Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die I. Anmerckung. (a) übrig haben ihren elenden Seelen-Zustandzu betrachten, weil immer eine Solennität der andern, ein Festin dem andern, ein Schmauß dem andern und eine Lustbarkeit der andern die Hand beut. Und da sie zwar einen GOtt glauben: so bezeugen sie doch durch ihr unordentliches und wüstes Leben, daß sie in ihrem Hertzen wünschen, daß kein GOtt seyn möchte, würden ihm auch gerne den Himmel nach diesem Leben lassen, wann sie nur in diesem Leben ihren Himmel ohngestört auf Erden haben kön- ten. Die zum Gold- Klumpen sprechen: Du bist mein Trost!Letzlich sind noch andere, die zum Gold- Klumpen sprechen: Du bist mein Trost! Diese haben auch nicht Zeit an GOtt zu gedencken, und durch fleißige Lesung der hei- ligen Schrifft und Anhörung des göttlichen gepredigten Wortes, als woraus der Glau- be kommt, und durch höchstnöthigen Ge- brauch der von GOtt verordneten Mittel des Heyls, ihre Seeligkeit zu befördern. Jhr schändlicher Geitz, der doch eine Wur- tzel alles Ubels ist, soll und muß vor eine Christliche Spaarsamkeit passiren; ohn- geachtet sie dem Armen und Hülfbedürff- tigem Nächsten von ihrem Uberfluß sehr wenig Gutes thun; sondern sich vielmehr mit Hintansetzung der Liebe GOttes und des Nächstens (es sey mit Recht oder mit Unrecht) Tag und Nacht, und meisten- Die I. Anmerckung. (a) uͤbrig haben ihren elenden Seelen-Zuſtandzu betrachten, weil immer eine Solennitaͤt der andern, ein Feſtin dem andern, ein Schmauß dem andern und eine Luſtbarkeit der andern die Hand beut. Und da ſie zwar einen GOtt glauben: ſo bezeugen ſie doch durch ihr unordentliches und wuͤſtes Leben, daß ſie in ihrem Hertzen wuͤnſchen, daß kein GOtt ſeyn moͤchte, wuͤrden ihm auch gerne den Himmel nach dieſem Leben laſſen, wann ſie nur in dieſem Leben ihren Himmel ohngeſtoͤrt auf Erden haben koͤn- ten. Die zum Gold- Klumpen ſprechen: Du biſt mein Troſt!Letzlich ſind noch andere, die zum Gold- Klumpen ſprechen: Du biſt mein Troſt! Dieſe haben auch nicht Zeit an GOtt zu gedencken, und durch fleißige Leſung der hei- ligen Schrifft und Anhoͤrung des goͤttlichen gepredigten Wortes, als woraus der Glau- be kommt, und durch hoͤchſtnoͤthigen Ge- brauch der von GOtt verordneten Mittel des Heyls, ihre Seeligkeit zu befoͤrdern. Jhr ſchaͤndlicher Geitz, der doch eine Wur- tzel alles Ubels iſt, ſoll und muß vor eine Chriſtliche Spaarſamkeit paſſiren; ohn- geachtet ſie dem Armen und Huͤlfbeduͤrff- tigem Naͤchſten von ihrem Uberfluß ſehr wenig Gutes thun; ſondern ſich vielmehr mit Hintanſetzung der Liebe GOttes und des Naͤchſtens (es ſey mit Recht oder mit Unrecht) Tag und Nacht, und meiſten- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="na" prev="#za" place="end" n="(a)"><pb facs="#f0030" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">I.</hi> Anmerckung. <hi rendition="#aq">(a)</hi></hi></fw><lb/> uͤbrig haben ihren elenden Seelen-Zuſtand<lb/> zu betrachten, weil immer eine <hi rendition="#aq">Solenni</hi>taͤt<lb/> der andern, ein <hi rendition="#aq">Feſtin</hi> dem andern, ein<lb/> Schmauß dem andern und eine Luſtbarkeit<lb/> der andern die Hand beut. Und da ſie<lb/> zwar einen GOtt glauben: ſo bezeugen<lb/> ſie doch durch ihr unordentliches und wuͤſtes<lb/> Leben, daß ſie in ihrem Hertzen wuͤnſchen,<lb/> daß kein GOtt ſeyn moͤchte, wuͤrden ihm<lb/> auch gerne den Himmel nach dieſem Leben<lb/> laſſen, wann ſie nur in dieſem Leben ihren<lb/> Himmel ohngeſtoͤrt auf Erden haben koͤn-<lb/> ten.<lb/><note place="left">Die zum<lb/> Gold-<lb/> Klumpen<lb/> ſprechen:<lb/> Du biſt<lb/> mein Troſt!</note>Letzlich ſind noch andere, die zum Gold-<lb/> Klumpen ſprechen: <hi rendition="#fr">Du biſt mein Troſt!</hi><lb/> Dieſe haben auch nicht Zeit an GOtt zu<lb/> gedencken, und durch fleißige Leſung der hei-<lb/> ligen Schrifft und Anhoͤrung des goͤttlichen<lb/> gepredigten Wortes, als woraus der Glau-<lb/> be kommt, und durch hoͤchſtnoͤthigen Ge-<lb/> brauch der von GOtt verordneten Mittel<lb/> des Heyls, ihre Seeligkeit zu befoͤrdern.<lb/> Jhr ſchaͤndlicher Geitz, der doch eine Wur-<lb/> tzel alles Ubels iſt, ſoll und muß vor eine<lb/> Chriſtliche Spaarſamkeit <hi rendition="#aq">paſſi</hi>ren; ohn-<lb/> geachtet ſie dem Armen und Huͤlfbeduͤrff-<lb/> tigem Naͤchſten von ihrem Uberfluß ſehr<lb/> wenig Gutes thun; ſondern ſich vielmehr<lb/> mit Hintanſetzung der Liebe GOttes und<lb/> des Naͤchſtens (es ſey mit Recht oder mit<lb/> Unrecht) Tag und Nacht, und meiſten-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">theils</fw><lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [8/0030]
Die I. Anmerckung. (a)
⁽a⁾
uͤbrig haben ihren elenden Seelen-Zuſtand
zu betrachten, weil immer eine Solennitaͤt
der andern, ein Feſtin dem andern, ein
Schmauß dem andern und eine Luſtbarkeit
der andern die Hand beut. Und da ſie
zwar einen GOtt glauben: ſo bezeugen
ſie doch durch ihr unordentliches und wuͤſtes
Leben, daß ſie in ihrem Hertzen wuͤnſchen,
daß kein GOtt ſeyn moͤchte, wuͤrden ihm
auch gerne den Himmel nach dieſem Leben
laſſen, wann ſie nur in dieſem Leben ihren
Himmel ohngeſtoͤrt auf Erden haben koͤn-
ten.
Letzlich ſind noch andere, die zum Gold-
Klumpen ſprechen: Du biſt mein Troſt!
Dieſe haben auch nicht Zeit an GOtt zu
gedencken, und durch fleißige Leſung der hei-
ligen Schrifft und Anhoͤrung des goͤttlichen
gepredigten Wortes, als woraus der Glau-
be kommt, und durch hoͤchſtnoͤthigen Ge-
brauch der von GOtt verordneten Mittel
des Heyls, ihre Seeligkeit zu befoͤrdern.
Jhr ſchaͤndlicher Geitz, der doch eine Wur-
tzel alles Ubels iſt, ſoll und muß vor eine
Chriſtliche Spaarſamkeit paſſiren; ohn-
geachtet ſie dem Armen und Huͤlfbeduͤrff-
tigem Naͤchſten von ihrem Uberfluß ſehr
wenig Gutes thun; ſondern ſich vielmehr
mit Hintanſetzung der Liebe GOttes und
des Naͤchſtens (es ſey mit Recht oder mit
Unrecht) Tag und Nacht, und meiſten-
theils
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