Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Unter einem Lorbeerbaume
Stand, damals neunjährig, Dante,
Der im lieblichsten der Mädchen
Seinen Engel gleich erkannte.
Rauschten nicht des Lorbeers Zweige,
Von der Frühlingsluft erschüttert?
Klang nicht Dante's junge Seele,
Von der Liebe Hauch durchzittert?
Ja! ihm ist in jener Stunde
Des Gesanges Quell entsprungen;
In Sonetten, in Kanzonen
Ist die Lieb' ihm früh erklungen.
Als, zur Jungfrau hold erwachsen,
Jene wieder ihm begegnet,
Steht auch seine Dichtung schon
Wie ein Baum, der Blüthen regnet.
Aus dem Thore von Florenz
Zogen dichte Schaaren wieder,
Aber langsam, trauervoll,
Bei dem Klange dumpfer Lieder.
Unter jenem schwarzen Tuch,
Mit dem weissen Kreutz geschmücket,
Trägt man Beatricen hin,
Die der Tod so früh gepflücket.
Dante saß in seiner Kammer,
Einsam, still, im Abendlichte,
Hörte fern die Glocken tönen
Und verhüllte sein Gesichte.
In der Wälder tiefste Schatten
Stieg der edle Sänger nieder,
Gleich den fernen Todtenglocken
Tönten fortan seine Lieder.
Unter einem Lorbeerbaume
Stand, damals neunjährig, Dante,
Der im lieblichſten der Mädchen
Seinen Engel gleich erkannte.
Rauſchten nicht des Lorbeers Zweige,
Von der Frühlingsluft erſchüttert?
Klang nicht Dante’s junge Seele,
Von der Liebe Hauch durchzittert?
Ja! ihm iſt in jener Stunde
Des Geſanges Quell entſprungen;
In Sonetten, in Kanzonen
Iſt die Lieb’ ihm früh erklungen.
Als, zur Jungfrau hold erwachſen,
Jene wieder ihm begegnet,
Steht auch ſeine Dichtung ſchon
Wie ein Baum, der Blüthen regnet.
Aus dem Thore von Florenz
Zogen dichte Schaaren wieder,
Aber langſam, trauervoll,
Bei dem Klange dumpfer Lieder.
Unter jenem ſchwarzen Tuch,
Mit dem weiſſen Kreutz geſchmücket,
Trägt man Beatricen hin,
Die der Tod ſo früh gepflücket.
Dante ſaß in ſeiner Kammer,
Einſam, ſtill, im Abendlichte,
Hörte fern die Glocken tönen
Und verhüllte ſein Geſichte.
In der Wälder tiefſte Schatten
Stieg der edle Sänger nieder,
Gleich den fernen Todtenglocken
Tönten fortan ſeine Lieder.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0256" n="250"/>
              <l>Unter einem Lorbeerbaume</l><lb/>
              <l>Stand, damals neunjährig, Dante,</l><lb/>
              <l>Der im lieblich&#x017F;ten der Mädchen</l><lb/>
              <l>Seinen Engel gleich erkannte.</l><lb/>
              <l>Rau&#x017F;chten nicht des Lorbeers Zweige,</l><lb/>
              <l>Von der Frühlingsluft er&#x017F;chüttert?</l><lb/>
              <l>Klang nicht Dante&#x2019;s junge Seele,</l><lb/>
              <l>Von der Liebe Hauch durchzittert?</l><lb/>
              <l>Ja! ihm i&#x017F;t in jener Stunde</l><lb/>
              <l>Des Ge&#x017F;anges Quell ent&#x017F;prungen;</l><lb/>
              <l>In Sonetten, in Kanzonen</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t die Lieb&#x2019; ihm früh erklungen.</l><lb/>
              <l>Als, zur Jungfrau hold erwach&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Jene wieder ihm begegnet,</l><lb/>
              <l>Steht auch &#x017F;eine Dichtung &#x017F;chon</l><lb/>
              <l>Wie ein Baum, der Blüthen regnet.</l><lb/>
              <l>Aus dem Thore von Florenz</l><lb/>
              <l>Zogen dichte Schaaren wieder,</l><lb/>
              <l>Aber lang&#x017F;am, trauervoll,</l><lb/>
              <l>Bei dem Klange dumpfer Lieder.</l><lb/>
              <l>Unter jenem &#x017F;chwarzen Tuch,</l><lb/>
              <l>Mit dem wei&#x017F;&#x017F;en Kreutz ge&#x017F;chmücket,</l><lb/>
              <l>Trägt man Beatricen hin,</l><lb/>
              <l>Die der Tod &#x017F;o früh gepflücket.</l><lb/>
              <l>Dante &#x017F;aß in &#x017F;einer Kammer,</l><lb/>
              <l>Ein&#x017F;am, &#x017F;till, im Abendlichte,</l><lb/>
              <l>Hörte fern die Glocken tönen</l><lb/>
              <l>Und verhüllte &#x017F;ein Ge&#x017F;ichte.</l><lb/>
              <l>In der Wälder tief&#x017F;te Schatten</l><lb/>
              <l>Stieg der edle Sänger nieder,</l><lb/>
              <l>Gleich den fernen Todtenglocken</l><lb/>
              <l>Tönten fortan &#x017F;eine Lieder.</l><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0256] Unter einem Lorbeerbaume Stand, damals neunjährig, Dante, Der im lieblichſten der Mädchen Seinen Engel gleich erkannte. Rauſchten nicht des Lorbeers Zweige, Von der Frühlingsluft erſchüttert? Klang nicht Dante’s junge Seele, Von der Liebe Hauch durchzittert? Ja! ihm iſt in jener Stunde Des Geſanges Quell entſprungen; In Sonetten, in Kanzonen Iſt die Lieb’ ihm früh erklungen. Als, zur Jungfrau hold erwachſen, Jene wieder ihm begegnet, Steht auch ſeine Dichtung ſchon Wie ein Baum, der Blüthen regnet. Aus dem Thore von Florenz Zogen dichte Schaaren wieder, Aber langſam, trauervoll, Bei dem Klange dumpfer Lieder. Unter jenem ſchwarzen Tuch, Mit dem weiſſen Kreutz geſchmücket, Trägt man Beatricen hin, Die der Tod ſo früh gepflücket. Dante ſaß in ſeiner Kammer, Einſam, ſtill, im Abendlichte, Hörte fern die Glocken tönen Und verhüllte ſein Geſichte. In der Wälder tiefſte Schatten Stieg der edle Sänger nieder, Gleich den fernen Todtenglocken Tönten fortan ſeine Lieder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/256
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/256>, abgerufen am 22.11.2024.