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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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XXXIV. Der Prinz von Preußen und die Verfassungspläne.
daß dessen Monarch durch constitutionelle Institutionen in seinem freien Bewegen be-
hindert werde. Aber auch alle Institutionen, die den constitutionellen sich nähern oder
in diese überzugehen drohen, sind daher für Preußen nicht annehmbar." Um dieser Gefahr
vorzubeugen und zugleich die Verheißungen der Jahre 1820--23 zu erfüllen, hält der
Prinz für nöthig, daß die gesetzgeberische Thätigkeit der Stände und die Berathung der
Finanzfragen streng von einander getrennt und verschiedenen ständischen Körperschaften
zugewiesen werden. Der Allgemeine Landtag soll mithin ausschließlich über den Staats-
haushalt, die Vereinigten Ausschüsse ebenso ausschließlich über die Entwürfe neuer Gesetze
berathen. Werden also "die Attributionen scharf auseinandergehalten", dann kann die
Berathung der Steuervorlagen nicht zum Erzwingen neuer Gesetze mißbraucht werden
oder umgekehrt. Demnach sollen bestehen: eine reichsständische Versammlung, aus etwa
150 Abgeordneten der Provinzialstände gebildet, mit der Befugniß, über neue Steuern
und Anleihen zu berathen; ferner die bisherigen Vereinigten Ausschüsse mit dem Rechte
der Gesetzesberathung, das weiterer Ausdehnung fähig ist und doch unschädlich bleibt, "da
die gefährliche Geldfrage ihnen entzogen ist"; endlich als Fundament der ständischen
Verfassung die Provinziallandtage.

Dann erörtert die Denkschrift noch, wie es in Kriegszeiten mit den Anleihen zu
halten sei. Diese Frage erschien bekanntlich den Räthen des Königs sehr schwierig. Der
Prinz fand sie ganz einfach, weil er seine Preußen kannte. Er meinte: bei einem be-
vorstehenden Kriege kann man allerdings, des nothwendigen Geheimnisses wegen, die
Reichsstände nicht um eine Anleihe angehen; für diesen Fall genügen der Staatsschatz und
Revirements mit den großen Geldinstituten des Staates. "Wird aber im Laufe des
Krieges eine Anleihe nothwendig, so hat es nicht das geringste Bedenken, die Reichsstände
zu berufen." In Friedenszeiten dürfen Anleihen nur im äußersten Nothfall abgeschlossen
werden, so daß Jeder die Nothwendigkeit einsieht und die Schande auf den Verneinenden
fällt. Kostspielige große Unternehmungen, wie die Eisenbahnen, überlasse man den Pri-
vaten. Unverbrüchlich hält die Denkschrift daran fest, daß der verstorbene König jederzeit
nur berathende Stände in Aussicht gestellt hatte. Sie schließt mit den Worten: "Alle
Berathungen aller drei ständischen Versammlungen sind durchaus consultativ, von
einem Bewilligungsrecht irgend einer Art darf nie die Rede sein."

Dem Wunsche des Bruders willfahrend ließ der König diese Denkschrift durch die
Immediatcommission begutachten (Decbr. 1845). Ihre Mitglieder, voran Thile, Sa-
vigny, Uhden, Canitz, sprachen sich gegen den Thronfolger aus: denn die Vereinigung
aller Provinziallandtage sei durch Se. Majestät bereits beschlossen, und ein beschränktes
Steuerbewilligungsrecht lasse sich den Ständen nicht versagen, wenn sie die Bürgschaft
für Anleihen übernehmen sollten.

Im Frühjahr 1846 wurde der Prinz endlich von Amtswegen zur Mitwirkung be-
rufen. Der König verordnete, daß die Immediatcommission mit sämmtlichen Staats-
ministern zu gemeinsamen Sitzungen zusammentreten solle, um die Entwürfe endlich
abzuschließen. Als Vorsitzender des Staatsministeriums hatte der Prinz diese Verhand-
lungen zu leiten. Sogleich zum Beginn, am 11. März, stellte er die Frage, ob eine
ständische Centralversammlung nothwendig sei, und gestand aufrichtig, er selber habe sich
von diesem Bedürfniß noch nicht ganz überzeugt. Nachdem sodann alle Anwesenden aus-
führlich ihre Meinung begründet hatten, sprach er am Schlusse dieser entscheidenden Sitzung
ebenso offen aus: nunmehr werde er die Frage bejahen. Hierauf ward mit allen gegen
zwei Stimmen beschlossen, daß eine reichsständische Versammlung berufen werden solle.
Die späteren Verhandlungen zogen sich sehr in die Länge. Der Prinz blieb fast mit
allen seinen Anträgen in der Minderheit; die übrigen Mitglieder hielten jetzt jeden Wider-
spruch für aussichtslos, obgleich die meisten im Stillen schwere Bedenken hegten. Am
17. December 1846 war die Berathung nahezu abgeschlossen, und der Prinz zeigte an,
daß er seinem königlichen Bruder ein Sondergutachten einreichen werde.

Noch am selben Tage beendete er eine neue Denkschrift für den König. Er hob

XXXIV. Der Prinz von Preußen und die Verfaſſungspläne.
daß deſſen Monarch durch conſtitutionelle Inſtitutionen in ſeinem freien Bewegen be-
hindert werde. Aber auch alle Inſtitutionen, die den conſtitutionellen ſich nähern oder
in dieſe überzugehen drohen, ſind daher für Preußen nicht annehmbar.“ Um dieſer Gefahr
vorzubeugen und zugleich die Verheißungen der Jahre 1820—23 zu erfüllen, hält der
Prinz für nöthig, daß die geſetzgeberiſche Thätigkeit der Stände und die Berathung der
Finanzfragen ſtreng von einander getrennt und verſchiedenen ſtändiſchen Körperſchaften
zugewieſen werden. Der Allgemeine Landtag ſoll mithin ausſchließlich über den Staats-
haushalt, die Vereinigten Ausſchüſſe ebenſo ausſchließlich über die Entwürfe neuer Geſetze
berathen. Werden alſo „die Attributionen ſcharf auseinandergehalten“, dann kann die
Berathung der Steuervorlagen nicht zum Erzwingen neuer Geſetze mißbraucht werden
oder umgekehrt. Demnach ſollen beſtehen: eine reichsſtändiſche Verſammlung, aus etwa
150 Abgeordneten der Provinzialſtände gebildet, mit der Befugniß, über neue Steuern
und Anleihen zu berathen; ferner die bisherigen Vereinigten Ausſchüſſe mit dem Rechte
der Geſetzesberathung, das weiterer Ausdehnung fähig iſt und doch unſchädlich bleibt, „da
die gefährliche Geldfrage ihnen entzogen iſt“; endlich als Fundament der ſtändiſchen
Verfaſſung die Provinziallandtage.

Dann erörtert die Denkſchrift noch, wie es in Kriegszeiten mit den Anleihen zu
halten ſei. Dieſe Frage erſchien bekanntlich den Räthen des Königs ſehr ſchwierig. Der
Prinz fand ſie ganz einfach, weil er ſeine Preußen kannte. Er meinte: bei einem be-
vorſtehenden Kriege kann man allerdings, des nothwendigen Geheimniſſes wegen, die
Reichsſtände nicht um eine Anleihe angehen; für dieſen Fall genügen der Staatsſchatz und
Revirements mit den großen Geldinſtituten des Staates. „Wird aber im Laufe des
Krieges eine Anleihe nothwendig, ſo hat es nicht das geringſte Bedenken, die Reichsſtände
zu berufen.“ In Friedenszeiten dürfen Anleihen nur im äußerſten Nothfall abgeſchloſſen
werden, ſo daß Jeder die Nothwendigkeit einſieht und die Schande auf den Verneinenden
fällt. Koſtſpielige große Unternehmungen, wie die Eiſenbahnen, überlaſſe man den Pri-
vaten. Unverbrüchlich hält die Denkſchrift daran feſt, daß der verſtorbene König jederzeit
nur berathende Stände in Ausſicht geſtellt hatte. Sie ſchließt mit den Worten: „Alle
Berathungen aller drei ſtändiſchen Verſammlungen ſind durchaus conſultativ, von
einem Bewilligungsrecht irgend einer Art darf nie die Rede ſein.“

Dem Wunſche des Bruders willfahrend ließ der König dieſe Denkſchrift durch die
Immediatcommiſſion begutachten (Decbr. 1845). Ihre Mitglieder, voran Thile, Sa-
vigny, Uhden, Canitz, ſprachen ſich gegen den Thronfolger aus: denn die Vereinigung
aller Provinziallandtage ſei durch Se. Majeſtät bereits beſchloſſen, und ein beſchränktes
Steuerbewilligungsrecht laſſe ſich den Ständen nicht verſagen, wenn ſie die Bürgſchaft
für Anleihen übernehmen ſollten.

Im Frühjahr 1846 wurde der Prinz endlich von Amtswegen zur Mitwirkung be-
rufen. Der König verordnete, daß die Immediatcommiſſion mit ſämmtlichen Staats-
miniſtern zu gemeinſamen Sitzungen zuſammentreten ſolle, um die Entwürfe endlich
abzuſchließen. Als Vorſitzender des Staatsminiſteriums hatte der Prinz dieſe Verhand-
lungen zu leiten. Sogleich zum Beginn, am 11. März, ſtellte er die Frage, ob eine
ſtändiſche Centralverſammlung nothwendig ſei, und geſtand aufrichtig, er ſelber habe ſich
von dieſem Bedürfniß noch nicht ganz überzeugt. Nachdem ſodann alle Anweſenden aus-
führlich ihre Meinung begründet hatten, ſprach er am Schluſſe dieſer entſcheidenden Sitzung
ebenſo offen aus: nunmehr werde er die Frage bejahen. Hierauf ward mit allen gegen
zwei Stimmen beſchloſſen, daß eine reichsſtändiſche Verſammlung berufen werden ſolle.
Die ſpäteren Verhandlungen zogen ſich ſehr in die Länge. Der Prinz blieb faſt mit
allen ſeinen Anträgen in der Minderheit; die übrigen Mitglieder hielten jetzt jeden Wider-
ſpruch für ausſichtslos, obgleich die meiſten im Stillen ſchwere Bedenken hegten. Am
17. December 1846 war die Berathung nahezu abgeſchloſſen, und der Prinz zeigte an,
daß er ſeinem königlichen Bruder ein Sondergutachten einreichen werde.

Noch am ſelben Tage beendete er eine neue Denkſchrift für den König. Er hob

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[770/0784] XXXIV. Der Prinz von Preußen und die Verfaſſungspläne. daß deſſen Monarch durch conſtitutionelle Inſtitutionen in ſeinem freien Bewegen be- hindert werde. Aber auch alle Inſtitutionen, die den conſtitutionellen ſich nähern oder in dieſe überzugehen drohen, ſind daher für Preußen nicht annehmbar.“ Um dieſer Gefahr vorzubeugen und zugleich die Verheißungen der Jahre 1820—23 zu erfüllen, hält der Prinz für nöthig, daß die geſetzgeberiſche Thätigkeit der Stände und die Berathung der Finanzfragen ſtreng von einander getrennt und verſchiedenen ſtändiſchen Körperſchaften zugewieſen werden. Der Allgemeine Landtag ſoll mithin ausſchließlich über den Staats- haushalt, die Vereinigten Ausſchüſſe ebenſo ausſchließlich über die Entwürfe neuer Geſetze berathen. Werden alſo „die Attributionen ſcharf auseinandergehalten“, dann kann die Berathung der Steuervorlagen nicht zum Erzwingen neuer Geſetze mißbraucht werden oder umgekehrt. Demnach ſollen beſtehen: eine reichsſtändiſche Verſammlung, aus etwa 150 Abgeordneten der Provinzialſtände gebildet, mit der Befugniß, über neue Steuern und Anleihen zu berathen; ferner die bisherigen Vereinigten Ausſchüſſe mit dem Rechte der Geſetzesberathung, das weiterer Ausdehnung fähig iſt und doch unſchädlich bleibt, „da die gefährliche Geldfrage ihnen entzogen iſt“; endlich als Fundament der ſtändiſchen Verfaſſung die Provinziallandtage. Dann erörtert die Denkſchrift noch, wie es in Kriegszeiten mit den Anleihen zu halten ſei. Dieſe Frage erſchien bekanntlich den Räthen des Königs ſehr ſchwierig. Der Prinz fand ſie ganz einfach, weil er ſeine Preußen kannte. Er meinte: bei einem be- vorſtehenden Kriege kann man allerdings, des nothwendigen Geheimniſſes wegen, die Reichsſtände nicht um eine Anleihe angehen; für dieſen Fall genügen der Staatsſchatz und Revirements mit den großen Geldinſtituten des Staates. „Wird aber im Laufe des Krieges eine Anleihe nothwendig, ſo hat es nicht das geringſte Bedenken, die Reichsſtände zu berufen.“ In Friedenszeiten dürfen Anleihen nur im äußerſten Nothfall abgeſchloſſen werden, ſo daß Jeder die Nothwendigkeit einſieht und die Schande auf den Verneinenden fällt. Koſtſpielige große Unternehmungen, wie die Eiſenbahnen, überlaſſe man den Pri- vaten. Unverbrüchlich hält die Denkſchrift daran feſt, daß der verſtorbene König jederzeit nur berathende Stände in Ausſicht geſtellt hatte. Sie ſchließt mit den Worten: „Alle Berathungen aller drei ſtändiſchen Verſammlungen ſind durchaus conſultativ, von einem Bewilligungsrecht irgend einer Art darf nie die Rede ſein.“ Dem Wunſche des Bruders willfahrend ließ der König dieſe Denkſchrift durch die Immediatcommiſſion begutachten (Decbr. 1845). Ihre Mitglieder, voran Thile, Sa- vigny, Uhden, Canitz, ſprachen ſich gegen den Thronfolger aus: denn die Vereinigung aller Provinziallandtage ſei durch Se. Majeſtät bereits beſchloſſen, und ein beſchränktes Steuerbewilligungsrecht laſſe ſich den Ständen nicht verſagen, wenn ſie die Bürgſchaft für Anleihen übernehmen ſollten. Im Frühjahr 1846 wurde der Prinz endlich von Amtswegen zur Mitwirkung be- rufen. Der König verordnete, daß die Immediatcommiſſion mit ſämmtlichen Staats- miniſtern zu gemeinſamen Sitzungen zuſammentreten ſolle, um die Entwürfe endlich abzuſchließen. Als Vorſitzender des Staatsminiſteriums hatte der Prinz dieſe Verhand- lungen zu leiten. Sogleich zum Beginn, am 11. März, ſtellte er die Frage, ob eine ſtändiſche Centralverſammlung nothwendig ſei, und geſtand aufrichtig, er ſelber habe ſich von dieſem Bedürfniß noch nicht ganz überzeugt. Nachdem ſodann alle Anweſenden aus- führlich ihre Meinung begründet hatten, ſprach er am Schluſſe dieſer entſcheidenden Sitzung ebenſo offen aus: nunmehr werde er die Frage bejahen. Hierauf ward mit allen gegen zwei Stimmen beſchloſſen, daß eine reichsſtändiſche Verſammlung berufen werden ſolle. Die ſpäteren Verhandlungen zogen ſich ſehr in die Länge. Der Prinz blieb faſt mit allen ſeinen Anträgen in der Minderheit; die übrigen Mitglieder hielten jetzt jeden Wider- ſpruch für ausſichtslos, obgleich die meiſten im Stillen ſchwere Bedenken hegten. Am 17. December 1846 war die Berathung nahezu abgeſchloſſen, und der Prinz zeigte an, daß er ſeinem königlichen Bruder ein Sondergutachten einreichen werde. Noch am ſelben Tage beendete er eine neue Denkſchrift für den König. Er hob

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/784>, abgerufen am 28.03.2024.