folgen, zugleich Wirkungen des sinnlichen Beliedens der Thiere. Sie folgen nun gern dem Zwange der Natur, sich zu wehren, dem sie im Triebe nur blind folgeten, seit- dem er durch das Bewußtwerden seines Gegenstandes, der Gegenwehr, in ihnen zum Affektentriebe, zur Noth- wehr geworden ist. §. 297. Durch diese Erkenntniß wer- den sie veranlasset, andre Vorstellungen, Begierden, Trie- be, Leidenschaften, welche nach den Gesetzen der Vorstel- lungskraft in ihnen entstehen, §. 273. sinnlich willkühr- lich auf diesen erkannten Gegenstand anzuwenden, um die Erfüllung des Triebes zu erreichen: woraus sich die will- kührlichen Handlungen der Rachgier, die sich durch listi- ge, boshafte Anwendung der natürlichen Waffen, z. E. durch Erkiesung der gefährlichsten Stellen zur Verletzung, listige Beybringung, ungemäßigte Fortsetzung und Heftig- keit derselben, etc. offenbaren, und die Unterscheidung der Gegenstände, welche entweder gefürchtet und geflohen wer- den müssen, oder verfolget und angegriffen werden dürfen, erklären lassen, wodurch Thiere, welche eines sinnlichen Willkührs fähig sind, im Wehrtriebe die Absichten des Triebes aus eigner Absicht unterstützen, weil sie ihr Trieb zum Affektentriebe erhoben hat. §. 296. 297. Als bloßer Trieb hätte er keine Kenntniß des Gegenstandes und Ab- sicht darauf im Thiere, §. 296. und als ursprüngliche Lei- denschaft nicht den natürlichen Zwang der Triebe zum Grunde. §. 263. Als Affektentrieb hat er beydes. §. 298.
Der eigentliche Zorn ist immer ursprünglich Leiden- schaft und kein Affektentrieb, weil er in der Verabscheu- ung eines erkannten erlittenen, mithin uns bewußten, Un- rechts besteht. Er ist also nie in Thieren, welche nicht kla- rer Vorstellungen und ursprünglicher Leidenschaften fähig sind, ja selbst in solchen nie ein Affektentrieb, wie die Rach- gier, sondern eine Nebenleidenschaft der Rachgier, welche der Wehrtrieb hervorgebracht hat. Die Leidenschaft des Zorns, aus dem Bewußtseyn eines erlittenen Unrechts,
kann
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
folgen, zugleich Wirkungen des ſinnlichen Beliedens der Thiere. Sie folgen nun gern dem Zwange der Natur, ſich zu wehren, dem ſie im Triebe nur blind folgeten, ſeit- dem er durch das Bewußtwerden ſeines Gegenſtandes, der Gegenwehr, in ihnen zum Affektentriebe, zur Noth- wehr geworden iſt. §. 297. Durch dieſe Erkenntniß wer- den ſie veranlaſſet, andre Vorſtellungen, Begierden, Trie- be, Leidenſchaften, welche nach den Geſetzen der Vorſtel- lungskraft in ihnen entſtehen, §. 273. ſinnlich willkuͤhr- lich auf dieſen erkannten Gegenſtand anzuwenden, um die Erfuͤllung des Triebes zu erreichen: woraus ſich die will- kuͤhrlichen Handlungen der Rachgier, die ſich durch liſti- ge, boshafte Anwendung der natuͤrlichen Waffen, z. E. durch Erkieſung der gefaͤhrlichſten Stellen zur Verletzung, liſtige Beybringung, ungemaͤßigte Fortſetzung und Heftig- keit derſelben, ꝛc. offenbaren, und die Unterſcheidung der Gegenſtaͤnde, welche entweder gefuͤrchtet und geflohen wer- den muͤſſen, oder verfolget und angegriffen werden duͤrfen, erklaͤren laſſen, wodurch Thiere, welche eines ſinnlichen Willkuͤhrs faͤhig ſind, im Wehrtriebe die Abſichten des Triebes aus eigner Abſicht unterſtuͤtzen, weil ſie ihr Trieb zum Affektentriebe erhoben hat. §. 296. 297. Als bloßer Trieb haͤtte er keine Kenntniß des Gegenſtandes und Ab- ſicht darauf im Thiere, §. 296. und als urſpruͤngliche Lei- denſchaft nicht den natuͤrlichen Zwang der Triebe zum Grunde. §. 263. Als Affektentrieb hat er beydes. §. 298.
Der eigentliche Zorn iſt immer urſpruͤnglich Leiden- ſchaft und kein Affektentrieb, weil er in der Verabſcheu- ung eines erkannten erlittenen, mithin uns bewußten, Un- rechts beſteht. Er iſt alſo nie in Thieren, welche nicht kla- rer Vorſtellungen und urſpruͤnglicher Leidenſchaften faͤhig ſind, ja ſelbſt in ſolchen nie ein Affektentrieb, wie die Rach- gier, ſondern eine Nebenleidenſchaft der Rachgier, welche der Wehrtrieb hervorgebracht hat. Die Leidenſchaft des Zorns, aus dem Bewußtſeyn eines erlittenen Unrechts,
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
folgen, zugleich Wirkungen des ſinnlichen Beliedens der
Thiere. Sie folgen nun gern dem Zwange der Natur,
ſich zu wehren, dem ſie im Triebe nur blind folgeten, ſeit-
dem er durch das Bewußtwerden ſeines Gegenſtandes, der
Gegenwehr, in ihnen zum Affektentriebe, zur Noth-
wehr geworden iſt. §. 297. Durch dieſe Erkenntniß wer-
den ſie veranlaſſet, andre Vorſtellungen, Begierden, Trie-
be, Leidenſchaften, welche nach den Geſetzen der Vorſtel-
lungskraft in ihnen entſtehen, §. 273. ſinnlich willkuͤhr-
lich auf dieſen erkannten Gegenſtand anzuwenden, um die
Erfuͤllung des Triebes zu erreichen: woraus ſich die will-
kuͤhrlichen Handlungen der Rachgier, die ſich durch liſti-
ge, boshafte Anwendung der natuͤrlichen Waffen, z. E.
durch Erkieſung der gefaͤhrlichſten Stellen zur Verletzung,
liſtige Beybringung, ungemaͤßigte Fortſetzung und Heftig-
keit derſelben, ꝛc. offenbaren, und die Unterſcheidung der
Gegenſtaͤnde, welche entweder gefuͤrchtet und geflohen wer-
den muͤſſen, oder verfolget und angegriffen werden duͤrfen,
erklaͤren laſſen, wodurch Thiere, welche eines ſinnlichen
Willkuͤhrs faͤhig ſind, im Wehrtriebe die Abſichten des
Triebes aus eigner Abſicht unterſtuͤtzen, weil ſie ihr Trieb
zum Affektentriebe erhoben hat. §. 296. 297. Als bloßer
Trieb haͤtte er keine Kenntniß des Gegenſtandes und Ab-
ſicht darauf im Thiere, §. 296. und als urſpruͤngliche Lei-
denſchaft nicht den natuͤrlichen Zwang der Triebe zum
Grunde. §. 263. Als Affektentrieb hat er beydes.
§. 298.
Der eigentliche Zorn iſt immer urſpruͤnglich Leiden-
ſchaft und kein Affektentrieb, weil er in der Verabſcheu-
ung eines erkannten erlittenen, mithin uns bewußten, Un-
rechts beſteht. Er iſt alſo nie in Thieren, welche nicht kla-
rer Vorſtellungen und urſpruͤnglicher Leidenſchaften faͤhig
ſind, ja ſelbſt in ſolchen nie ein Affektentrieb, wie die Rach-
gier, ſondern eine Nebenleidenſchaft der Rachgier, welche
der Wehrtrieb hervorgebracht hat. Die Leidenſchaft des
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/320>, abgerufen am 16.02.2025.
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