Laufe dieses Gestirns folgen, hingegen das Thier den Glanz der Sonne fliehen, und sich vor ihm in der Tiefe der Gewässer, in Höhlen und im Dickicht der Wälder verbergen. Wir beobachten allenthal- ben, wo die Stärke des Lichts geschwächt, oder die Dauer desselben vermindert ist, die Wärme aber sich unverändert auf einem gewissen mittlern Grade erhält, eine Tendenz zur Bildung animali- scher Formen. Alles, was sich im Schoosse der Erde ohne Mitwirkung des Lichts erzeugt, besteht entweder aus wirklichen Thieren, oder aus Pilzen und Flechten, also aus Mittelkörpern zwischen der animalischen und vegetabilischen Organisation. Zoophyten und Thiere sind fast die einzigen Kör- per, die den Boden der Gewässer beleben. Nur sehr wenige wahre Pflanzen wach[se]n in Flüssen und tiefern Landseen und fast keine im Meere, und alle diese Gewächse tragen, so lange sie un- ter dem Wasser vegetiren, an ihren schmalen, zerschnittenen Blättern und an ihrer bleichen Far- be das Gepräge des Minimum der vegetabilischen Organisation, und verliehren dieses erst, wenn sie über die Fläche des Wassers sich erhoben haben und den ungeschwächten Einfluss der Sonnenstrah- len geniessen können.
Auch die geographische Vertheilung der Zoo- phyten beweiset unsern Satz. Bey diesen findet von den Polarkreisen an bis zum Aequator eine stu-
fen-
Bd. II.Ee
Laufe dieses Gestirns folgen, hingegen das Thier den Glanz der Sonne fliehen, und sich vor ihm in der Tiefe der Gewässer, in Höhlen und im Dickicht der Wälder verbergen. Wir beobachten allenthal- ben, wo die Stärke des Lichts geschwächt, oder die Dauer desselben vermindert ist, die Wärme aber sich unverändert auf einem gewissen mittlern Grade erhält, eine Tendenz zur Bildung animali- scher Formen. Alles, was sich im Schooſse der Erde ohne Mitwirkung des Lichts erzeugt, besteht entweder aus wirklichen Thieren, oder aus Pilzen und Flechten, also aus Mittelkörpern zwischen der animalischen und vegetabilischen Organisation. Zoophyten und Thiere sind fast die einzigen Kör- per, die den Boden der Gewässer beleben. Nur sehr wenige wahre Pflanzen wach[se]n in Flüssen und tiefern Landseen und fast keine im Meere, und alle diese Gewächse tragen, so lange sie un- ter dem Wasser vegetiren, an ihren schmalen, zerschnittenen Blättern und an ihrer bleichen Far- be das Gepräge des Minimum der vegetabilischen Organisation, und verliehren dieses erst, wenn sie über die Fläche des Wassers sich erhoben haben und den ungeschwächten Einfluſs der Sonnenstrah- len genieſsen können.
Auch die geographische Vertheilung der Zoo- phyten beweiset unsern Satz. Bey diesen findet von den Polarkreisen an bis zum Aequator eine stu-
fen-
Bd. II.Ee
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0443"n="433"/>
Laufe dieses Gestirns folgen, hingegen das Thier<lb/>
den Glanz der Sonne fliehen, und sich vor ihm in<lb/>
der Tiefe der Gewässer, in Höhlen und im Dickicht<lb/>
der Wälder verbergen. Wir beobachten allenthal-<lb/>
ben, wo die Stärke des Lichts geschwächt, oder<lb/>
die Dauer desselben vermindert ist, die Wärme<lb/>
aber sich unverändert auf einem gewissen mittlern<lb/>
Grade erhält, eine Tendenz zur Bildung animali-<lb/>
scher Formen. Alles, was sich im Schooſse der<lb/>
Erde ohne Mitwirkung des Lichts erzeugt, besteht<lb/>
entweder aus wirklichen Thieren, oder aus Pilzen<lb/>
und Flechten, also aus Mittelkörpern zwischen der<lb/>
animalischen und vegetabilischen Organisation.<lb/>
Zoophyten und Thiere sind fast die einzigen Kör-<lb/>
per, die den Boden der Gewässer beleben. Nur<lb/>
sehr wenige wahre Pflanzen wach<supplied>se</supplied>n in Flüssen<lb/>
und tiefern Landseen und fast keine im Meere,<lb/>
und alle diese Gewächse tragen, so lange sie un-<lb/>
ter dem Wasser vegetiren, an ihren schmalen,<lb/>
zerschnittenen Blättern und an ihrer bleichen Far-<lb/>
be das Gepräge des Minimum der vegetabilischen<lb/>
Organisation, und verliehren dieses erst, wenn sie<lb/>
über die Fläche des Wassers sich erhoben haben<lb/>
und den ungeschwächten Einfluſs der Sonnenstrah-<lb/>
len genieſsen können.</p><lb/><p>Auch die geographische Vertheilung der Zoo-<lb/>
phyten beweiset unsern Satz. Bey diesen findet<lb/>
von den Polarkreisen an bis zum Aequator eine stu-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">Bd. II.</hi><hirendition="#g">Ee</hi></fw><fwplace="bottom"type="catch">fen-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[433/0443]
Laufe dieses Gestirns folgen, hingegen das Thier
den Glanz der Sonne fliehen, und sich vor ihm in
der Tiefe der Gewässer, in Höhlen und im Dickicht
der Wälder verbergen. Wir beobachten allenthal-
ben, wo die Stärke des Lichts geschwächt, oder
die Dauer desselben vermindert ist, die Wärme
aber sich unverändert auf einem gewissen mittlern
Grade erhält, eine Tendenz zur Bildung animali-
scher Formen. Alles, was sich im Schooſse der
Erde ohne Mitwirkung des Lichts erzeugt, besteht
entweder aus wirklichen Thieren, oder aus Pilzen
und Flechten, also aus Mittelkörpern zwischen der
animalischen und vegetabilischen Organisation.
Zoophyten und Thiere sind fast die einzigen Kör-
per, die den Boden der Gewässer beleben. Nur
sehr wenige wahre Pflanzen wachsen in Flüssen
und tiefern Landseen und fast keine im Meere,
und alle diese Gewächse tragen, so lange sie un-
ter dem Wasser vegetiren, an ihren schmalen,
zerschnittenen Blättern und an ihrer bleichen Far-
be das Gepräge des Minimum der vegetabilischen
Organisation, und verliehren dieses erst, wenn sie
über die Fläche des Wassers sich erhoben haben
und den ungeschwächten Einfluſs der Sonnenstrah-
len genieſsen können.
Auch die geographische Vertheilung der Zoo-
phyten beweiset unsern Satz. Bey diesen findet
von den Polarkreisen an bis zum Aequator eine stu-
fen-
Bd. II. Ee
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie02_1803/443>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.