Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Der Ring. Es ging an einem Morgen Ein Ritter über die Au. Er dacht' in bangen Sorgen An die allerschönste Frau. "Mein werthes Ringlein golden! Verkünde du mir frei, Du Pfand von meiner Holden, Wie steht es mit ihrer Treu?" Wie er's betrachten wollte, Vom Finger es ihm sprang, Das Ringlein hüpft' und rollte Den Wiesenrain entlang. Er will mit schnellen Händen Es haschen auf der Au, Doch goldne Blumen ihn blenden Und Gräser, betropft von Thau. Ein Falk' es gleich erlauschte, Der auf der Linde saß, Vom Wipfel er niederrauschte, Er holt' es aus dem Gras. Der Ring. Es ging an einem Morgen Ein Ritter über die Au. Er dacht’ in bangen Sorgen An die allerſchönſte Frau. „Mein werthes Ringlein golden! Verkünde du mir frei, Du Pfand von meiner Holden, Wie ſteht es mit ihrer Treu?“ Wie er’s betrachten wollte, Vom Finger es ihm ſprang, Das Ringlein hüpft’ und rollte Den Wieſenrain entlang. Er will mit ſchnellen Händen Es haſchen auf der Au, Doch goldne Blumen ihn blenden Und Gräſer, betropft von Thau. Ein Falk’ es gleich erlauſchte, Der auf der Linde ſaß, Vom Wipfel er niederrauſchte, Er holt’ es aus dem Gras. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0264" n="258"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Der Ring</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Es ging an einem Morgen</l><lb/> <l>Ein Ritter über die Au.</l><lb/> <l>Er dacht’ in bangen Sorgen</l><lb/> <l>An die allerſchönſte Frau.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Mein werthes Ringlein golden!</l><lb/> <l>Verkünde du mir frei,</l><lb/> <l>Du Pfand von meiner Holden,</l><lb/> <l>Wie ſteht es mit ihrer Treu?“</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wie er’s betrachten wollte,</l><lb/> <l>Vom Finger es ihm ſprang,</l><lb/> <l>Das Ringlein hüpft’ und rollte</l><lb/> <l>Den Wieſenrain entlang.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er will mit ſchnellen Händen</l><lb/> <l>Es haſchen auf der Au,</l><lb/> <l>Doch goldne Blumen ihn blenden</l><lb/> <l>Und Gräſer, betropft von Thau.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ein Falk’ es gleich erlauſchte,</l><lb/> <l>Der auf der Linde ſaß,</l><lb/> <l>Vom Wipfel er niederrauſchte,</l><lb/> <l>Er holt’ es aus dem Gras.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0264]
Der Ring.
Es ging an einem Morgen
Ein Ritter über die Au.
Er dacht’ in bangen Sorgen
An die allerſchönſte Frau.
„Mein werthes Ringlein golden!
Verkünde du mir frei,
Du Pfand von meiner Holden,
Wie ſteht es mit ihrer Treu?“
Wie er’s betrachten wollte,
Vom Finger es ihm ſprang,
Das Ringlein hüpft’ und rollte
Den Wieſenrain entlang.
Er will mit ſchnellen Händen
Es haſchen auf der Au,
Doch goldne Blumen ihn blenden
Und Gräſer, betropft von Thau.
Ein Falk’ es gleich erlauſchte,
Der auf der Linde ſaß,
Vom Wipfel er niederrauſchte,
Er holt’ es aus dem Gras.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/264 |
Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/264>, abgerufen am 16.02.2025. |