auch der Name Anima vegetativa, der jener Kraft von ältern Physiologen beygelegt wurde, keine ganz unpassende Benennung.
Es ist also unläugbar, dass die Ernährung der festen Theile so wenig, als die Abscheidung der flüssigen. Resultate der Gestalt und Mischung des zu ernährenden Organs oder des secernirenden Eingeweides sind. Das Organ ist Schranke, nicht aber Ursache der Thätigkeit des Bildungstriebs; dasselbe begränzt die Wirkungen des letztern auf eine gewisse Sphäre, und macht die Fortdauer jener Wirkungen in dieser Sphäre möglich.
Die fortwährende Richtung der Thätigkeit des Bildungstriebs auf die Erhaltung eines bestimmten Ganzen macht einen Charakter des individuellen Lebens aus. Jenes Ganze ist ein Organismus, der den veränderlichen Einflüssen der äussern Welt beständig ausgesetzt ist, und dessen Materie eben sowohl als jede unorganische von diesen Ein- wirkungen verändert wird. Das Bildungsprincip hingegen wird von der Aussenwelt nicht erreicht. Eben darum aber bleibt dieses fortwährend für jenen Organismus in Thätigkeit, weil dessen Ma- terie unaufhörlich durch äussere Agentien zersetzt wird, und das Zerstörte in ihm beständig zu reproduciren ist. Diese Zersetzungen und Repro- duktionen erscheinen uns als eine Wechselthätig- keit zwischen einer dem lebenden Körper eige-
nen
auch der Name Anima vegetativa, der jener Kraft von ältern Physiologen beygelegt wurde, keine ganz unpassende Benennung.
Es ist also unläugbar, daſs die Ernährung der festen Theile so wenig, als die Abscheidung der flüssigen. Resultate der Gestalt und Mischung des zu ernährenden Organs oder des secernirenden Eingeweides sind. Das Organ ist Schranke, nicht aber Ursache der Thätigkeit des Bildungstriebs; dasselbe begränzt die Wirkungen des letztern auf eine gewisse Sphäre, und macht die Fortdauer jener Wirkungen in dieser Sphäre möglich.
Die fortwährende Richtung der Thätigkeit des Bildungstriebs auf die Erhaltung eines bestimmten Ganzen macht einen Charakter des individuellen Lebens aus. Jenes Ganze ist ein Organismus, der den veränderlichen Einflüssen der äussern Welt beständig ausgesetzt ist, und dessen Materie eben sowohl als jede unorganische von diesen Ein- wirkungen verändert wird. Das Bildungsprincip hingegen wird von der Aussenwelt nicht erreicht. Eben darum aber bleibt dieses fortwährend für jenen Organismus in Thätigkeit, weil dessen Ma- terie unaufhörlich durch äussere Agentien zersetzt wird, und das Zerstörte in ihm beständig zu reproduciren ist. Diese Zersetzungen und Repro- duktionen erscheinen uns als eine Wechselthätig- keit zwischen einer dem lebenden Körper eige-
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auch der Name Anima vegetativa, der jener
Kraft von ältern Physiologen beygelegt wurde,
keine ganz unpassende Benennung.
Es ist also unläugbar, daſs die Ernährung der
festen Theile so wenig, als die Abscheidung der
flüssigen. Resultate der Gestalt und Mischung des
zu ernährenden Organs oder des secernirenden
Eingeweides sind. Das Organ ist Schranke, nicht
aber Ursache der Thätigkeit des Bildungstriebs;
dasselbe begränzt die Wirkungen des letztern auf
eine gewisse Sphäre, und macht die Fortdauer
jener Wirkungen in dieser Sphäre möglich.
Die fortwährende Richtung der Thätigkeit des
Bildungstriebs auf die Erhaltung eines bestimmten
Ganzen macht einen Charakter des individuellen
Lebens aus. Jenes Ganze ist ein Organismus, der
den veränderlichen Einflüssen der äussern Welt
beständig ausgesetzt ist, und dessen Materie eben
sowohl als jede unorganische von diesen Ein-
wirkungen verändert wird. Das Bildungsprincip
hingegen wird von der Aussenwelt nicht erreicht.
Eben darum aber bleibt dieses fortwährend für
jenen Organismus in Thätigkeit, weil dessen Ma-
terie unaufhörlich durch äussere Agentien zersetzt
wird, und das Zerstörte in ihm beständig zu
reproduciren ist. Diese Zersetzungen und Repro-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/646>, abgerufen am 22.11.2024.
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