seinem eigenen Organismus auszugehen. Er muss also von dem zusammengesetztern auf das Einfa- chere schliessen, und kann nicht, wie er eigentlich sollte, den entgegengesetzten Weg einschlagen. Daher modelt er alle lebende Wesen nach sich sel- ber, und bringt Einförmigkeit, statt Einfachheit in die Natur.
Hier ist wieder eine von den vielen Klippen, die uns bey unsern Untersuchungen aufstossen, und zwar eine Klippe, die sich nur umgehen, nicht wegräumen lässt! Es ist nichts damit gewonnen, von dem Einfachsten zu dem Zusammengesetzte- sten in der Biologie fortzugehen: denn jenes hat nur Sinn für uns durch das letztere. Unser Vortrag wird auf diesem Wege nur dem Scheine nach den Regeln der Naturforschung anpassend. Blos da- durch lassen sich die Täuschungen vermeiden, wo- zu uns die Schlüsse, die wir von uns selbst auf die übrige lebende Natur zu machen gezwungen sind, verleiten können, dass wir diese nur als Probleme betrachten, die noch erst durch entscheidende Er- fahrungen gelöset werden müssen, und auf keinem derselben weiter bauen, so lange solche Erfahrun- gen noch nicht vorhanden sind.
Wir werden daher in diesem Abschnitte bey der Classifikation der Thiere den Menschen zum Muster nehmen, und von ihm zu den einfachsten
Thie-
seinem eigenen Organismus auszugehen. Er muſs also von dem zusammengesetztern auf das Einfa- chere schliessen, und kann nicht, wie er eigentlich sollte, den entgegengesetzten Weg einschlagen. Daher modelt er alle lebende Wesen nach sich sel- ber, und bringt Einförmigkeit, statt Einfachheit in die Natur.
Hier ist wieder eine von den vielen Klippen, die uns bey unsern Untersuchungen aufstoſsen, und zwar eine Klippe, die sich nur umgehen, nicht wegräumen läſst! Es ist nichts damit gewonnen, von dem Einfachsten zu dem Zusammengesetzte- sten in der Biologie fortzugehen: denn jenes hat nur Sinn für uns durch das letztere. Unser Vortrag wird auf diesem Wege nur dem Scheine nach den Regeln der Naturforschung anpassend. Blos da- durch lassen sich die Täuschungen vermeiden, wo- zu uns die Schlüsse, die wir von uns selbst auf die übrige lebende Natur zu machen gezwungen sind, verleiten können, daſs wir diese nur als Probleme betrachten, die noch erst durch entscheidende Er- fahrungen gelöset werden müssen, und auf keinem derselben weiter bauen, so lange solche Erfahrun- gen noch nicht vorhanden sind.
Wir werden daher in diesem Abschnitte bey der Classifikation der Thiere den Menschen zum Muster nehmen, und von ihm zu den einfachsten
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seinem eigenen Organismus auszugehen. Er muſs
also von dem zusammengesetztern auf das Einfa-
chere schliessen, und kann nicht, wie er eigentlich
sollte, den entgegengesetzten Weg einschlagen.
Daher modelt er alle lebende Wesen nach sich sel-
ber, und bringt Einförmigkeit, statt Einfachheit
in die Natur.
Hier ist wieder eine von den vielen Klippen,
die uns bey unsern Untersuchungen aufstoſsen, und
zwar eine Klippe, die sich nur umgehen, nicht
wegräumen läſst! Es ist nichts damit gewonnen,
von dem Einfachsten zu dem Zusammengesetzte-
sten in der Biologie fortzugehen: denn jenes hat
nur Sinn für uns durch das letztere. Unser Vortrag
wird auf diesem Wege nur dem Scheine nach den
Regeln der Naturforschung anpassend. Blos da-
durch lassen sich die Täuschungen vermeiden, wo-
zu uns die Schlüsse, die wir von uns selbst auf die
übrige lebende Natur zu machen gezwungen sind,
verleiten können, daſs wir diese nur als Probleme
betrachten, die noch erst durch entscheidende Er-
fahrungen gelöset werden müssen, und auf keinem
derselben weiter bauen, so lange solche Erfahrun-
gen noch nicht vorhanden sind.
Wir werden daher in diesem Abschnitte bey
der Classifikation der Thiere den Menschen zum
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/196>, abgerufen am 04.12.2024.
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