Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die V. Anmerckung. (n) Hiernechst muß man, bey Lesung guter Bü-die Wahr-heit suchen; cher, und bey Frequentirung vornehmer und gelehrter Männer, sich ernstlich vornehmen, der Wahrheit in allen Dingen, wenn es Fleisch und Blutgleich noch so weh thun solte, zu folgen. Denn wer der unmäßigen Selbst- Liebe gäntzlich entsagt, und die Wahrheit in allen Sachen sucht, der wird in der Ver- besserung seines Verstandes und Willens höchst nützliche Progressen machen, und sei- ne zeitliche und ewige Wohlfahrt dadurch aufs sicherste befördern. Wenn ich nun bey dieser Erläuterung, getreulich angerathen habe: Daß man mit vornehmen Standes-Personen, Gelehrten und honeten Leuten, täglich umgehen, und von ihnen Gelegenheit zu profitiren suchen solle: So habe ich auf keine Weise da-mit Frau- enzimmer umgehen; durch die Conversation mit vornehmen, klu- gen und honetem Frauenzimmer wider- rathen wollen; Angesehen, dieses Geschlech- te von GOtt, so viel Leibes- und Gemüths- Gaben, als das männliche, erhalten, und sich also dieses keines Monopolii dißfalls vor jenem zu rühmen hat. Denn wenn bey dem weiblichen Geschlechte die Educa- tion, mit gehöriger Sorgfalt, und die An- weisung zu allerhand Wissenschafften und Studiis, mit unausgesetztem Fleiß, getrie- ben würde, könten sie es eben so hoch, und F 5
Die V. Anmerckung. (n) Hiernechſt muß man, bey Leſung guter Buͤ-die Wahr-heit ſuchen; cher, und bey Frequentirung vornehmer und gelehrter Maͤnner, ſich ernſtlich vornehmen, der Wahrheit in allen Dingen, wenn es Fleiſch und Blutgleich noch ſo weh thun ſolte, zu folgen. Denn wer der unmaͤßigen Selbſt- Liebe gaͤntzlich entſagt, und die Wahrheit in allen Sachen ſucht, der wird in der Ver- beſſerung ſeines Verſtandes und Willens hoͤchſt nuͤtzliche Progreſſen machen, und ſei- ne zeitliche und ewige Wohlfahrt dadurch aufs ſicherſte befoͤrdern. Wenn ich nun bey dieſer Erlaͤuterung, getreulich angerathen habe: Daß man mit vornehmen Standes-Perſonen, Gelehrten und honêten Leuten, taͤglich umgehen, und von ihnen Gelegenheit zu profitiren ſuchen ſolle: So habe ich auf keine Weiſe da-mit Frau- enzimmer umgehen; durch die Converſation mit vornehmen, klu- gen und honêtem Frauenzimmer wider- rathen wollen; Angeſehen, dieſes Geſchlech- te von GOtt, ſo viel Leibes- und Gemuͤths- Gaben, als das maͤnnliche, erhalten, und ſich alſo dieſes keines Monopolii dißfalls vor jenem zu ruͤhmen hat. Denn wenn bey dem weiblichen Geſchlechte die Educa- tion, mit gehoͤriger Sorgfalt, und die An- weiſung zu allerhand Wiſſenſchafften und Studiis, mit unausgeſetztem Fleiß, getrie- ben wuͤrde, koͤnten ſie es eben ſo hoch, und F 5
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Die V. Anmerckung. (n)
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Hiernechſt muß man, bey Leſung guter Buͤ-
cher, und bey Frequentirung vornehmer und
gelehrter Maͤnner, ſich ernſtlich vornehmen,
der Wahrheit in allen Dingen, wenn es
Fleiſch und Blutgleich noch ſo weh thun ſolte,
zu folgen. Denn wer der unmaͤßigen Selbſt-
Liebe gaͤntzlich entſagt, und die Wahrheit
in allen Sachen ſucht, der wird in der Ver-
beſſerung ſeines Verſtandes und Willens
hoͤchſt nuͤtzliche Progreſſen machen, und ſei-
ne zeitliche und ewige Wohlfahrt dadurch
aufs ſicherſte befoͤrdern.
Wenn ich nun bey dieſer Erlaͤuterung,
getreulich angerathen habe: Daß man mit
vornehmen Standes-Perſonen, Gelehrten
und honêten Leuten, taͤglich umgehen, und
von ihnen Gelegenheit zu profitiren ſuchen
ſolle: So habe ich auf keine Weiſe da-
durch die Converſation mit vornehmen, klu-
gen und honêtem Frauenzimmer wider-
rathen wollen; Angeſehen, dieſes Geſchlech-
te von GOtt, ſo viel Leibes- und Gemuͤths-
Gaben, als das maͤnnliche, erhalten, und
ſich alſo dieſes keines Monopolii dißfalls
vor jenem zu ruͤhmen hat. Denn wenn
bey dem weiblichen Geſchlechte die Educa-
tion, mit gehoͤriger Sorgfalt, und die An-
weiſung zu allerhand Wiſſenſchafften und
Studiis, mit unausgeſetztem Fleiß, getrie-
ben wuͤrde, koͤnten ſie es eben ſo hoch, und
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