Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

1 Kap. Die Nervenkräfte überhaupt.

wo ihn das Thier denkt, und so war er vorher, in der gan-
zen Länge des Nerven, ob er gleich im Durchgange dessel-
ben schon die mechanischen Maschinen, die er regieren kann,
bewegete, nicht äußere Empfindung, nicht thierisch bewe-
gende Seelenkraft, sondern eine bloße Nervenkraft, und
alle seine Wirkungen waren nur Nervenwirkungen, nicht
Seelenwirkungen der äußern Empfindung. §. 98. N. 1.

§. 405.

So deutlich der Unterschied des äußern sinnlichen Ein-
drucks von den äußern Empfindungen ist, eben so deutlich
ist auch der, der innern sinnlichen Eindrücke der Vorstel-
lungen ins Gehirn und die Nerven, von dem, ohne Vor-
stellungen. Der innere sinnliche von einer Vorstellung,
der in die mechanischen Maschinen wirket, ist eine mate-
rielle Jdee in dem Punkte des Ursprungs eines Nerven im
Gehirne, wo sie die Seele durch ihr Selbstgefühl (§. 80.)
empfand, und sobald diese geheime Bewegung im Ursprun-
ge des Nerven, (die materielle Jdee) aus diesem Fühl-
punkte der Seele fortrücket, und in den Nerven übergeht,
um seine mechanische Maschinen in thierische Bewegung zu
setzen, ist dieser innere sinnliche Eindruck im Thiere nichts
mehr, als was der äußere ist, ehe er in den Fühlpunkt der
Seele im Gehirne eintritt, §. 404. keine innere Empfin-
dung, keine Vorstellung, sondern eine geheime Bewegung
im Nerven, die vom Gehirne abwärts in die Spitzen der
Nerven fortgeht, und die mechanischen Maschinen, die sie
durchdringen, thierisch beweget. Jn so fern nun eine Vor-
stellung der Grund dieser thierischen Bewegung war; in so
fern der sinnliche Eindruck vom Gehirne abwärts, aus dem
Fühlpunkte der Seele, wo sie die Vorstellung dieser mate-
riellen Jdee empfand, ausgieng; in so fern ist sie eine See-
lenwirkung, §. 97. und der innere sinnliche Eindruck, (die
materielle Jdee,) ist eine thierische Seelenkraft. §. 6. Hat
aber ein andrer Reiz des Nervenmarks den innern sinnli-
chen Eindruck gemachet; gieng er nicht von dem Fühlpunkte

der

C c 2

1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt.

wo ihn das Thier denkt, und ſo war er vorher, in der gan-
zen Laͤnge des Nerven, ob er gleich im Durchgange deſſel-
ben ſchon die mechaniſchen Maſchinen, die er regieren kann,
bewegete, nicht aͤußere Empfindung, nicht thieriſch bewe-
gende Seelenkraft, ſondern eine bloße Nervenkraft, und
alle ſeine Wirkungen waren nur Nervenwirkungen, nicht
Seelenwirkungen der aͤußern Empfindung. §. 98. N. 1.

§. 405.

So deutlich der Unterſchied des aͤußern ſinnlichen Ein-
drucks von den aͤußern Empfindungen iſt, eben ſo deutlich
iſt auch der, der innern ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtel-
lungen ins Gehirn und die Nerven, von dem, ohne Vor-
ſtellungen. Der innere ſinnliche von einer Vorſtellung,
der in die mechaniſchen Maſchinen wirket, iſt eine mate-
rielle Jdee in dem Punkte des Urſprungs eines Nerven im
Gehirne, wo ſie die Seele durch ihr Selbſtgefuͤhl (§. 80.)
empfand, und ſobald dieſe geheime Bewegung im Urſprun-
ge des Nerven, (die materielle Jdee) aus dieſem Fuͤhl-
punkte der Seele fortruͤcket, und in den Nerven uͤbergeht,
um ſeine mechaniſche Maſchinen in thieriſche Bewegung zu
ſetzen, iſt dieſer innere ſinnliche Eindruck im Thiere nichts
mehr, als was der aͤußere iſt, ehe er in den Fuͤhlpunkt der
Seele im Gehirne eintritt, §. 404. keine innere Empfin-
dung, keine Vorſtellung, ſondern eine geheime Bewegung
im Nerven, die vom Gehirne abwaͤrts in die Spitzen der
Nerven fortgeht, und die mechaniſchen Maſchinen, die ſie
durchdringen, thieriſch beweget. Jn ſo fern nun eine Vor-
ſtellung der Grund dieſer thieriſchen Bewegung war; in ſo
fern der ſinnliche Eindruck vom Gehirne abwaͤrts, aus dem
Fuͤhlpunkte der Seele, wo ſie die Vorſtellung dieſer mate-
riellen Jdee empfand, ausgieng; in ſo fern iſt ſie eine See-
lenwirkung, §. 97. und der innere ſinnliche Eindruck, (die
materielle Jdee,) iſt eine thieriſche Seelenkraft. §. 6. Hat
aber ein andrer Reiz des Nervenmarks den innern ſinnli-
chen Eindruck gemachet; gieng er nicht von dem Fuͤhlpunkte

der

C c 2

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0427" n="403"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">1 Kap. Die Nervenkra&#x0364;fte u&#x0364;berhaupt.</hi></fw><lb/>
wo ihn das Thier denkt, und &#x017F;o war er vorher, in der gan-<lb/>
zen La&#x0364;nge des Nerven, ob er gleich im Durchgange de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;chon die mechani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen, die er regieren kann,<lb/>
bewegete, nicht a&#x0364;ußere Empfindung, nicht thieri&#x017F;ch bewe-<lb/>
gende Seelenkraft, &#x017F;ondern eine bloße Nervenkraft, und<lb/>
alle &#x017F;eine Wirkungen waren nur Nervenwirkungen, nicht<lb/>
Seelenwirkungen der a&#x0364;ußern Empfindung. §. 98. <hi rendition="#aq">N.</hi> 1.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 405.</head><lb/>
            <p>So deutlich der Unter&#x017F;chied des a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Ein-<lb/>
drucks von den a&#x0364;ußern Empfindungen i&#x017F;t, eben &#x017F;o deutlich<lb/>
i&#x017F;t auch der, der innern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke der Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen ins Gehirn und die Nerven, von dem, ohne Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen. Der innere &#x017F;innliche von einer Vor&#x017F;tellung,<lb/>
der in die mechani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen wirket, i&#x017F;t eine mate-<lb/>
rielle Jdee in dem Punkte des Ur&#x017F;prungs eines Nerven im<lb/>
Gehirne, wo &#x017F;ie die Seele durch ihr Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl (§. 80.)<lb/>
empfand, und &#x017F;obald die&#x017F;e geheime Bewegung im Ur&#x017F;prun-<lb/>
ge des Nerven, (die materielle Jdee) aus die&#x017F;em Fu&#x0364;hl-<lb/>
punkte der Seele fortru&#x0364;cket, und in den Nerven u&#x0364;bergeht,<lb/>
um &#x017F;eine mechani&#x017F;che Ma&#x017F;chinen in thieri&#x017F;che Bewegung zu<lb/>
&#x017F;etzen, i&#x017F;t die&#x017F;er innere &#x017F;innliche Eindruck im Thiere nichts<lb/>
mehr, als was der a&#x0364;ußere i&#x017F;t, ehe er in den Fu&#x0364;hlpunkt der<lb/>
Seele im Gehirne eintritt, §. 404. keine innere Empfin-<lb/>
dung, keine Vor&#x017F;tellung, &#x017F;ondern eine geheime Bewegung<lb/>
im Nerven, die vom Gehirne abwa&#x0364;rts in die Spitzen der<lb/>
Nerven fortgeht, und die mechani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen, die &#x017F;ie<lb/>
durchdringen, thieri&#x017F;ch beweget. Jn &#x017F;o fern nun eine Vor-<lb/>
&#x017F;tellung der Grund die&#x017F;er thieri&#x017F;chen Bewegung war; in &#x017F;o<lb/>
fern der &#x017F;innliche Eindruck vom Gehirne abwa&#x0364;rts, aus dem<lb/>
Fu&#x0364;hlpunkte der Seele, wo &#x017F;ie die Vor&#x017F;tellung die&#x017F;er mate-<lb/>
riellen Jdee empfand, ausgieng; in &#x017F;o fern i&#x017F;t &#x017F;ie eine See-<lb/>
lenwirkung, §. 97. und der innere &#x017F;innliche Eindruck, (die<lb/>
materielle Jdee,) i&#x017F;t eine thieri&#x017F;che Seelenkraft. §. 6. Hat<lb/>
aber ein andrer Reiz des Nervenmarks den innern &#x017F;innli-<lb/>
chen Eindruck gemachet; gieng er nicht von dem Fu&#x0364;hlpunkte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 2</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[403/0427] 1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt. wo ihn das Thier denkt, und ſo war er vorher, in der gan- zen Laͤnge des Nerven, ob er gleich im Durchgange deſſel- ben ſchon die mechaniſchen Maſchinen, die er regieren kann, bewegete, nicht aͤußere Empfindung, nicht thieriſch bewe- gende Seelenkraft, ſondern eine bloße Nervenkraft, und alle ſeine Wirkungen waren nur Nervenwirkungen, nicht Seelenwirkungen der aͤußern Empfindung. §. 98. N. 1. §. 405. So deutlich der Unterſchied des aͤußern ſinnlichen Ein- drucks von den aͤußern Empfindungen iſt, eben ſo deutlich iſt auch der, der innern ſinnlichen Eindruͤcke der Vorſtel- lungen ins Gehirn und die Nerven, von dem, ohne Vor- ſtellungen. Der innere ſinnliche von einer Vorſtellung, der in die mechaniſchen Maſchinen wirket, iſt eine mate- rielle Jdee in dem Punkte des Urſprungs eines Nerven im Gehirne, wo ſie die Seele durch ihr Selbſtgefuͤhl (§. 80.) empfand, und ſobald dieſe geheime Bewegung im Urſprun- ge des Nerven, (die materielle Jdee) aus dieſem Fuͤhl- punkte der Seele fortruͤcket, und in den Nerven uͤbergeht, um ſeine mechaniſche Maſchinen in thieriſche Bewegung zu ſetzen, iſt dieſer innere ſinnliche Eindruck im Thiere nichts mehr, als was der aͤußere iſt, ehe er in den Fuͤhlpunkt der Seele im Gehirne eintritt, §. 404. keine innere Empfin- dung, keine Vorſtellung, ſondern eine geheime Bewegung im Nerven, die vom Gehirne abwaͤrts in die Spitzen der Nerven fortgeht, und die mechaniſchen Maſchinen, die ſie durchdringen, thieriſch beweget. Jn ſo fern nun eine Vor- ſtellung der Grund dieſer thieriſchen Bewegung war; in ſo fern der ſinnliche Eindruck vom Gehirne abwaͤrts, aus dem Fuͤhlpunkte der Seele, wo ſie die Vorſtellung dieſer mate- riellen Jdee empfand, ausgieng; in ſo fern iſt ſie eine See- lenwirkung, §. 97. und der innere ſinnliche Eindruck, (die materielle Jdee,) iſt eine thieriſche Seelenkraft. §. 6. Hat aber ein andrer Reiz des Nervenmarks den innern ſinnli- chen Eindruck gemachet; gieng er nicht von dem Fuͤhlpunkte der C c 2

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/427
Zitationshilfe:	Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/427>, abgerufen am 03.12.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.