selbst herrschenden verhält? Wir liessen diese Fragen bisher unberührt, um nicht das Gewisse mit dem Ungewissen zu vermengen. Die Leh- ren nehmlich, die in den vorhergehenden §§ ent- halten sind, beruhen unmittelbar auf Erfahrun- gen, und haben daher einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Auch sind sie wahrschein- lich, weil sie mit den beyden Sätzen der Natur- philosophie, die wir im 1ten § aufgestellt ha- ben, völlig übereinstimmen. Wir werden, so sagten wir dort, die lebende Natur für ein Gan- zes ansehen, das in beständigen Umwandlungen von jeher begriffen war, noch begriffen ist, und stets begriffen seyn wird; wir werden aber auch zweytens in diesen Verwandlungen einen festen, gesetzmässigen Gang annehmen. Diesen Sätzen ganz gemäss ist die Schilderung, die wir in dem gegenwärtigen Buche von der lebenden Natur entworfen haben. Sie erscheint uns als ein ewig sich verwandelnder, aber bey allen diesen Ver- änderungen zu einer gewissen Stufe der Ent- wickelung regelmässig fortschreitender Organis- mus. Einen gleichen Grad von Gewissheit kön- nen wir aber nicht bey der Beantwortung der vorhin aufgeworfenen Fragen zu erreichen hof- fen, indem diese mit Problemen in Verbindung steht, bey deren Auflösung uns die Erfahrung gänzlich verlässt. Indess lasst uns auch hierbey unsere Kräfte versuchen! Vorher aber wird es
nöthig
selbst herrschenden verhält? Wir liessen diese Fragen bisher unberührt, um nicht das Gewisse mit dem Ungewissen zu vermengen. Die Leh- ren nehmlich, die in den vorhergehenden §§ ent- halten sind, beruhen unmittelbar auf Erfahrun- gen, und haben daher einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Auch sind sie wahrschein- lich, weil sie mit den beyden Sätzen der Natur- philosophie, die wir im 1ten § aufgestellt ha- ben, völlig übereinstimmen. Wir werden, so sagten wir dort, die lebende Natur für ein Gan- zes ansehen, das in beständigen Umwandlungen von jeher begriffen war, noch begriffen ist, und stets begriffen seyn wird; wir werden aber auch zweytens in diesen Verwandlungen einen festen, gesetzmäſsigen Gang annehmen. Diesen Sätzen ganz gemäſs ist die Schilderung, die wir in dem gegenwärtigen Buche von der lebenden Natur entworfen haben. Sie erscheint uns als ein ewig sich verwandelnder, aber bey allen diesen Ver- änderungen zu einer gewissen Stufe der Ent- wickelung regelmäſsig fortschreitender Organis- mus. Einen gleichen Grad von Gewiſsheit kön- nen wir aber nicht bey der Beantwortung der vorhin aufgeworfenen Fragen zu erreichen hof- fen, indem diese mit Problemen in Verbindung steht, bey deren Auflösung uns die Erfahrung gänzlich verläſst. Indeſs laſst uns auch hierbey unsere Kräfte versuchen! Vorher aber wird es
nöthig
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selbst herrschenden verhält? Wir liessen diese
Fragen bisher unberührt, um nicht das Gewisse
mit dem Ungewissen zu vermengen. Die Leh-
ren nehmlich, die in den vorhergehenden §§ ent-
halten sind, beruhen unmittelbar auf Erfahrun-
gen, und haben daher einen hohen Grad von
Wahrscheinlichkeit. Auch sind sie wahrschein-
lich, weil sie mit den beyden Sätzen der Natur-
philosophie, die wir im 1ten § aufgestellt ha-
ben, völlig übereinstimmen. Wir werden, so
sagten wir dort, die lebende Natur für ein Gan-
zes ansehen, das in beständigen Umwandlungen
von jeher begriffen war, noch begriffen ist, und
stets begriffen seyn wird; wir werden aber auch
zweytens in diesen Verwandlungen einen festen,
gesetzmäſsigen Gang annehmen. Diesen Sätzen
ganz gemäſs ist die Schilderung, die wir in dem
gegenwärtigen Buche von der lebenden Natur
entworfen haben. Sie erscheint uns als ein ewig
sich verwandelnder, aber bey allen diesen Ver-
änderungen zu einer gewissen Stufe der Ent-
wickelung regelmäſsig fortschreitender Organis-
mus. Einen gleichen Grad von Gewiſsheit kön-
nen wir aber nicht bey der Beantwortung der
vorhin aufgeworfenen Fragen zu erreichen hof-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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