Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

Bild:
<< vorherige Seite

Welt-Mann.
Ursache willen so sehr verachtet/ als weil man
vor gewiß setzte/ daß sie gezwungen würden
offt zulügen/ wann sie mit ihren Glaubigern
redeten. Wir sehen auß unser eigenen Er-
fahrung/ daß die Leute sich für solche Freun-
de der Warheit gemeiniglich erklären/ daß
sie fast nichts mehr beleidigen kan/ als wann
man sie durch Lügen-Straffe beschuldiget/
daß sie die Warheit gesparet.

Unterdessen bilden sich viel ein/ daß man
keine glückliche Auffwartung thun könne/
wann man nicht in einer tieffen Verstel-
lung herumb wandelte/ und gleichsam das
sein Handwerck seyn liesse/ niemals seine
warhaffte Meinung von sich zusagen. Die-
ser Jrrthumb greifft weit und breit umb
sich/ und kan uns nichts destoweniger ein
vernünfftiger Unterscheid auß dem gantzen
Handel wickeln.

Jch gebe zu/ daß ein Mensch/ dem man
eine Heimligkeit vertrauet hat/ so wohl zu
Hofe/ als irgend an einem Ort/ verbunden
ist treu zuseyn/ und nicht auß zuschwatzen
das was so wichtig ist/ daß ers heimlich
halte. Es ist nicht nöthig/ daß ein Hof-
Mann/ der zu einer Verrichtung wil gezo-
gen werden/ sich resolvire von seinem Vor-

haben
F 5

Welt-Mann.
Urſache willẽ ſo ſehr verachtet/ als weil man
vor gewiß ſetzte/ daß ſie gezwungen wuͤrden
offt zuluͤgen/ wann ſie mit ihren Glaubigern
redeten. Wir ſehen auß unſer eigenen Er-
fahrung/ daß die Leute ſich fuͤr ſolche Freun-
de der Warheit gemeiniglich erklaͤren/ daß
ſie faſt nichts mehr beleidigen kan/ als wann
man ſie durch Luͤgen-Straffe beſchuldiget/
daß ſie die Warheit geſparet.

Unterdeſſen bilden ſich viel ein/ daß man
keine gluͤckliche Auffwartung thun koͤnne/
wann man nicht in einer tieffen Verſtel-
lung herumb wandelte/ und gleichſam das
ſein Handwerck ſeyn lieſſe/ niemals ſeine
warhaffte Meinung von ſich zuſagen. Die-
ſer Jrrthumb greifft weit und breit umb
ſich/ und kan uns nichts deſtoweniger ein
vernuͤnfftiger Unterſcheid auß dem gantzen
Handel wickeln.

Jch gebe zu/ daß ein Menſch/ dem man
eine Heimligkeit vertrauet hat/ ſo wohl zu
Hofe/ als irgend an einem Ort/ verbunden
iſt treu zuſeyn/ und nicht auß zuſchwatzen
das was ſo wichtig iſt/ daß ers heimlich
halte. Es iſt nicht noͤthig/ daß ein Hof-
Mann/ der zu einer Verrichtung wil gezo-
gen werden/ ſich reſolvire von ſeinem Vor-

haben
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0145" n="129"/><fw place="top" type="header">Welt-Mann.</fw><lb/>
Ur&#x017F;ache wille&#x0303; &#x017F;o &#x017F;ehr verachtet/ als weil man<lb/>
vor gewiß &#x017F;etzte/ daß &#x017F;ie gezwungen wu&#x0364;rden<lb/>
offt zulu&#x0364;gen/ wann &#x017F;ie mit ihren Glaubigern<lb/>
redeten. Wir &#x017F;ehen auß un&#x017F;er eigenen Er-<lb/>
fahrung/ daß die Leute &#x017F;ich fu&#x0364;r &#x017F;olche Freun-<lb/>
de der Warheit gemeiniglich erkla&#x0364;ren/ daß<lb/>
&#x017F;ie fa&#x017F;t nichts mehr beleidigen kan/ als wann<lb/>
man &#x017F;ie durch Lu&#x0364;gen-Straffe be&#x017F;chuldiget/<lb/>
daß &#x017F;ie die Warheit ge&#x017F;paret.</p><lb/>
            <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en bilden &#x017F;ich viel ein/ daß man<lb/>
keine glu&#x0364;ckliche Auffwartung thun ko&#x0364;nne/<lb/>
wann man nicht in einer tieffen Ver&#x017F;tel-<lb/>
lung herumb wandelte/ und gleich&#x017F;am das<lb/>
&#x017F;ein Handwerck &#x017F;eyn lie&#x017F;&#x017F;e/ niemals &#x017F;eine<lb/>
warhaffte Meinung von &#x017F;ich zu&#x017F;agen. Die-<lb/>
&#x017F;er Jrrthumb greifft weit und breit umb<lb/>
&#x017F;ich/ und kan uns nichts de&#x017F;toweniger ein<lb/>
vernu&#x0364;nfftiger Unter&#x017F;cheid auß dem gantzen<lb/>
Handel wickeln.</p><lb/>
            <p>Jch gebe zu/ daß ein Men&#x017F;ch/ dem man<lb/>
eine Heimligkeit vertrauet hat/ &#x017F;o wohl zu<lb/>
Hofe/ als irgend an einem Ort/ verbunden<lb/>
i&#x017F;t treu zu&#x017F;eyn/ und nicht auß zu&#x017F;chwatzen<lb/>
das was &#x017F;o wichtig i&#x017F;t/ daß ers heimlich<lb/>
halte. Es i&#x017F;t nicht no&#x0364;thig/ daß ein Hof-<lb/>
Mann/ der zu einer Verrichtung wil gezo-<lb/>
gen werden/ &#x017F;ich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">re&#x017F;olvire</hi></hi> von &#x017F;einem Vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">haben</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0145] Welt-Mann. Urſache willẽ ſo ſehr verachtet/ als weil man vor gewiß ſetzte/ daß ſie gezwungen wuͤrden offt zuluͤgen/ wann ſie mit ihren Glaubigern redeten. Wir ſehen auß unſer eigenen Er- fahrung/ daß die Leute ſich fuͤr ſolche Freun- de der Warheit gemeiniglich erklaͤren/ daß ſie faſt nichts mehr beleidigen kan/ als wann man ſie durch Luͤgen-Straffe beſchuldiget/ daß ſie die Warheit geſparet. Unterdeſſen bilden ſich viel ein/ daß man keine gluͤckliche Auffwartung thun koͤnne/ wann man nicht in einer tieffen Verſtel- lung herumb wandelte/ und gleichſam das ſein Handwerck ſeyn lieſſe/ niemals ſeine warhaffte Meinung von ſich zuſagen. Die- ſer Jrrthumb greifft weit und breit umb ſich/ und kan uns nichts deſtoweniger ein vernuͤnfftiger Unterſcheid auß dem gantzen Handel wickeln. Jch gebe zu/ daß ein Menſch/ dem man eine Heimligkeit vertrauet hat/ ſo wohl zu Hofe/ als irgend an einem Ort/ verbunden iſt treu zuſeyn/ und nicht auß zuſchwatzen das was ſo wichtig iſt/ daß ers heimlich halte. Es iſt nicht noͤthig/ daß ein Hof- Mann/ der zu einer Verrichtung wil gezo- gen werden/ ſich reſolvire von ſeinem Vor- haben F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/145
Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/145>, abgerufen am 18.12.2024.