Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

schen Erregbarkeit dieses Organs. Die Ge-
sichtsempfindungen lassen sich gleichfalls als
Folgen einer mechanischen Einwirkung gewisser
Schwingungen auf die verschiedenen Punkte der
Netzhaut denken, in so weit sie blos den Grad
des Lichts, die Grösse und den Umriss der
sichtbaren Dinge betreffen. Eigenthümlich dem
Auge ist nur die Empfänglichkeit desselben für
den Unterschied der Farben.

Man hat von dem Getast das Vermögen,
wodurch die Seele den Zustand ihres Körpers
wahrnimmt, unter dem Namen des Gemein-
gefühls unterschieden f), aber ohne hinrei-
chenden Grund. Was Reil unter diesem Na-
men begriff, gehört entweder dem allgemeinen
Lebensgefühl an, oder ist Folge des mechani-
schen Einwirkens der Organe auf das Nerven-
system, (wie z. B. das Gefühl von Leichtigkeit
und Schwere der Glieder; die mit den Muskel-
bewegungen verbundenen Empfindungen u. d. gl.).
Mit mehr Recht lässt sich ein allgemeiner
Sinn annehmen, welcher allen übrigen zum
Grunde liegt, der jeden von diesen unter ge-
wissen Umständen einigermaassen ersetzen kann
und bey gewissen Thieren wirklich ersetzt, und
woraus sich diese in der Reihe der Thiere von

den
f) Coenaesthesis; diss. quam praes. J. C. Reil, de-
fendit C. F. Hubner. Halae. 1794.

schen Erregbarkeit dieses Organs. Die Ge-
sichtsempfindungen lassen sich gleichfalls als
Folgen einer mechanischen Einwirkung gewisser
Schwingungen auf die verschiedenen Punkte der
Netzhaut denken, in so weit sie blos den Grad
des Lichts, die Gröſse und den Umriſs der
sichtbaren Dinge betreffen. Eigenthümlich dem
Auge ist nur die Empfänglichkeit desselben für
den Unterschied der Farben.

Man hat von dem Getast das Vermögen,
wodurch die Seele den Zustand ihres Körpers
wahrnimmt, unter dem Namen des Gemein-
gefühls unterschieden f), aber ohne hinrei-
chenden Grund. Was Reil unter diesem Na-
men begriff, gehört entweder dem allgemeinen
Lebensgefühl an, oder ist Folge des mechani-
schen Einwirkens der Organe auf das Nerven-
system, (wie z. B. das Gefühl von Leichtigkeit
und Schwere der Glieder; die mit den Muskel-
bewegungen verbundenen Empfindungen u. d. gl.).
Mit mehr Recht läſst sich ein allgemeiner
Sinn annehmen, welcher allen übrigen zum
Grunde liegt, der jeden von diesen unter ge-
wissen Umständen einigermaaſsen ersetzen kann
und bey gewissen Thieren wirklich ersetzt, und
woraus sich diese in der Reihe der Thiere von

den
f) Coenaesthesis; diss. quam praes. J. C. Reil, de-
fendit C. F. Hubner. Halae. 1794.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0196" n="178"/>
schen Erregbarkeit dieses Organs. Die Ge-<lb/>
sichtsempfindungen lassen sich gleichfalls als<lb/>
Folgen einer mechanischen Einwirkung gewisser<lb/>
Schwingungen auf die verschiedenen Punkte der<lb/>
Netzhaut denken, in so weit sie blos den Grad<lb/>
des Lichts, die Grö&#x017F;se und den Umri&#x017F;s der<lb/>
sichtbaren Dinge betreffen. Eigenthümlich dem<lb/>
Auge ist nur die Empfänglichkeit desselben für<lb/>
den Unterschied der Farben.</p><lb/>
            <p>Man hat von dem Getast das Vermögen,<lb/>
wodurch die Seele den Zustand ihres Körpers<lb/>
wahrnimmt, unter dem Namen des <hi rendition="#g">Gemein-<lb/>
gefühls</hi> unterschieden <note place="foot" n="f)">Coenaesthesis; diss. quam praes. J. C. <hi rendition="#k">Reil</hi>, de-<lb/>
fendit C. F. <hi rendition="#k">Hubner</hi>. Halae. 1794.</note>, aber ohne hinrei-<lb/>
chenden Grund. Was <hi rendition="#k">Reil</hi> unter diesem Na-<lb/>
men begriff, gehört entweder dem allgemeinen<lb/>
Lebensgefühl an, oder ist Folge des mechani-<lb/>
schen Einwirkens der Organe auf das Nerven-<lb/>
system, (wie z. B. das Gefühl von Leichtigkeit<lb/>
und Schwere der Glieder; die mit den Muskel-<lb/>
bewegungen verbundenen Empfindungen u. d. gl.).<lb/>
Mit mehr Recht lä&#x017F;st sich ein <hi rendition="#g">allgemeiner<lb/>
Sinn</hi> annehmen, welcher allen übrigen zum<lb/>
Grunde liegt, der jeden von diesen unter ge-<lb/>
wissen Umständen einigermaa&#x017F;sen ersetzen kann<lb/>
und bey gewissen Thieren wirklich ersetzt, und<lb/>
woraus sich diese in der Reihe der Thiere von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0196] schen Erregbarkeit dieses Organs. Die Ge- sichtsempfindungen lassen sich gleichfalls als Folgen einer mechanischen Einwirkung gewisser Schwingungen auf die verschiedenen Punkte der Netzhaut denken, in so weit sie blos den Grad des Lichts, die Gröſse und den Umriſs der sichtbaren Dinge betreffen. Eigenthümlich dem Auge ist nur die Empfänglichkeit desselben für den Unterschied der Farben. Man hat von dem Getast das Vermögen, wodurch die Seele den Zustand ihres Körpers wahrnimmt, unter dem Namen des Gemein- gefühls unterschieden f), aber ohne hinrei- chenden Grund. Was Reil unter diesem Na- men begriff, gehört entweder dem allgemeinen Lebensgefühl an, oder ist Folge des mechani- schen Einwirkens der Organe auf das Nerven- system, (wie z. B. das Gefühl von Leichtigkeit und Schwere der Glieder; die mit den Muskel- bewegungen verbundenen Empfindungen u. d. gl.). Mit mehr Recht läſst sich ein allgemeiner Sinn annehmen, welcher allen übrigen zum Grunde liegt, der jeden von diesen unter ge- wissen Umständen einigermaaſsen ersetzen kann und bey gewissen Thieren wirklich ersetzt, und woraus sich diese in der Reihe der Thiere von den f) Coenaesthesis; diss. quam praes. J. C. Reil, de- fendit C. F. Hubner. Halae. 1794.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/196
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/196>, abgerufen am 22.11.2024.