Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

ähnlich. In ihrer Bildung und gewiss auch in
ihren Funktionen finden grosse Verschiedenheiten
unter ihnen statt. Der Balken enthält in seinem
mittlern Theil längslaufende Fasern, welche das
hintere Ende der Hemisphären des grossen Ge-
hirns mit dem vordern verbinden. Diese machen
aber nur einen geringen Theil seiner Masse aus.
Er besteht grösstentheils aus parallelen, gedrängt
an einander liegenden, von seiner Mittellinie in
die Hirnwindungen und in den äussern Rand
der gestreiften Körper übergehenden Markplatten.
Die übrigen Commissuren haben nicht eine sol-
che blättrige Textur und eine weit geringere
Masse. Der Balken scheint daher mehr als
blosses Verbindungsorgan zu seyn. Reil fand
bey der Untersuchung des Gehirns einer Frau
von dreyssig und einigen Jahren, die sonst ge-
sund, aber stumpfsinnig war, doch von dem
Dorfe, wo sie wohnte, für Andere in die Stadt
gehen und gewöhnliche Aufträge ausrichten
konnte, und plötzlich am Schlagfluss gestorben
war, dass der mittlere und freye Theil des Bal-
kens in seinem ganzen Verlauf fehlte, die Sehe-
hügel blos lagen, und die beyden Hirnhälften nur
durch die vordere und hintere Commissur, die
Haube der Hirnschenkel vor der Brücke und die
Vierhügel zusammengehalten wurden. Das Ge-
wölbe entsprang und verlief auf die gewöhnliche
Art; nur floss es zu beyden Seiten über der

vordern

ähnlich. In ihrer Bildung und gewiſs auch in
ihren Funktionen finden groſse Verschiedenheiten
unter ihnen statt. Der Balken enthält in seinem
mittlern Theil längslaufende Fasern, welche das
hintere Ende der Hemisphären des groſsen Ge-
hirns mit dem vordern verbinden. Diese machen
aber nur einen geringen Theil seiner Masse aus.
Er besteht gröſstentheils aus parallelen, gedrängt
an einander liegenden, von seiner Mittellinie in
die Hirnwindungen und in den äuſsern Rand
der gestreiften Körper übergehenden Markplatten.
Die übrigen Commissuren haben nicht eine sol-
che blättrige Textur und eine weit geringere
Masse. Der Balken scheint daher mehr als
bloſses Verbindungsorgan zu seyn. Reil fand
bey der Untersuchung des Gehirns einer Frau
von dreyſsig und einigen Jahren, die sonst ge-
sund, aber stumpfsinnig war, doch von dem
Dorfe, wo sie wohnte, für Andere in die Stadt
gehen und gewöhnliche Aufträge ausrichten
konnte, und plötzlich am Schlagfluſs gestorben
war, daſs der mittlere und freye Theil des Bal-
kens in seinem ganzen Verlauf fehlte, die Sehe-
hügel blos lagen, und die beyden Hirnhälften nur
durch die vordere und hintere Commissur, die
Haube der Hirnschenkel vor der Brücke und die
Vierhügel zusammengehalten wurden. Das Ge-
wölbe entsprang und verlief auf die gewöhnliche
Art; nur floſs es zu beyden Seiten über der

vordern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0172" n="156"/>
ähnlich. In ihrer Bildung und gewi&#x017F;s auch in<lb/>
ihren Funktionen finden gro&#x017F;se Verschiedenheiten<lb/>
unter ihnen statt. Der Balken enthält in seinem<lb/>
mittlern Theil längslaufende Fasern, welche das<lb/>
hintere Ende der Hemisphären des gro&#x017F;sen Ge-<lb/>
hirns mit dem vordern verbinden. Diese machen<lb/>
aber nur einen geringen Theil seiner Masse aus.<lb/>
Er besteht grö&#x017F;stentheils aus parallelen, gedrängt<lb/>
an einander liegenden, von seiner Mittellinie in<lb/>
die Hirnwindungen und in den äu&#x017F;sern Rand<lb/>
der gestreiften Körper übergehenden Markplatten.<lb/>
Die übrigen Commissuren haben nicht eine sol-<lb/>
che blättrige Textur und eine weit geringere<lb/>
Masse. Der Balken scheint daher mehr als<lb/>
blo&#x017F;ses Verbindungsorgan zu seyn. <hi rendition="#k">Reil</hi> fand<lb/>
bey der Untersuchung des Gehirns einer Frau<lb/>
von drey&#x017F;sig und einigen Jahren, die sonst ge-<lb/>
sund, aber stumpfsinnig war, doch von dem<lb/>
Dorfe, wo sie wohnte, für Andere in die Stadt<lb/>
gehen und gewöhnliche Aufträge ausrichten<lb/>
konnte, und plötzlich am Schlagflu&#x017F;s gestorben<lb/>
war, da&#x017F;s der mittlere und freye Theil des Bal-<lb/>
kens in seinem ganzen Verlauf fehlte, die Sehe-<lb/>
hügel blos lagen, und die beyden Hirnhälften nur<lb/>
durch die vordere und hintere Commissur, die<lb/>
Haube der Hirnschenkel vor der Brücke und die<lb/>
Vierhügel zusammengehalten wurden. Das Ge-<lb/>
wölbe entsprang und verlief auf die gewöhnliche<lb/>
Art; nur flo&#x017F;s es zu beyden Seiten über der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vordern</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0172] ähnlich. In ihrer Bildung und gewiſs auch in ihren Funktionen finden groſse Verschiedenheiten unter ihnen statt. Der Balken enthält in seinem mittlern Theil längslaufende Fasern, welche das hintere Ende der Hemisphären des groſsen Ge- hirns mit dem vordern verbinden. Diese machen aber nur einen geringen Theil seiner Masse aus. Er besteht gröſstentheils aus parallelen, gedrängt an einander liegenden, von seiner Mittellinie in die Hirnwindungen und in den äuſsern Rand der gestreiften Körper übergehenden Markplatten. Die übrigen Commissuren haben nicht eine sol- che blättrige Textur und eine weit geringere Masse. Der Balken scheint daher mehr als bloſses Verbindungsorgan zu seyn. Reil fand bey der Untersuchung des Gehirns einer Frau von dreyſsig und einigen Jahren, die sonst ge- sund, aber stumpfsinnig war, doch von dem Dorfe, wo sie wohnte, für Andere in die Stadt gehen und gewöhnliche Aufträge ausrichten konnte, und plötzlich am Schlagfluſs gestorben war, daſs der mittlere und freye Theil des Bal- kens in seinem ganzen Verlauf fehlte, die Sehe- hügel blos lagen, und die beyden Hirnhälften nur durch die vordere und hintere Commissur, die Haube der Hirnschenkel vor der Brücke und die Vierhügel zusammengehalten wurden. Das Ge- wölbe entsprang und verlief auf die gewöhnliche Art; nur floſs es zu beyden Seiten über der vordern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/172
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/172>, abgerufen am 22.11.2024.