kation nach einem einzelnen Theile giebt also eine einseitige Verwandtschaftstafel, oder ein sogenanntes künstliches System, das blos für den Naturalien- sammler nicht aber für den Biologen passt. Dieser sieht auf die Aehnlichkeit oder Verschiedenheit der gesammten Organisation, und setzt Körper, die in den meisten Organen harmoniren, in einerley Classe, ohne auf die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit eines einzelnen Theils ängstlich Rücksicht zu nehmen.
Inzwischen, wenn auch ein künstliches System dem Zwecke des Biologen nicht angemessen ist, so ist es ihm doch in subjektiver Hinsicht erlaubt, ein solches so viel wie möglich zu Hülfe zu nehmen, und von einem einzelnen Theile, der bey einer ge- wissen Classe von lebenden Körpern unter allen die meiste Beständigkeit zeigt, den Hauptcharakter die- ser Classe herzuleiten. Aber er zerreisst, was die Natur an einander geknüpft hat, wenn er diesem Charakter allgemeine Gültigkeit verschaffen will, und er sucht ein Ding, das nirgends vorhanden ist, wenn er diesen Zweck erreichen will, ohne sich je- nes Fehlers schuldig zu machen.
Zwar giebt es Schriftsteller, die das Vorhanden- seyn solcher allgemein gültiger Charaktere zu be- weisen sich unterfangen haben. "Wie die Natur," sagen diese (c), "ein Ganzes, ein System ist; wie
"nur
(c)Wiedemann's Archiv für Zoologie u. Zootomie. B. 2. St. 1. S. 138.
kation nach einem einzelnen Theile giebt also eine einseitige Verwandtschaftstafel, oder ein sogenanntes künstliches System, das blos für den Naturalien- sammler nicht aber für den Biologen paſst. Dieser sieht auf die Aehnlichkeit oder Verschiedenheit der gesammten Organisation, und setzt Körper, die in den meisten Organen harmoniren, in einerley Classe, ohne auf die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit eines einzelnen Theils ängstlich Rücksicht zu nehmen.
Inzwischen, wenn auch ein künstliches System dem Zwecke des Biologen nicht angemessen ist, so ist es ihm doch in subjektiver Hinsicht erlaubt, ein solches so viel wie möglich zu Hülfe zu nehmen, und von einem einzelnen Theile, der bey einer ge- wissen Classe von lebenden Körpern unter allen die meiste Beständigkeit zeigt, den Hauptcharakter die- ser Classe herzuleiten. Aber er zerreiſst, was die Natur an einander geknüpft hat, wenn er diesem Charakter allgemeine Gültigkeit verschaffen will, und er sucht ein Ding, das nirgends vorhanden ist, wenn er diesen Zweck erreichen will, ohne sich je- nes Fehlers schuldig zu machen.
Zwar giebt es Schriftsteller, die das Vorhanden- seyn solcher allgemein gültiger Charaktere zu be- weisen sich unterfangen haben. “Wie die Natur,” sagen diese (c), “ein Ganzes, ein System ist; wie
„nur
(c)Wiedemann’s Archiv für Zoologie u. Zootomie. B. 2. St. 1. S. 138.
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kation nach einem einzelnen Theile giebt also eine
einseitige Verwandtschaftstafel, oder ein sogenanntes
künstliches System, das blos für den Naturalien-
sammler nicht aber für den Biologen paſst. Dieser
sieht auf die Aehnlichkeit oder Verschiedenheit der
gesammten Organisation, und setzt Körper, die in
den meisten Organen harmoniren, in einerley Classe,
ohne auf die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit eines
einzelnen Theils ängstlich Rücksicht zu nehmen.
Inzwischen, wenn auch ein künstliches System
dem Zwecke des Biologen nicht angemessen ist, so
ist es ihm doch in subjektiver Hinsicht erlaubt, ein
solches so viel wie möglich zu Hülfe zu nehmen,
und von einem einzelnen Theile, der bey einer ge-
wissen Classe von lebenden Körpern unter allen die
meiste Beständigkeit zeigt, den Hauptcharakter die-
ser Classe herzuleiten. Aber er zerreiſst, was die
Natur an einander geknüpft hat, wenn er diesem
Charakter allgemeine Gültigkeit verschaffen will,
und er sucht ein Ding, das nirgends vorhanden ist,
wenn er diesen Zweck erreichen will, ohne sich je-
nes Fehlers schuldig zu machen.
Zwar giebt es Schriftsteller, die das Vorhanden-
seyn solcher allgemein gültiger Charaktere zu be-
weisen sich unterfangen haben. “Wie die Natur,”
sagen diese (c), “ein Ganzes, ein System ist; wie
„nur
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/182>, abgerufen am 04.12.2024.
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