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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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reitzten den Wetteifer der Naturforscher. Je-
der sahe jetzt die Aufstellung einer fehler-
freyern Ordnung, als die seiner Vorgänger
waren, für die höchste Stufe in seiner Wis-
senschaft an; jeder schuf jetzt eine neue, und
verwarf alle ältere. Dies dauerte fort, bis
Linne mit einer Classifikation der Naturpro-
dukte auftrat, die den Forderungen Aller gröss-
tentheils ein Genüge leistete, und die Keiner
ganz zu verdrängen sich getrauen durfte. Von
seiner Zeit an richtete sich alles auf die Aus-
feilung und Erweiterung dieses Systems. Je-
der suchte von nun an das Nehmliche für ein-
zelne Theile der Natur zu leisten, was Linne
für das Ganze gethan hatte. So entstanden
neue Systeme einzelner Zweige der Thier-
und Kräuterkunde in zahlloser Menge, und
zahllose Beschreibungen neuer Geschlechter
und Arten, und dieses Drängen und Treiben
um einerley Punkt währt bis auf den heutigen
Tag, und wird fortwähren, bis die Frage ge-
nugsam beherzigt seyn wird, was der eigent-
liche Zweck dieses Drängens und Treibens
seyn soll, und ob das Alles der Menschheit
wahrhaft frommen könne.

Zwar

reitzten den Wetteifer der Naturforscher. Je-
der sahe jetzt die Aufstellung einer fehler-
freyern Ordnung, als die seiner Vorgänger
waren, für die höchste Stufe in seiner Wis-
senschaft an; jeder schuf jetzt eine neue, und
verwarf alle ältere. Dies dauerte fort, bis
Linné mit einer Classifikation der Naturpro-
dukte auftrat, die den Forderungen Aller gröſs-
tentheils ein Genüge leistete, und die Keiner
ganz zu verdrängen sich getrauen durfte. Von
seiner Zeit an richtete sich alles auf die Aus-
feilung und Erweiterung dieses Systems. Je-
der suchte von nun an das Nehmliche für ein-
zelne Theile der Natur zu leisten, was Linné
für das Ganze gethan hatte. So entstanden
neue Systeme einzelner Zweige der Thier-
und Kräuterkunde in zahlloser Menge, und
zahllose Beschreibungen neuer Geschlechter
und Arten, und dieses Drängen und Treiben
um einerley Punkt währt bis auf den heutigen
Tag, und wird fortwähren, bis die Frage ge-
nugsam beherzigt seyn wird, was der eigent-
liche Zweck dieses Drängens und Treibens
seyn soll, und ob das Alles der Menschheit
wahrhaft frommen könne.

Zwar
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[IV/0010] reitzten den Wetteifer der Naturforscher. Je- der sahe jetzt die Aufstellung einer fehler- freyern Ordnung, als die seiner Vorgänger waren, für die höchste Stufe in seiner Wis- senschaft an; jeder schuf jetzt eine neue, und verwarf alle ältere. Dies dauerte fort, bis Linné mit einer Classifikation der Naturpro- dukte auftrat, die den Forderungen Aller gröſs- tentheils ein Genüge leistete, und die Keiner ganz zu verdrängen sich getrauen durfte. Von seiner Zeit an richtete sich alles auf die Aus- feilung und Erweiterung dieses Systems. Je- der suchte von nun an das Nehmliche für ein- zelne Theile der Natur zu leisten, was Linné für das Ganze gethan hatte. So entstanden neue Systeme einzelner Zweige der Thier- und Kräuterkunde in zahlloser Menge, und zahllose Beschreibungen neuer Geschlechter und Arten, und dieses Drängen und Treiben um einerley Punkt währt bis auf den heutigen Tag, und wird fortwähren, bis die Frage ge- nugsam beherzigt seyn wird, was der eigent- liche Zweck dieses Drängens und Treibens seyn soll, und ob das Alles der Menschheit wahrhaft frommen könne. Zwar

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/10>, abgerufen am 29.03.2024.