Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Und, bei Seite mit dem Prahlen!
Andre stehn genug zur Schau,
Denen heisse Mittagsstralen
Abgeleckt den Wehmuthsthau.
Wie bei alten Ritterfesten
Mit dem Tode zog Hanswurst,
Also folgen scherzhaft spitzige
Und, will's Gott! erträglich witzige.
Aechtes Leid spaßt oft zum besten,
Kennt nicht eiteln Thränendurst.
Lieder sind wir nur, Romanzen,
Alles nur von leichtem Schlag,
Wie man's singen oder tanzen,
Pfeifen oder klimpern mag.
Doch vielleicht wer stillem Deuten
Nachzugehen sich bemüht,
Ahnt in einzelen Gestaltungen
Größeren Gedichts Entfaltungen
Und als Einheit im Zerstreuten
Unsres Dichters ganz Gemüth.
Bleibt euch dennoch Manches kleinlich,
Nehmt's für Zeichen jener Zeit,
Die so drückend und so peinlich
Alles Leben eingeschneit!
Fehlt das äußre freie Wesen,
Leicht erkrankt auch das Gedicht;
Aber nun die hingemoderte
Freiheit Deutschlands frisch aufloderte,
Wird zugleich das Lied genesen,
Kräftig steigen an das Licht.
Und, bei Seite mit dem Prahlen!
Andre ſtehn genug zur Schau,
Denen heiſſe Mittagsſtralen
Abgeleckt den Wehmuthsthau.
Wie bei alten Ritterfeſten
Mit dem Tode zog Hanswurſt,
Alſo folgen ſcherzhaft ſpitzige
Und, will’s Gott! erträglich witzige.
Aechtes Leid ſpaßt oft zum beſten,
Kennt nicht eiteln Thränendurſt.
Lieder ſind wir nur, Romanzen,
Alles nur von leichtem Schlag,
Wie man’s ſingen oder tanzen,
Pfeifen oder klimpern mag.
Doch vielleicht wer ſtillem Deuten
Nachzugehen ſich bemüht,
Ahnt in einzelen Geſtaltungen
Größeren Gedichts Entfaltungen
Und als Einheit im Zerſtreuten
Unſres Dichters ganz Gemüth.
Bleibt euch dennoch Manches kleinlich,
Nehmt’s für Zeichen jener Zeit,
Die ſo drückend und ſo peinlich
Alles Leben eingeſchneit!
Fehlt das äußre freie Weſen,
Leicht erkrankt auch das Gedicht;
Aber nun die hingemoderte
Freiheit Deutſchlands friſch aufloderte,
Wird zugleich das Lied geneſen,
Kräftig ſteigen an das Licht.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0010" n="4"/>
          <lg n="3">
            <l>Und, bei Seite mit dem Prahlen!</l><lb/>
            <l>Andre &#x017F;tehn genug zur Schau,</l><lb/>
            <l>Denen hei&#x017F;&#x017F;e Mittags&#x017F;tralen</l><lb/>
            <l>Abgeleckt den Wehmuthsthau.</l><lb/>
            <l>Wie bei alten Ritterfe&#x017F;ten</l><lb/>
            <l>Mit dem Tode zog Hanswur&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o folgen &#x017F;cherzhaft &#x017F;pitzige</l><lb/>
            <l>Und, will&#x2019;s Gott! erträglich witzige.</l><lb/>
            <l>Aechtes Leid &#x017F;paßt oft zum be&#x017F;ten,</l><lb/>
            <l>Kennt nicht eiteln Thränendur&#x017F;t.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Lieder &#x017F;ind wir nur, Romanzen,</l><lb/>
            <l>Alles nur von leichtem Schlag,</l><lb/>
            <l>Wie man&#x2019;s &#x017F;ingen oder tanzen,</l><lb/>
            <l>Pfeifen oder klimpern mag.</l><lb/>
            <l>Doch vielleicht wer &#x017F;tillem Deuten</l><lb/>
            <l>Nachzugehen &#x017F;ich bemüht,</l><lb/>
            <l>Ahnt in einzelen Ge&#x017F;taltungen</l><lb/>
            <l>Größeren Gedichts Entfaltungen</l><lb/>
            <l>Und als Einheit im Zer&#x017F;treuten</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;res Dichters ganz Gemüth.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Bleibt euch dennoch Manches kleinlich,</l><lb/>
            <l>Nehmt&#x2019;s für Zeichen jener Zeit,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;o drückend und &#x017F;o peinlich</l><lb/>
            <l>Alles Leben einge&#x017F;chneit!</l><lb/>
            <l>Fehlt das äußre freie We&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Leicht erkrankt auch das Gedicht;</l><lb/>
            <l>Aber nun die hingemoderte</l><lb/>
            <l>Freiheit Deut&#x017F;chlands fri&#x017F;ch aufloderte,</l><lb/>
            <l>Wird zugleich das Lied gene&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Kräftig &#x017F;teigen an das Licht.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[4/0010] Und, bei Seite mit dem Prahlen! Andre ſtehn genug zur Schau, Denen heiſſe Mittagsſtralen Abgeleckt den Wehmuthsthau. Wie bei alten Ritterfeſten Mit dem Tode zog Hanswurſt, Alſo folgen ſcherzhaft ſpitzige Und, will’s Gott! erträglich witzige. Aechtes Leid ſpaßt oft zum beſten, Kennt nicht eiteln Thränendurſt. Lieder ſind wir nur, Romanzen, Alles nur von leichtem Schlag, Wie man’s ſingen oder tanzen, Pfeifen oder klimpern mag. Doch vielleicht wer ſtillem Deuten Nachzugehen ſich bemüht, Ahnt in einzelen Geſtaltungen Größeren Gedichts Entfaltungen Und als Einheit im Zerſtreuten Unſres Dichters ganz Gemüth. Bleibt euch dennoch Manches kleinlich, Nehmt’s für Zeichen jener Zeit, Die ſo drückend und ſo peinlich Alles Leben eingeſchneit! Fehlt das äußre freie Weſen, Leicht erkrankt auch das Gedicht; Aber nun die hingemoderte Freiheit Deutſchlands friſch aufloderte, Wird zugleich das Lied geneſen, Kräftig ſteigen an das Licht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/10
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/10>, abgerufen am 22.11.2024.