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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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Gewande der Meinungen suchen, immerhin
dieses Buch nur gleich wieder bey Seite legen;
für sie wurde es nicht geschrieben. Aber für
die, die mit dem Verfasser glauben, dass nur
der Geist, den wir der Erfahrung einhauchen,
der Erfahrung Werth giebt, sey Folgendes
gesagt.

Der Verfasser wird, wie gesagt, der Theo-
rien und Meinungen in diesem Werke manche
aufstellen. Aber er ist weit von dem Dünkel
jener entfernt, die ihre Träume und Visionen
für Wirklichkeiten halten, und ihren Behaup-
tungen eine Dauer, wie den Sätzen der Eukli-
des und Archimedes, zutrauen. Er glaubt,
dass kein menschlicher Verstand die Subtilität
der Natur in irgend einem Stücke erreichen
kann, dass alles, was Sterbliche über die Na-
tur dachten, denken, und denken werden, ver-
schwinden muss, wie der Schnee an den Strah-
len der Frühlingssonne, so wie jene immer
mehr von ihrem Innern offenbaren wird, und
er zweifelte nie, dass auch seiner Gedanken
dasselbe Schicksal warte. Aber er hoffte den-
noch, seinem Werke einen Werth geben zu
können, der es auf einige Zeit vor dem Unter-

gange

Gewande der Meinungen suchen, immerhin
dieses Buch nur gleich wieder bey Seite legen;
für sie wurde es nicht geschrieben. Aber für
die, die mit dem Verfasser glauben, daſs nur
der Geist, den wir der Erfahrung einhauchen,
der Erfahrung Werth giebt, sey Folgendes
gesagt.

Der Verfasser wird, wie gesagt, der Theo-
rien und Meinungen in diesem Werke manche
aufstellen. Aber er ist weit von dem Dünkel
jener entfernt, die ihre Träume und Visionen
für Wirklichkeiten halten, und ihren Behaup-
tungen eine Dauer, wie den Sätzen der Eukli-
des und Archimedes, zutrauen. Er glaubt,
daſs kein menschlicher Verstand die Subtilität
der Natur in irgend einem Stücke erreichen
kann, daſs alles, was Sterbliche über die Na-
tur dachten, denken, und denken werden, ver-
schwinden muſs, wie der Schnee an den Strah-
len der Frühlingssonne, so wie jene immer
mehr von ihrem Innern offenbaren wird, und
er zweifelte nie, daſs auch seiner Gedanken
dasselbe Schicksal warte. Aber er hoffte den-
noch, seinem Werke einen Werth geben zu
können, der es auf einige Zeit vor dem Unter-

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[VIII/0014] Gewande der Meinungen suchen, immerhin dieses Buch nur gleich wieder bey Seite legen; für sie wurde es nicht geschrieben. Aber für die, die mit dem Verfasser glauben, daſs nur der Geist, den wir der Erfahrung einhauchen, der Erfahrung Werth giebt, sey Folgendes gesagt. Der Verfasser wird, wie gesagt, der Theo- rien und Meinungen in diesem Werke manche aufstellen. Aber er ist weit von dem Dünkel jener entfernt, die ihre Träume und Visionen für Wirklichkeiten halten, und ihren Behaup- tungen eine Dauer, wie den Sätzen der Eukli- des und Archimedes, zutrauen. Er glaubt, daſs kein menschlicher Verstand die Subtilität der Natur in irgend einem Stücke erreichen kann, daſs alles, was Sterbliche über die Na- tur dachten, denken, und denken werden, ver- schwinden muſs, wie der Schnee an den Strah- len der Frühlingssonne, so wie jene immer mehr von ihrem Innern offenbaren wird, und er zweifelte nie, daſs auch seiner Gedanken dasselbe Schicksal warte. Aber er hoffte den- noch, seinem Werke einen Werth geben zu können, der es auf einige Zeit vor dem Unter- gange

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/14>, abgerufen am 27.04.2024.