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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803.

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wird fragen: Ob der Boden, ob andere ponderable
Stoffe mehr als blosse Abarten hervorzubringen
vermögen? Ob die specifiquen Charaktere der Gat-
tungen nicht mit der physischen Verbreitung der-
selben in engerer Verbindung stehen müssten, als
in der That der Fall ist, wenn sie Produkte jener
Stoffe wären? Durch den im 4ten § des gegen-
wärtigen Kapitels bewiesenen Satz, dass zwischen
allen lebenden Körpern eine dynamische Wechsel-
wirkung statt findet, sind wir indess in den Stand
gesetzt, diesen Einwurf befriedigend zu beantwor-
ten. Hat jener Satz seine Richtigkeit, so folgt,
dass jene Körper vermöge dieser Wechselwirkung
einen einzigen dynamischen Organismus ausma-
chen; es folgt zweytens, dass mit der vollendeten
Organisation der ganzen lebenden Natur auch die
Organisation jedes lebenden Individuum's bestimmt
ist; es folgt ferner, dass in der letztern keine wesent-
liche Abweichung von der ursprünglichen Norm ein-
treten kann, so lange die erstere unverändert bleibt.
Es folgt aber auch, dass damals, als die Organisa-
tion des Ganzen noch im Werden begriffen war,
die des Einzelnen ganz abhängig von Einflüssen
gewesen seyn kann, welche jetzt nur noch blosse
Varietäten, nicht mehr Gattungen, hervorzubrin-
gen vermögen. Es folgt endlich, dass die Gewalt
solcher Einflüsse über einen lebenden Körper desto
geringer seyn muss, je grösser, und desto grösser,
je geringer die Zahl seiner Berührungspunkte mit

der

wird fragen: Ob der Boden, ob andere ponderable
Stoffe mehr als bloſse Abarten hervorzubringen
vermögen? Ob die specifiquen Charaktere der Gat-
tungen nicht mit der physischen Verbreitung der-
selben in engerer Verbindung stehen müſsten, als
in der That der Fall ist, wenn sie Produkte jener
Stoffe wären? Durch den im 4ten § des gegen-
wärtigen Kapitels bewiesenen Satz, daſs zwischen
allen lebenden Körpern eine dynamische Wechsel-
wirkung statt findet, sind wir indeſs in den Stand
gesetzt, diesen Einwurf befriedigend zu beantwor-
ten. Hat jener Satz seine Richtigkeit, so folgt,
daſs jene Körper vermöge dieser Wechselwirkung
einen einzigen dynamischen Organismus ausma-
chen; es folgt zweytens, daſs mit der vollendeten
Organisation der ganzen lebenden Natur auch die
Organisation jedes lebenden Individuum’s bestimmt
ist; es folgt ferner, daſs in der letztern keine wesent-
liche Abweichung von der ursprünglichen Norm ein-
treten kann, so lange die erstere unverändert bleibt.
Es folgt aber auch, daſs damals, als die Organisa-
tion des Ganzen noch im Werden begriffen war,
die des Einzelnen ganz abhängig von Einflüssen
gewesen seyn kann, welche jetzt nur noch bloſse
Varietäten, nicht mehr Gattungen, hervorzubrin-
gen vermögen. Es folgt endlich, daſs die Gewalt
solcher Einflüsse über einen lebenden Körper desto
geringer seyn muſs, je gröſser, und desto gröſser,
je geringer die Zahl seiner Berührungspunkte mit

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[495/0505] wird fragen: Ob der Boden, ob andere ponderable Stoffe mehr als bloſse Abarten hervorzubringen vermögen? Ob die specifiquen Charaktere der Gat- tungen nicht mit der physischen Verbreitung der- selben in engerer Verbindung stehen müſsten, als in der That der Fall ist, wenn sie Produkte jener Stoffe wären? Durch den im 4ten § des gegen- wärtigen Kapitels bewiesenen Satz, daſs zwischen allen lebenden Körpern eine dynamische Wechsel- wirkung statt findet, sind wir indeſs in den Stand gesetzt, diesen Einwurf befriedigend zu beantwor- ten. Hat jener Satz seine Richtigkeit, so folgt, daſs jene Körper vermöge dieser Wechselwirkung einen einzigen dynamischen Organismus ausma- chen; es folgt zweytens, daſs mit der vollendeten Organisation der ganzen lebenden Natur auch die Organisation jedes lebenden Individuum’s bestimmt ist; es folgt ferner, daſs in der letztern keine wesent- liche Abweichung von der ursprünglichen Norm ein- treten kann, so lange die erstere unverändert bleibt. Es folgt aber auch, daſs damals, als die Organisa- tion des Ganzen noch im Werden begriffen war, die des Einzelnen ganz abhängig von Einflüssen gewesen seyn kann, welche jetzt nur noch bloſse Varietäten, nicht mehr Gattungen, hervorzubrin- gen vermögen. Es folgt endlich, daſs die Gewalt solcher Einflüsse über einen lebenden Körper desto geringer seyn muſs, je gröſser, und desto gröſser, je geringer die Zahl seiner Berührungspunkte mit der

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie02_1803/505>, abgerufen am 24.04.2024.