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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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Mensch steht auf der höchsten dieser Stufen,
und er kann darum einen weit mannichfaltigern
Gebrauch von seinen Sinnen als irgend ein
Thier machen. Aber es ist nicht wahr, was
einige Schriftsteller w) behauptet haben, er be-
sitze einen Vorzug vor den Thieren in Rück-
sicht auf die Schärfe jedes einzelnen Sinns.
Man setzt, um diese Meinung zu beweisen,
Vorzüge des Menschen auf Rechnung seiner
Sinne, die Folgen seines höhern Vermögens
sind, Vergleichungen anzustellen, Aehnlichkei-
ten zu entdecken, zu urtheilen und zu folgern.
So beweist z. B. Metzger x) die grössere
Schärfe des Gesichts beym Menschen daraus,
dass derselbe eine Strecke von vielen tausend
Schritten mit geometrischer Genauigkeit zu be-
stimmen im Stande ist. Diesen Vorzug aber
besitzt der Mensch nicht wegen grösserer Voll-
kommenheit seiner Augen, sondern wegen der
höhern Urtheilskraft, die er vor den Thieren
voraus hat. Manche Thiere, besonders alle
Raubthiere, die ihre Beute fliegend oder sprin-
gend erhaschen, haben ein eben so gutes und
von manchen Seiten noch besseres Augenmaass

als
w) Unter andern Metzoer in dem Aufsatz des 3ten
Bandes seiner Vermischten medicinischen Schriften
"über die körperlichen Vorzüge des Menschen vor
"den Thieren."
x) A. a. O. S. 312.

Mensch steht auf der höchsten dieser Stufen,
und er kann darum einen weit mannichfaltigern
Gebrauch von seinen Sinnen als irgend ein
Thier machen. Aber es ist nicht wahr, was
einige Schriftsteller w) behauptet haben, er be-
sitze einen Vorzug vor den Thieren in Rück-
sicht auf die Schärfe jedes einzelnen Sinns.
Man setzt, um diese Meinung zu beweisen,
Vorzüge des Menschen auf Rechnung seiner
Sinne, die Folgen seines höhern Vermögens
sind, Vergleichungen anzustellen, Aehnlichkei-
ten zu entdecken, zu urtheilen und zu folgern.
So beweist z. B. Metzger x) die gröſsere
Schärfe des Gesichts beym Menschen daraus,
daſs derselbe eine Strecke von vielen tausend
Schritten mit geometrischer Genauigkeit zu be-
stimmen im Stande ist. Diesen Vorzug aber
besitzt der Mensch nicht wegen gröſserer Voll-
kommenheit seiner Augen, sondern wegen der
höhern Urtheilskraft, die er vor den Thieren
voraus hat. Manche Thiere, besonders alle
Raubthiere, die ihre Beute fliegend oder sprin-
gend erhaschen, haben ein eben so gutes und
von manchen Seiten noch besseres Augenmaaſs

als
w) Unter andern Metzoer in dem Aufsatz des 3ten
Bandes seiner Vermischten medicinischen Schriften
“über die körperlichen Vorzüge des Menschen vor
„den Thieren.”
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[200/0218] Mensch steht auf der höchsten dieser Stufen, und er kann darum einen weit mannichfaltigern Gebrauch von seinen Sinnen als irgend ein Thier machen. Aber es ist nicht wahr, was einige Schriftsteller w) behauptet haben, er be- sitze einen Vorzug vor den Thieren in Rück- sicht auf die Schärfe jedes einzelnen Sinns. Man setzt, um diese Meinung zu beweisen, Vorzüge des Menschen auf Rechnung seiner Sinne, die Folgen seines höhern Vermögens sind, Vergleichungen anzustellen, Aehnlichkei- ten zu entdecken, zu urtheilen und zu folgern. So beweist z. B. Metzger x) die gröſsere Schärfe des Gesichts beym Menschen daraus, daſs derselbe eine Strecke von vielen tausend Schritten mit geometrischer Genauigkeit zu be- stimmen im Stande ist. Diesen Vorzug aber besitzt der Mensch nicht wegen gröſserer Voll- kommenheit seiner Augen, sondern wegen der höhern Urtheilskraft, die er vor den Thieren voraus hat. Manche Thiere, besonders alle Raubthiere, die ihre Beute fliegend oder sprin- gend erhaschen, haben ein eben so gutes und von manchen Seiten noch besseres Augenmaaſs als w) Unter andern Metzoer in dem Aufsatz des 3ten Bandes seiner Vermischten medicinischen Schriften “über die körperlichen Vorzüge des Menschen vor „den Thieren.” x) A. a. O. S. 312.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/218>, abgerufen am 25.11.2024.