Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Das Thal. Wie willst du dich mir offenbaren, Wie ungewohnt, geliebtes Thal? Nur in den frühsten Jugendjahren Erschienst du so mir manchesmal. Die Sonne schon hinabgegangen, Doch aus den Bächen klarer Schein! Kein Lüftchen spielt mir um die Wangen, Doch sanftes Rauschen in dem Hain! Es duftet wieder alte Liebe, Es grünet wieder alte Lust; Ja selbst die alten Liedertriebe Beleben diese kalte Brust. Natur! wohl braucht es solcher Stunden, So innig und so liebevoll, Wenn dieses arme Herz gesunden, Das welkende genesen soll! Bedrängt mich einst die Welt noch bänger, So such' ich wieder dich, mein Thal! Empfange dann den kranken Sänger Mit solcher Milde noch einmal! Und sink' ich dann ermattet nieder, So öffne leise deinen Grund, Und nimm mich auf, und schließ ihn wieder, Und grüne fröhlich und gesund! Das Thal. Wie willſt du dich mir offenbaren, Wie ungewohnt, geliebtes Thal? Nur in den frühſten Jugendjahren Erſchienſt du ſo mir manchesmal. Die Sonne ſchon hinabgegangen, Doch aus den Bächen klarer Schein! Kein Lüftchen ſpielt mir um die Wangen, Doch ſanftes Rauſchen in dem Hain! Es duftet wieder alte Liebe, Es grünet wieder alte Luſt; Ja ſelbſt die alten Liedertriebe Beleben dieſe kalte Bruſt. Natur! wohl braucht es ſolcher Stunden, So innig und ſo liebevoll, Wenn dieſes arme Herz geſunden, Das welkende geneſen ſoll! Bedrängt mich einſt die Welt noch bänger, So ſuch’ ich wieder dich, mein Thal! Empfange dann den kranken Sänger Mit ſolcher Milde noch einmal! Und ſink’ ich dann ermattet nieder, So öffne leiſe deinen Grund, Und nimm mich auf, und ſchließ ihn wieder, Und grüne fröhlich und geſund! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0066" n="60"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Das Thal</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie willſt du dich mir offenbaren,</l><lb/> <l>Wie ungewohnt, geliebtes Thal?</l><lb/> <l>Nur in den frühſten Jugendjahren</l><lb/> <l>Erſchienſt du ſo mir manchesmal.</l><lb/> <l>Die Sonne ſchon hinabgegangen,</l><lb/> <l>Doch aus den Bächen klarer Schein!</l><lb/> <l>Kein Lüftchen ſpielt mir um die Wangen,</l><lb/> <l>Doch ſanftes Rauſchen in dem Hain!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Es duftet wieder alte Liebe,</l><lb/> <l>Es grünet wieder alte Luſt;</l><lb/> <l>Ja ſelbſt die alten Liedertriebe</l><lb/> <l>Beleben dieſe kalte Bruſt.</l><lb/> <l>Natur! wohl braucht es ſolcher Stunden,</l><lb/> <l>So innig und ſo liebevoll,</l><lb/> <l>Wenn dieſes arme Herz geſunden,</l><lb/> <l>Das welkende geneſen ſoll!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Bedrängt mich einſt die Welt noch bänger,</l><lb/> <l>So ſuch’ ich wieder dich, mein Thal!</l><lb/> <l>Empfange dann den kranken Sänger</l><lb/> <l>Mit ſolcher Milde noch einmal!</l><lb/> <l>Und ſink’ ich dann ermattet nieder,</l><lb/> <l>So öffne leiſe deinen Grund,</l><lb/> <l>Und nimm mich auf, und ſchließ ihn wieder,</l><lb/> <l>Und grüne fröhlich und geſund!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [60/0066]
Das Thal.
Wie willſt du dich mir offenbaren,
Wie ungewohnt, geliebtes Thal?
Nur in den frühſten Jugendjahren
Erſchienſt du ſo mir manchesmal.
Die Sonne ſchon hinabgegangen,
Doch aus den Bächen klarer Schein!
Kein Lüftchen ſpielt mir um die Wangen,
Doch ſanftes Rauſchen in dem Hain!
Es duftet wieder alte Liebe,
Es grünet wieder alte Luſt;
Ja ſelbſt die alten Liedertriebe
Beleben dieſe kalte Bruſt.
Natur! wohl braucht es ſolcher Stunden,
So innig und ſo liebevoll,
Wenn dieſes arme Herz geſunden,
Das welkende geneſen ſoll!
Bedrängt mich einſt die Welt noch bänger,
So ſuch’ ich wieder dich, mein Thal!
Empfange dann den kranken Sänger
Mit ſolcher Milde noch einmal!
Und ſink’ ich dann ermattet nieder,
So öffne leiſe deinen Grund,
Und nimm mich auf, und ſchließ ihn wieder,
Und grüne fröhlich und geſund!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |