Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Eine andere Hypothese hat J. F. Meckel d)
vorgetragen. Dieser glaubt. dass bey den niedern
Thieren das Rückenmark und der sympathische
Nerve der Wirbelthiere zu einem einzigen Gan-
zen verschmolzen sind. Aber der Bauchstrang der
Insekten und Würmer hat eine ganz symmetri-
sche Bildung, die dem sympathischen Nerven fehlt;
hingegen haben die zerstreuten Ganglien des Ner-
vensystems der kopflosen Mollusken nichts von
der Symmetrie des Rückenmarks.

Meines Erachtens lässt sich also keine Ansicht
des Bauchknotensystems der niedern Thiere als
die obige rechtfertigen. Nach dieser erscheint aber
auch Cuvier's e) Meinung, dass der grosse sym-
pathische Nerve blos den rothblütigen Thieren an-
gehört, als unrichtig. Gerade dieser ist der am
weitesten verbreitete, der ursprüngliche aller Ner-
ven. Nur ist er in den verschiedenen Thierclas-
sen auf verschiedene Art modificirt. Bey den Wür-
mern und Insekten giebt es blos Rückenmarkskno-
ten ohne die coeliacischen Ganglien der Säugthiere
und Vögel; bey den kopflosen Mollusken sind diese
Knoten ohne jene vorhanden; bey den Sepien und
Schnecken sind einzelne Rückenmarksknoten mit
einzelnen coeliacischen Ganglien zugegen. Alle
diese niedern Thiere haben kein Rückenmark.

Die
d) Beyträge zur vergl. Anatomie. B. II. H. 1. S. 84.
e) Lecons d'Anat, comp. T. II. p. 124.

Eine andere Hypothese hat J. F. Meckel d)
vorgetragen. Dieser glaubt. daſs bey den niedern
Thieren das Rückenmark und der sympathische
Nerve der Wirbelthiere zu einem einzigen Gan-
zen verschmolzen sind. Aber der Bauchstrang der
Insekten und Würmer hat eine ganz symmetri-
sche Bildung, die dem sympathischen Nerven fehlt;
hingegen haben die zerstreuten Ganglien des Ner-
vensystems der kopflosen Mollusken nichts von
der Symmetrie des Rückenmarks.

Meines Erachtens läſst sich also keine Ansicht
des Bauchknotensystems der niedern Thiere als
die obige rechtfertigen. Nach dieser erscheint aber
auch Cuvier’s e) Meinung, daſs der groſse sym-
pathische Nerve blos den rothblütigen Thieren an-
gehört, als unrichtig. Gerade dieser ist der am
weitesten verbreitete, der ursprüngliche aller Ner-
ven. Nur ist er in den verschiedenen Thierclas-
sen auf verschiedene Art modificirt. Bey den Wür-
mern und Insekten giebt es blos Rückenmarkskno-
ten ohne die coeliacischen Ganglien der Säugthiere
und Vögel; bey den kopflosen Mollusken sind diese
Knoten ohne jene vorhanden; bey den Sepien und
Schnecken sind einzelne Rückenmarksknoten mit
einzelnen coeliacischen Ganglien zugegen. Alle
diese niedern Thiere haben kein Rückenmark.

Die
d) Beyträge zur vergl. Anatomie. B. II. H. 1. S. 84.
e) Leçons d’Anat, comp. T. II. p. 124.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0346" n="334"/>
            <p>Eine andere Hypothese hat J. F. <hi rendition="#k">Meckel</hi> <note place="foot" n="d)">Beyträge zur vergl. Anatomie. B. II. H. 1. S. 84.</note><lb/>
vorgetragen. Dieser glaubt. da&#x017F;s bey den niedern<lb/>
Thieren das Rückenmark und der sympathische<lb/>
Nerve der Wirbelthiere zu einem einzigen Gan-<lb/>
zen verschmolzen sind. Aber der Bauchstrang der<lb/>
Insekten und Würmer hat eine ganz symmetri-<lb/>
sche Bildung, die dem sympathischen Nerven fehlt;<lb/>
hingegen haben die zerstreuten Ganglien des Ner-<lb/>
vensystems der kopflosen Mollusken nichts von<lb/>
der Symmetrie des Rückenmarks.</p><lb/>
            <p>Meines Erachtens lä&#x017F;st sich also keine Ansicht<lb/>
des Bauchknotensystems der niedern Thiere als<lb/>
die obige rechtfertigen. Nach dieser erscheint aber<lb/>
auch <hi rendition="#k">Cuvier</hi>&#x2019;s <note place="foot" n="e)">Leçons d&#x2019;Anat, comp. T. II. p. 124.</note> Meinung, da&#x017F;s der gro&#x017F;se sym-<lb/>
pathische Nerve blos den rothblütigen Thieren an-<lb/>
gehört, als unrichtig. Gerade dieser ist der am<lb/>
weitesten verbreitete, der ursprüngliche aller Ner-<lb/>
ven. Nur ist er in den verschiedenen Thierclas-<lb/>
sen auf verschiedene Art modificirt. Bey den Wür-<lb/>
mern und Insekten giebt es blos Rückenmarkskno-<lb/>
ten ohne die coeliacischen Ganglien der Säugthiere<lb/>
und Vögel; bey den kopflosen Mollusken sind diese<lb/>
Knoten ohne jene vorhanden; bey den Sepien und<lb/>
Schnecken sind einzelne Rückenmarksknoten mit<lb/>
einzelnen coeliacischen Ganglien zugegen. Alle<lb/>
diese niedern Thiere haben kein Rückenmark.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0346] Eine andere Hypothese hat J. F. Meckel d) vorgetragen. Dieser glaubt. daſs bey den niedern Thieren das Rückenmark und der sympathische Nerve der Wirbelthiere zu einem einzigen Gan- zen verschmolzen sind. Aber der Bauchstrang der Insekten und Würmer hat eine ganz symmetri- sche Bildung, die dem sympathischen Nerven fehlt; hingegen haben die zerstreuten Ganglien des Ner- vensystems der kopflosen Mollusken nichts von der Symmetrie des Rückenmarks. Meines Erachtens läſst sich also keine Ansicht des Bauchknotensystems der niedern Thiere als die obige rechtfertigen. Nach dieser erscheint aber auch Cuvier’s e) Meinung, daſs der groſse sym- pathische Nerve blos den rothblütigen Thieren an- gehört, als unrichtig. Gerade dieser ist der am weitesten verbreitete, der ursprüngliche aller Ner- ven. Nur ist er in den verschiedenen Thierclas- sen auf verschiedene Art modificirt. Bey den Wür- mern und Insekten giebt es blos Rückenmarkskno- ten ohne die coeliacischen Ganglien der Säugthiere und Vögel; bey den kopflosen Mollusken sind diese Knoten ohne jene vorhanden; bey den Sepien und Schnecken sind einzelne Rückenmarksknoten mit einzelnen coeliacischen Ganglien zugegen. Alle diese niedern Thiere haben kein Rückenmark. Die d) Beyträge zur vergl. Anatomie. B. II. H. 1. S. 84. e) Leçons d’Anat, comp. T. II. p. 124.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/346
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/346>, abgerufen am 19.05.2024.