Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.der sinnlichen Triebe. man Nüchternheit nennet, und die eine Art von Uebligkeitist, welche jedes Thier verabscheuet. §. 280. Diese ist die sinnliche Reizung des Nahrungstriebes, (Hungers,) welcher in einer starken Bestrebung besteht, das Gegentheil dieser unangenehmen äußern Empfindung im Magen her- vorzubringen, das ist, die Sättigung des Magens zu em- pfinden, wie solches die Absicht des Schöpfers beym Nah- rungstriebe, §. 265. und der Gegenstand desselben beym Thiere ist, ohnerachtet es von seinem Endzwecke nichts weiß. §. 266. Alles, was eine solche unangenehme äu- ßere Empfindung im Magen veranlasset, bringt die sinn- liche Reizung und den Nahrungstrieb selbst hervor. Der- gleichen Veranlassungen sind ein langes Fasten, eine zu schnelle Verdauung, fressende Schärfe im Magen, Ma- genstärkungen, Leibesübungen, die den Magen schnell ent- ledigen. etc. Die sinnliche Reizung des Hungers, nämlich die unangenehme äußere Empfindung der Uebligkeit, äu- ßert ihre Seelenwirkung in die Lebensbewegungen, welche sie desto stärker verändert, je mehr sie überhand nimmt, §. 271. wie solches die Ohnmachten zeigen, worinn sich die Bewegung des Herzens, des Bluts und das Athemholen sehr merklich verändern, und diese Seelenwirkungen sind widernatürlich. §. 276. N. 4. Jn so fern die sinnliche Reizung eine Vorhersehung der künftigen Sättigung des Magens ist, äußert sie ihre Seelenwirkungen in demselben dadurch, daß sie die Bewegungen desselben unvollständig hervorbringt, welche die wirkliche Sättigung, die Befrie- digung des Triebes darinn verursachen wird, §. 271. und in der Anstrengung der thierischen Seelenkräfte zu eben die- sen unvollständigen Bewegungen bestehen die Seelenwir- kungen des Nahrungstriebes selbst. §. 272. Der Hunger wirket demnach in die zum Empfange der Speisen eigent- lich bestimmten und mitwirkenden mechanischen Maschinen, den Magen, die Gedärme, den Schlund, die Speichel- drüsen, u. s. w. indem er dieselben zu den natürlichen Verrichtungen reizet, §. 193. deren sie überhaupt fähig sind, R 5
der ſinnlichen Triebe. man Nuͤchternheit nennet, und die eine Art von Uebligkeitiſt, welche jedes Thier verabſcheuet. §. 280. Dieſe iſt die ſinnliche Reizung des Nahrungstriebes, (Hungers,) welcher in einer ſtarken Beſtrebung beſteht, das Gegentheil dieſer unangenehmen aͤußern Empfindung im Magen her- vorzubringen, das iſt, die Saͤttigung des Magens zu em- pfinden, wie ſolches die Abſicht des Schoͤpfers beym Nah- rungstriebe, §. 265. und der Gegenſtand deſſelben beym Thiere iſt, ohnerachtet es von ſeinem Endzwecke nichts weiß. §. 266. Alles, was eine ſolche unangenehme aͤu- ßere Empfindung im Magen veranlaſſet, bringt die ſinn- liche Reizung und den Nahrungstrieb ſelbſt hervor. Der- gleichen Veranlaſſungen ſind ein langes Faſten, eine zu ſchnelle Verdauung, freſſende Schaͤrfe im Magen, Ma- genſtaͤrkungen, Leibesuͤbungen, die den Magen ſchnell ent- ledigen. ꝛc. Die ſinnliche Reizung des Hungers, naͤmlich die unangenehme aͤußere Empfindung der Uebligkeit, aͤu- ßert ihre Seelenwirkung in die Lebensbewegungen, welche ſie deſto ſtaͤrker veraͤndert, je mehr ſie uͤberhand nimmt, §. 271. wie ſolches die Ohnmachten zeigen, worinn ſich die Bewegung des Herzens, des Bluts und das Athemholen ſehr merklich veraͤndern, und dieſe Seelenwirkungen ſind widernatuͤrlich. §. 276. N. 4. Jn ſo fern die ſinnliche Reizung eine Vorherſehung der kuͤnftigen Saͤttigung des Magens iſt, aͤußert ſie ihre Seelenwirkungen in demſelben dadurch, daß ſie die Bewegungen deſſelben unvollſtaͤndig hervorbringt, welche die wirkliche Saͤttigung, die Befrie- digung des Triebes darinn verurſachen wird, §. 271. und in der Anſtrengung der thieriſchen Seelenkraͤfte zu eben die- ſen unvollſtaͤndigen Bewegungen beſtehen die Seelenwir- kungen des Nahrungstriebes ſelbſt. §. 272. Der Hunger wirket demnach in die zum Empfange der Speiſen eigent- lich beſtimmten und mitwirkenden mechaniſchen Maſchinen, den Magen, die Gedaͤrme, den Schlund, die Speichel- druͤſen, u. ſ. w. indem er dieſelben zu den natuͤrlichen Verrichtungen reizet, §. 193. deren ſie uͤberhaupt faͤhig ſind, R 5
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man Nuͤchternheit nennet, und die eine Art von Uebligkeit
iſt, welche jedes Thier verabſcheuet. §. 280. Dieſe iſt
die ſinnliche Reizung des Nahrungstriebes, (Hungers,)
welcher in einer ſtarken Beſtrebung beſteht, das Gegentheil
dieſer unangenehmen aͤußern Empfindung im Magen her-
vorzubringen, das iſt, die Saͤttigung des Magens zu em-
pfinden, wie ſolches die Abſicht des Schoͤpfers beym Nah-
rungstriebe, §. 265. und der Gegenſtand deſſelben beym
Thiere iſt, ohnerachtet es von ſeinem Endzwecke nichts
weiß. §. 266. Alles, was eine ſolche unangenehme aͤu-
ßere Empfindung im Magen veranlaſſet, bringt die ſinn-
liche Reizung und den Nahrungstrieb ſelbſt hervor. Der-
gleichen Veranlaſſungen ſind ein langes Faſten, eine zu
ſchnelle Verdauung, freſſende Schaͤrfe im Magen, Ma-
genſtaͤrkungen, Leibesuͤbungen, die den Magen ſchnell ent-
ledigen. ꝛc. Die ſinnliche Reizung des Hungers, naͤmlich
die unangenehme aͤußere Empfindung der Uebligkeit, aͤu-
ßert ihre Seelenwirkung in die Lebensbewegungen, welche
ſie deſto ſtaͤrker veraͤndert, je mehr ſie uͤberhand nimmt, §.
271. wie ſolches die Ohnmachten zeigen, worinn ſich die
Bewegung des Herzens, des Bluts und das Athemholen
ſehr merklich veraͤndern, und dieſe Seelenwirkungen ſind
widernatuͤrlich. §. 276. N. 4. Jn ſo fern die ſinnliche
Reizung eine Vorherſehung der kuͤnftigen Saͤttigung des
Magens iſt, aͤußert ſie ihre Seelenwirkungen in demſelben
dadurch, daß ſie die Bewegungen deſſelben unvollſtaͤndig
hervorbringt, welche die wirkliche Saͤttigung, die Befrie-
digung des Triebes darinn verurſachen wird, §. 271. und
in der Anſtrengung der thieriſchen Seelenkraͤfte zu eben die-
ſen unvollſtaͤndigen Bewegungen beſtehen die Seelenwir-
kungen des Nahrungstriebes ſelbſt. §. 272. Der Hunger
wirket demnach in die zum Empfange der Speiſen eigent-
lich beſtimmten und mitwirkenden mechaniſchen Maſchinen,
den Magen, die Gedaͤrme, den Schlund, die Speichel-
druͤſen, u. ſ. w. indem er dieſelben zu den natuͤrlichen
Verrichtungen reizet, §. 193. deren ſie uͤberhaupt faͤhig
ſind,
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