oder Nervenkraͤfte, welche ſie vermitteln muͤſſen, natuͤrlich und ungehindert, und ſo koͤnnen beſagte Kraͤfte, in Ver- haͤltniß dieſes Grundes frey wirken. §. 22. Alles, was die Hervorbringung der Lebensgeiſter im Gehirne hindert, alles, was ihre, uns zwar unbekannte, natuͤrliche Beſchaffenheit verdirbt, alles, was ihren Ein- fluß aus dem Gehirne in die Nerven, oder aus dieſen in jenes unterbricht, und endlich alles, was die Verzehrung oder Abnutzung derſelben befoͤrdert, das hindert die freye Wirkung der thieriſchen Seelen- und Nervenkraͤfte, in ſo fern ſolche durch ſie vermittelt werden muß. Der gehemm- te Umlauf des Bluts durchs Gehirn, die Zuſammendruͤ- ckung oder gaͤnzliche Zerſtoͤrung, oder die Trennung des letztern vom Koͤrper, hindern die Hervorbringung der Le- bensgeiſter im Gehirne. Ein allgemeines Verderben aller Saͤfte muß auch nothwendig ihre natuͤrliche Beſchaffenheit vernichten; das Unterbinden, Zuſammendruͤcken oder Zer- ſchneiden des Ruͤckenmarks, der Nervenſtaͤmme und ihrer Zweige hemmt ihren Einfluß aus dem Gehirne in die Ner- ven, und aus dieſen ins Gehirn; und eine uͤbermaͤßige An- ſtrengung der Leibes- oder Gemuͤthskraͤfte verzehret die Le- bensgeiſter. §. 20. Alſo ſind dieſes insgeſammt Urſa- chen, welche die freye Wirkung der thieriſchen Seelen- und Nervenkraͤfte in dem, was die Lebensgeiſter dazu beytra- gen, hindern. §. 23. Die Erfahrung lehret, daß im Schlafe, vom Genuſſe des Weins und andrer geiſtiger Mittel und leichter nahr- hafter C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/59
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/59>, abgerufen am 25.11.2024.