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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

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stand die häufigsten Symptome. Durch äussere
Eindrücke wird vorzüglich die Reitzbarkeit der
Geschmacksnerven schnell verändert. Der Genuss
säuerlicher Getränke erhöhet die Empfänglichkeit
der Zunge für süsse Sachen, und fast nach jeder
genossenen Speise ist der Geschmack für eine
andere Kost auf eigene Weise modifizirt. An
den Nervenwärzchen der Zunge bemerkt man auch
ein Anschwellen, so oft ihre Empfänglichkeit für
diejenigen Reitze, wofür sie besonders organisirt
sind, erhöhet ist r). Wahrscheinlich findet eine
solche Turgescenz unter ähnlichen Umständen in
den peripherischen Enden aller Nerven eben so,
wie in den Bewegungsorganen, statt.

4. Durch jede Reitzung, wofür ein Nerve
eigends organisirt ist, wird eine entgegengesetzte
Aktion erregt, welche die, durch jenen erschöpfte
Reitzbarkeit wieder ersetzt. Auf diesem Gesetz
beruhet das Vermögen, die Empfänglichkeit für
gewisse Reitze durch Uebung zu verstärken, eine
Eigenschaft, die mit dem Gesetz des Abnehmens
der Erregbarkeit bey fortdauernder Wirkung eines
und desselben Reitzes in Widerspruch stehen
würde, wenn nicht die erwähnten Gegensätze
vorhanden wären. Die Nothwendigkeit derselben
für jeden lebenden Körper haben wir schon im

drit-
r) Haller Elem. Physiol. T. V. L. XIII. S. 2. §. 2.
p. 115.

stand die häufigsten Symptome. Durch äuſsere
Eindrücke wird vorzüglich die Reitzbarkeit der
Geschmacksnerven schnell verändert. Der Genuſs
säuerlicher Getränke erhöhet die Empfänglichkeit
der Zunge für süſse Sachen, und fast nach jeder
genossenen Speise ist der Geschmack für eine
andere Kost auf eigene Weise modifizirt. An
den Nervenwärzchen der Zunge bemerkt man auch
ein Anschwellen, so oft ihre Empfänglichkeit für
diejenigen Reitze, wofür sie besonders organisirt
sind, erhöhet ist r). Wahrscheinlich findet eine
solche Turgescenz unter ähnlichen Umständen in
den peripherischen Enden aller Nerven eben so,
wie in den Bewegungsorganen, statt.

4. Durch jede Reitzung, wofür ein Nerve
eigends organisirt ist, wird eine entgegengesetzte
Aktion erregt, welche die, durch jenen erschöpfte
Reitzbarkeit wieder ersetzt. Auf diesem Gesetz
beruhet das Vermögen, die Empfänglichkeit für
gewisse Reitze durch Uebung zu verstärken, eine
Eigenschaft, die mit dem Gesetz des Abnehmens
der Erregbarkeit bey fortdauernder Wirkung eines
und desselben Reitzes in Widerspruch stehen
würde, wenn nicht die erwähnten Gegensätze
vorhanden wären. Die Nothwendigkeit derselben
für jeden lebenden Körper haben wir schon im

drit-
r) Haller Elem. Physiol. T. V. L. XIII. S. 2. §. 2.
p. 115.
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[397/0409] stand die häufigsten Symptome. Durch äuſsere Eindrücke wird vorzüglich die Reitzbarkeit der Geschmacksnerven schnell verändert. Der Genuſs säuerlicher Getränke erhöhet die Empfänglichkeit der Zunge für süſse Sachen, und fast nach jeder genossenen Speise ist der Geschmack für eine andere Kost auf eigene Weise modifizirt. An den Nervenwärzchen der Zunge bemerkt man auch ein Anschwellen, so oft ihre Empfänglichkeit für diejenigen Reitze, wofür sie besonders organisirt sind, erhöhet ist r). Wahrscheinlich findet eine solche Turgescenz unter ähnlichen Umständen in den peripherischen Enden aller Nerven eben so, wie in den Bewegungsorganen, statt. 4. Durch jede Reitzung, wofür ein Nerve eigends organisirt ist, wird eine entgegengesetzte Aktion erregt, welche die, durch jenen erschöpfte Reitzbarkeit wieder ersetzt. Auf diesem Gesetz beruhet das Vermögen, die Empfänglichkeit für gewisse Reitze durch Uebung zu verstärken, eine Eigenschaft, die mit dem Gesetz des Abnehmens der Erregbarkeit bey fortdauernder Wirkung eines und desselben Reitzes in Widerspruch stehen würde, wenn nicht die erwähnten Gegensätze vorhanden wären. Die Nothwendigkeit derselben für jeden lebenden Körper haben wir schon im drit- r) Haller Elem. Physiol. T. V. L. XIII. S. 2. §. 2. p. 115.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/409>, abgerufen am 19.05.2024.