Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Bald wird der Forst zu tausend Inseln, Zahllose Ströme brechen vor; Hier hilft kein Toben, hilft kein Winseln, Er muß hindurch, der edle Chor. O gründliche Taufe! O köstliche Traufe! Vor Alters wurden Menschenkinder Verwandelt oft in Quell und Fluß, Auch unsre sieben arme Sünder Bedroht ein gleicher Götterschluß. Sie triefen, sie schwellen, Als würden sie Quellen. So, mehr geschwommen, als gegangen, Gelangen sie zum Wald hinaus; Doch keine Schenke sehn sie prangen, Sie sind auf gradem Weg nach Haus; Schon rieselt so helle Vom Felsen die Quelle. Da ist's, als ob sie rauschend spreche: "Willkommen, saubre Brüderschaar! Ihr habt geschmähet, thöricht Freche! Mein Wasser, das euch labend war. Nun seyd ihr getränket, Daß ihr daran denket." Bald wird der Forſt zu tauſend Inſeln, Zahlloſe Ströme brechen vor; Hier hilft kein Toben, hilft kein Winſeln, Er muß hindurch, der edle Chor. O gründliche Taufe! O köſtliche Traufe! Vor Alters wurden Menſchenkinder Verwandelt oft in Quell und Fluß, Auch unſre ſieben arme Sünder Bedroht ein gleicher Götterſchluß. Sie triefen, ſie ſchwellen, Als würden ſie Quellen. So, mehr geſchwommen, als gegangen, Gelangen ſie zum Wald hinaus; Doch keine Schenke ſehn ſie prangen, Sie ſind auf gradem Weg nach Haus; Schon rieſelt ſo helle Vom Felſen die Quelle. Da iſt’s, als ob ſie rauſchend ſpreche: „Willkommen, ſaubre Brüderſchaar! Ihr habt geſchmähet, thöricht Freche! Mein Waſſer, das euch labend war. Nun ſeyd ihr getränket, Daß ihr daran denket.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0285" n="279"/> <lg n="9"> <l>Bald wird der Forſt zu tauſend Inſeln,</l><lb/> <l>Zahlloſe Ströme brechen vor;</l><lb/> <l>Hier hilft kein Toben, hilft kein Winſeln,</l><lb/> <l>Er muß hindurch, der edle Chor.</l><lb/> <l>O gründliche Taufe!</l><lb/> <l>O köſtliche Traufe!</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Vor Alters wurden Menſchenkinder</l><lb/> <l>Verwandelt oft in Quell und Fluß,</l><lb/> <l>Auch unſre ſieben arme Sünder</l><lb/> <l>Bedroht ein gleicher Götterſchluß.</l><lb/> <l>Sie triefen, ſie ſchwellen,</l><lb/> <l>Als würden ſie Quellen.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>So, mehr geſchwommen, als gegangen,</l><lb/> <l>Gelangen ſie zum Wald hinaus;</l><lb/> <l>Doch keine Schenke ſehn ſie prangen,</l><lb/> <l>Sie ſind auf gradem Weg nach Haus;</l><lb/> <l>Schon rieſelt ſo helle</l><lb/> <l>Vom Felſen die Quelle.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Da iſt’s, als ob ſie rauſchend ſpreche:</l><lb/> <l>„Willkommen, ſaubre Brüderſchaar!</l><lb/> <l>Ihr habt geſchmähet, thöricht Freche!</l><lb/> <l>Mein Waſſer, das euch labend war.</l><lb/> <l>Nun ſeyd ihr getränket,</l><lb/> <l>Daß ihr daran denket.“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [279/0285]
Bald wird der Forſt zu tauſend Inſeln,
Zahlloſe Ströme brechen vor;
Hier hilft kein Toben, hilft kein Winſeln,
Er muß hindurch, der edle Chor.
O gründliche Taufe!
O köſtliche Traufe!
Vor Alters wurden Menſchenkinder
Verwandelt oft in Quell und Fluß,
Auch unſre ſieben arme Sünder
Bedroht ein gleicher Götterſchluß.
Sie triefen, ſie ſchwellen,
Als würden ſie Quellen.
So, mehr geſchwommen, als gegangen,
Gelangen ſie zum Wald hinaus;
Doch keine Schenke ſehn ſie prangen,
Sie ſind auf gradem Weg nach Haus;
Schon rieſelt ſo helle
Vom Felſen die Quelle.
Da iſt’s, als ob ſie rauſchend ſpreche:
„Willkommen, ſaubre Brüderſchaar!
Ihr habt geſchmähet, thöricht Freche!
Mein Waſſer, das euch labend war.
Nun ſeyd ihr getränket,
Daß ihr daran denket.“
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