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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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des Willens.
sten sind, weil die Seele daran das meiste Vergnügen fin-
det, und wornach es seine freyen Handlungen mehrentheils
bestimmet, das ist, seinen Gemüthscharacter bildet. Jn
so fern nun alle vernünftige Begierden, vergleichungsweise
gegen die sinnlichen, die allerwillkührlichsten und freyesten
sind, mithin die größte Sittlichkeit haben, nennet man den
Gemüthscharacter den sittlichen (moralischen) Cha-
racter,
der aber doch gleichwohl immer vom sinnlichen sehr
abhängt. §. 295. 329. 339. Jn Verhältniß auf ihre
Sittlichkeit heißen die Gemüthsneigungen Haupttugen-
den, Hauptlaster,
welche beyde also vom Character der
Sinnlichkeit mit abhängen, §. 329. 339. wie schon die
Namen beweisen, die sie von den Haupttrieben und Haupt-
leidenschaften führen: Ehrgeiz, Wollust, Geiz, Ei-
gennutz, Eigenliebe,
u. s. w. Daher können sie auch,
wie diese, durch Uebung und Gewohnheit, §. 329.
hauptsächlich aber psychologisch verändert werden. §.
111. So, wie sich die meisten Arten der Vorstellun-
gen, alle Begierden und Verabscheuungen, durch beson-
dre Bewegungen der mechanischen Maschinen unterschei-
den, wie solches in diesem ganzen Kapitel dargethan
worden; so lassen sich hieraus, und durch die Physiogno-
mie, §. 166. die Gemüthsfähigkeiten, (der Kopf,)
die Haupttriebe, Hauptleidenschaften, Haupttu-
genden,
und Hauptlaster, der Character der Sinn-
lichkeit,
und der sittliche Character erkennen, worauf
die physiologische Wissenschaft, die menschlichen
Gemüther zu erforschen,
sich gründet.



Viertes

des Willens.
ſten ſind, weil die Seele daran das meiſte Vergnuͤgen fin-
det, und wornach es ſeine freyen Handlungen mehrentheils
beſtimmet, das iſt, ſeinen Gemuͤthscharacter bildet. Jn
ſo fern nun alle vernuͤnftige Begierden, vergleichungsweiſe
gegen die ſinnlichen, die allerwillkuͤhrlichſten und freyeſten
ſind, mithin die groͤßte Sittlichkeit haben, nennet man den
Gemuͤthscharacter den ſittlichen (moraliſchen) Cha-
racter,
der aber doch gleichwohl immer vom ſinnlichen ſehr
abhaͤngt. §. 295. 329. 339. Jn Verhaͤltniß auf ihre
Sittlichkeit heißen die Gemuͤthsneigungen Haupttugen-
den, Hauptlaſter,
welche beyde alſo vom Character der
Sinnlichkeit mit abhaͤngen, §. 329. 339. wie ſchon die
Namen beweiſen, die ſie von den Haupttrieben und Haupt-
leidenſchaften fuͤhren: Ehrgeiz, Wolluſt, Geiz, Ei-
gennutz, Eigenliebe,
u. ſ. w. Daher koͤnnen ſie auch,
wie dieſe, durch Uebung und Gewohnheit, §. 329.
hauptſaͤchlich aber pſychologiſch veraͤndert werden. §.
111. So, wie ſich die meiſten Arten der Vorſtellun-
gen, alle Begierden und Verabſcheuungen, durch beſon-
dre Bewegungen der mechaniſchen Maſchinen unterſchei-
den, wie ſolches in dieſem ganzen Kapitel dargethan
worden; ſo laſſen ſich hieraus, und durch die Phyſiogno-
mie, §. 166. die Gemuͤthsfaͤhigkeiten, (der Kopf,)
die Haupttriebe, Hauptleidenſchaften, Haupttu-
genden,
und Hauptlaſter, der Character der Sinn-
lichkeit,
und der ſittliche Character erkennen, worauf
die phyſiologiſche Wiſſenſchaft, die menſchlichen
Gemuͤther zu erforſchen,
ſich gruͤndet.



Viertes
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[335/0359] des Willens. ſten ſind, weil die Seele daran das meiſte Vergnuͤgen fin- det, und wornach es ſeine freyen Handlungen mehrentheils beſtimmet, das iſt, ſeinen Gemuͤthscharacter bildet. Jn ſo fern nun alle vernuͤnftige Begierden, vergleichungsweiſe gegen die ſinnlichen, die allerwillkuͤhrlichſten und freyeſten ſind, mithin die groͤßte Sittlichkeit haben, nennet man den Gemuͤthscharacter den ſittlichen (moraliſchen) Cha- racter, der aber doch gleichwohl immer vom ſinnlichen ſehr abhaͤngt. §. 295. 329. 339. Jn Verhaͤltniß auf ihre Sittlichkeit heißen die Gemuͤthsneigungen Haupttugen- den, Hauptlaſter, welche beyde alſo vom Character der Sinnlichkeit mit abhaͤngen, §. 329. 339. wie ſchon die Namen beweiſen, die ſie von den Haupttrieben und Haupt- leidenſchaften fuͤhren: Ehrgeiz, Wolluſt, Geiz, Ei- gennutz, Eigenliebe, u. ſ. w. Daher koͤnnen ſie auch, wie dieſe, durch Uebung und Gewohnheit, §. 329. hauptſaͤchlich aber pſychologiſch veraͤndert werden. §. 111. So, wie ſich die meiſten Arten der Vorſtellun- gen, alle Begierden und Verabſcheuungen, durch beſon- dre Bewegungen der mechaniſchen Maſchinen unterſchei- den, wie ſolches in dieſem ganzen Kapitel dargethan worden; ſo laſſen ſich hieraus, und durch die Phyſiogno- mie, §. 166. die Gemuͤthsfaͤhigkeiten, (der Kopf,) die Haupttriebe, Hauptleidenſchaften, Haupttu- genden, und Hauptlaſter, der Character der Sinn- lichkeit, und der ſittliche Character erkennen, worauf die phyſiologiſche Wiſſenſchaft, die menſchlichen Gemuͤther zu erforſchen, ſich gruͤndet. Viertes

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/359>, abgerufen am 22.11.2024.