Untersuchungen fort, unbekümmert, ob der Ge- gensatz zwischen dem Lebendigen und dem Leb- losen wahr oder nur scheinbar sey. Wir ahm- ten dem Astronomen nach, der in seiner Wis- senschaft von Erscheinungen ausgeht, ungewiss, ob diese Phänomene nicht Täuschungen sind, aber überzeugt, dass diese Täuschungen auf ewigen Gesetzen beruhen, und dass er bey standhafter Verfolgung dieser Gesetze endlich die Wahrheit erreichen wird. Unsere obige Vermu- thung erhielt in der That auch durch die Un- tersuchungen, die wir im vorigen Buche über den Ursprung des Lebens anstellten, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, indem sich dort zeigte, dass Leben ein Attribut nicht blos einzel- ner Organismen der Erde, sondern der Erde sel- ber ist (l). Hieraus aber scheint ein Einwurf gegen die im zweyten Kapitel der Einleitung (m) aufgestellten Fundamentalsätze der Biologie zu fliessen, der erst gehoben werden muss, ehe wir auf diesen Lehren weiter bauen dürfen. Alle jene Sätze nehmlich beruhen auf dem Gegensatze des Lebendigen und des Leblosen. Hört die- ser Gegensatz auf, so ist jenen Sätzen ihre Stütze entzogen. Was lässt sich hierauf er- wiedern?
Ich
(l) Biol. Bd. 3. S. 37 ff.
(m) Biol. Bd. 1. S. 16 ff.
Untersuchungen fort, unbekümmert, ob der Ge- gensatz zwischen dem Lebendigen und dem Leb- losen wahr oder nur scheinbar sey. Wir ahm- ten dem Astronomen nach, der in seiner Wis- senschaft von Erscheinungen ausgeht, ungewiſs, ob diese Phänomene nicht Täuschungen sind, aber überzeugt, daſs diese Täuschungen auf ewigen Gesetzen beruhen, und daſs er bey standhafter Verfolgung dieser Gesetze endlich die Wahrheit erreichen wird. Unsere obige Vermu- thung erhielt in der That auch durch die Un- tersuchungen, die wir im vorigen Buche über den Ursprung des Lebens anstellten, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, indem sich dort zeigte, daſs Leben ein Attribut nicht blos einzel- ner Organismen der Erde, sondern der Erde sel- ber ist (l). Hieraus aber scheint ein Einwurf gegen die im zweyten Kapitel der Einleitung (m) aufgestellten Fundamentalsätze der Biologie zu flieſsen, der erst gehoben werden muſs, ehe wir auf diesen Lehren weiter bauen dürfen. Alle jene Sätze nehmlich beruhen auf dem Gegensatze des Lebendigen und des Leblosen. Hört die- ser Gegensatz auf, so ist jenen Sätzen ihre Stütze entzogen. Was läſst sich hierauf er- wiedern?
Ich
(l) Biol. Bd. 3. S. 37 ff.
(m) Biol. Bd. 1. S. 16 ff.
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Untersuchungen fort, unbekümmert, ob der Ge-
gensatz zwischen dem Lebendigen und dem Leb-
losen wahr oder nur scheinbar sey. Wir ahm-
ten dem Astronomen nach, der in seiner Wis-
senschaft von Erscheinungen ausgeht, ungewiſs,
ob diese Phänomene nicht Täuschungen sind,
aber überzeugt, daſs diese Täuschungen auf
ewigen Gesetzen beruhen, und daſs er bey
standhafter Verfolgung dieser Gesetze endlich die
Wahrheit erreichen wird. Unsere obige Vermu-
thung erhielt in der That auch durch die Un-
tersuchungen, die wir im vorigen Buche über
den Ursprung des Lebens anstellten, einen hohen
Grad von Wahrscheinlichkeit, indem sich dort
zeigte, daſs Leben ein Attribut nicht blos einzel-
ner Organismen der Erde, sondern der Erde sel-
ber ist (l). Hieraus aber scheint ein Einwurf
gegen die im zweyten Kapitel der Einleitung (m)
aufgestellten Fundamentalsätze der Biologie zu
flieſsen, der erst gehoben werden muſs, ehe wir
auf diesen Lehren weiter bauen dürfen. Alle
jene Sätze nehmlich beruhen auf dem Gegensatze
des Lebendigen und des Leblosen. Hört die-
ser Gegensatz auf, so ist jenen Sätzen ihre
Stütze entzogen. Was läſst sich hierauf er-
wiedern?
Ich
(l) Biol. Bd. 3. S. 37 ff.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/560>, abgerufen am 22.11.2024.
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