Ganz anders ist es mit den Bewegungen der Staubfäden bey den Syngenesisten, den Cisten, dem Sauerdorn u. s. w. Diese werden durch die blosse Berührung ohne alle Biegung der Theile hervorgebracht. Sie werden durch Einflüsse er- regt, die keine Wirkung auf den hygroskopischen Zustand des Gewächses haben. Ihre Stärke steht mit der Energie des Lebens der Pflanze in Ver- hältniss. Das Princip derselben wird durch hef- tige Reitze erschöpft, durch Ruhe wieder ersetzt. Kurz, sie haben, wie wir unten sehen werden, die grösste Aehnlichkeit mit den Muskelbewegun- gen der Thiere. Eben diese Bewegungen sind aber auf der andern Seite den im vorigen §. er- wähnten Bewegungen der vegetabilischen Ge- schlechstheile, die ohne äussere Veranlassungen ein- treten, ganz ähnlich. Bey manchen Pflanzen er- folgen auch die Bewegungen der Staubfäden bald freywillig, bald nur nach äussern Reitzungen c). Der innere Grund beyder muss also von einerley Art seyn. Bey den freywilligen Bewegungen ist dieser ohne Zweifel der nehmliche, von welchem das Wachsthum der Pflanze überhaupt abhängt. Sind also etwa die Erscheinungen der Reitzbarkeit Wirkungen derselben Ursache, die das Wachsthum hervorbringt? Wir wollen diese Vermuthung nicht ausser Acht lassen, doch, ehe wir sie verfolgen, die verschiedenen Aeusserungen des Princips der
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c)Medicus Pflanzenphy[s]iol. Abh. B. 1. S. 41.
Ganz anders ist es mit den Bewegungen der Staubfäden bey den Syngenesisten, den Cisten, dem Sauerdorn u. s. w. Diese werden durch die bloſse Berührung ohne alle Biegung der Theile hervorgebracht. Sie werden durch Einflüsse er- regt, die keine Wirkung auf den hygroskopischen Zustand des Gewächses haben. Ihre Stärke steht mit der Energie des Lebens der Pflanze in Ver- hältniſs. Das Princip derselben wird durch hef- tige Reitze erschöpft, durch Ruhe wieder ersetzt. Kurz, sie haben, wie wir unten sehen werden, die gröſste Aehnlichkeit mit den Muskelbewegun- gen der Thiere. Eben diese Bewegungen sind aber auf der andern Seite den im vorigen §. er- wähnten Bewegungen der vegetabilischen Ge- schlechstheile, die ohne äuſsere Veranlassungen ein- treten, ganz ähnlich. Bey manchen Pflanzen er- folgen auch die Bewegungen der Staubfäden bald freywillig, bald nur nach äuſsern Reitzungen c). Der innere Grund beyder muſs also von einerley Art seyn. Bey den freywilligen Bewegungen ist dieser ohne Zweifel der nehmliche, von welchem das Wachsthum der Pflanze überhaupt abhängt. Sind also etwa die Erscheinungen der Reitzbarkeit Wirkungen derselben Ursache, die das Wachsthum hervorbringt? Wir wollen diese Vermuthung nicht auſser Acht lassen, doch, ehe wir sie verfolgen, die verschiedenen Aeuſserungen des Princips der
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c)Medicus Pflanzenphy[s]iol. Abh. B. 1. S. 41.
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Ganz anders ist es mit den Bewegungen der
Staubfäden bey den Syngenesisten, den Cisten,
dem Sauerdorn u. s. w. Diese werden durch die
bloſse Berührung ohne alle Biegung der Theile
hervorgebracht. Sie werden durch Einflüsse er-
regt, die keine Wirkung auf den hygroskopischen
Zustand des Gewächses haben. Ihre Stärke steht
mit der Energie des Lebens der Pflanze in Ver-
hältniſs. Das Princip derselben wird durch hef-
tige Reitze erschöpft, durch Ruhe wieder ersetzt.
Kurz, sie haben, wie wir unten sehen werden,
die gröſste Aehnlichkeit mit den Muskelbewegun-
gen der Thiere. Eben diese Bewegungen sind
aber auf der andern Seite den im vorigen §. er-
wähnten Bewegungen der vegetabilischen Ge-
schlechstheile, die ohne äuſsere Veranlassungen ein-
treten, ganz ähnlich. Bey manchen Pflanzen er-
folgen auch die Bewegungen der Staubfäden bald
freywillig, bald nur nach äuſsern Reitzungen c).
Der innere Grund beyder muſs also von einerley
Art seyn. Bey den freywilligen Bewegungen ist
dieser ohne Zweifel der nehmliche, von welchem
das Wachsthum der Pflanze überhaupt abhängt.
Sind also etwa die Erscheinungen der Reitzbarkeit
Wirkungen derselben Ursache, die das Wachsthum
hervorbringt? Wir wollen diese Vermuthung nicht
auſser Acht lassen, doch, ehe wir sie verfolgen,
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/228>, abgerufen am 21.11.2024.
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