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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Bundeswappen. Spielbanken.
schrift: "Eintracht tragt ein"; alsbald erwies sich aber, wie wenig dieser
sinnige Wahlspruch zutraf. Die Reihenfolge der Wappenschilder war ja seit
Langem streitig, und die Einstimmigkeit, die für einen solchen "organischen
Beschluß" verlangt wurde, mithin ganz undenkbar. So mußte man denn
auf den Doppeladler zurückkommen, der in den Jahrhunderten des Ver-
falles dem alten Reiche als Wappen gedient hatte. Der bairische Bundes-
gesandte Obercamp aber meinte: "der Adler war nie ein Zeichen deutscher
Nationalität, sondern ein dem Heidenthum entstammendes Symbol römi-
scher Imperatorenwürde und Weltherrschaft." Nach langen Verhandlungen
gab Baiern endlich nach. Der Adler durfte jedoch weder Krone noch
Scepter noch Schwert tragen, das hätte die Souveränität der Bundes-
staaten zu schwer beeinträchtigt; und König Friedrich Wilhelm ließ dem
Bundestage durch seinen Gesandten sagen: "auf den Schutzwällen des
Bundes würde der entwaffnete Reichsadler den Franzosen zu vieler Kurz-
weil Veranlassung geben; ich sei wahrhaft glücklich daran unschuldig zu
sein."*) Als Preußen sich sodann erbot, die 1450 Mann, welche Waldeck
und die beiden Lippe zur Kriegsbesatzung von Luxemburg zu senden hatten,
selber zu stellen und dafür die drei Heere in die Festungen Wesel und
Minden aufzunehmen, wo sie viel sicherer waren, auch durch ihre Un-
zucht weniger Schaden anrichten konnten, da erklärten die drei Fürsten
übereinstimmend: dieser Vorschlag sei "unangemessen", denn in Luxem-
burg ständen ihre Truppen unter einem Bundesgeneral -- der freilich
auch ein Preuße war -- in Wesel und Minden dagegen "zur Disposition
eines Nachbarstaats".**)

Noch tiefer fühlten sich die Kleinen beleidigt, als König Friedrich
Wilhelm sich bereit erklärte, die einzige preußische Spielbank, die Aachener
aufzuheben und vom Bundestage für die Zukunft ein Verbot aller öffent-
lichen Spielbanken verlangte. In allen den Badeorten der Frankfurter
Umgegend blühten die Spielhöllen; die vornehmen Gauner Europas
gaben sich hier ein Stelldichein, der Pariser Boulevardier rechnete Hom-
bourg
und Bade-Bade einfach zu Frankreich, und die östlichen Nachbarn
spotteten nicht mit Unrecht, in diesen Spielbädern könne man die viel-
gerühmte deutsche Sittlichkeit kennen lernen. Das Unwesen wurzelte sehr
tief. Die Spielpächter Benazet in Baden und Blanc in Homburg zählten
mit Rothschild, Cotta und Taxis zu den mächtigen Kaufhäusern, welche
sich in der Eschenheimer Gasse besonderer Gunst erfreuten, sie waren mit
Blittersdorff und anderen Bundesgenossen nahe befreundet, den kleinen
Landesvätern brachten sie erkleckliche Einnahmen und von den Bewohnern
der Badestädte wurden sie als Wohlthäter der ganzen Umgegend wie
Heilige verehrt. Der Gesandte Graf Dönhoff mußte also bald erfahren, in

*) Dönhoff's Bericht, 7. Mai; Gise, Weisung an die Gesandtschaft in Berlin,
5. Juni 1846.
**) Dönhoff's Bericht, 3. April 1847.

Bundeswappen. Spielbanken.
ſchrift: „Eintracht tragt ein“; alsbald erwies ſich aber, wie wenig dieſer
ſinnige Wahlſpruch zutraf. Die Reihenfolge der Wappenſchilder war ja ſeit
Langem ſtreitig, und die Einſtimmigkeit, die für einen ſolchen „organiſchen
Beſchluß“ verlangt wurde, mithin ganz undenkbar. So mußte man denn
auf den Doppeladler zurückkommen, der in den Jahrhunderten des Ver-
falles dem alten Reiche als Wappen gedient hatte. Der bairiſche Bundes-
geſandte Obercamp aber meinte: „der Adler war nie ein Zeichen deutſcher
Nationalität, ſondern ein dem Heidenthum entſtammendes Symbol römi-
ſcher Imperatorenwürde und Weltherrſchaft.“ Nach langen Verhandlungen
gab Baiern endlich nach. Der Adler durfte jedoch weder Krone noch
Scepter noch Schwert tragen, das hätte die Souveränität der Bundes-
ſtaaten zu ſchwer beeinträchtigt; und König Friedrich Wilhelm ließ dem
Bundestage durch ſeinen Geſandten ſagen: „auf den Schutzwällen des
Bundes würde der entwaffnete Reichsadler den Franzoſen zu vieler Kurz-
weil Veranlaſſung geben; ich ſei wahrhaft glücklich daran unſchuldig zu
ſein.“*) Als Preußen ſich ſodann erbot, die 1450 Mann, welche Waldeck
und die beiden Lippe zur Kriegsbeſatzung von Luxemburg zu ſenden hatten,
ſelber zu ſtellen und dafür die drei Heere in die Feſtungen Weſel und
Minden aufzunehmen, wo ſie viel ſicherer waren, auch durch ihre Un-
zucht weniger Schaden anrichten konnten, da erklärten die drei Fürſten
übereinſtimmend: dieſer Vorſchlag ſei „unangemeſſen“, denn in Luxem-
burg ſtänden ihre Truppen unter einem Bundesgeneral — der freilich
auch ein Preuße war — in Weſel und Minden dagegen „zur Dispoſition
eines Nachbarſtaats“.**)

Noch tiefer fühlten ſich die Kleinen beleidigt, als König Friedrich
Wilhelm ſich bereit erklärte, die einzige preußiſche Spielbank, die Aachener
aufzuheben und vom Bundestage für die Zukunft ein Verbot aller öffent-
lichen Spielbanken verlangte. In allen den Badeorten der Frankfurter
Umgegend blühten die Spielhöllen; die vornehmen Gauner Europas
gaben ſich hier ein Stelldichein, der Pariſer Boulevardier rechnete Hom-
bourg
und Bade-Bade einfach zu Frankreich, und die öſtlichen Nachbarn
ſpotteten nicht mit Unrecht, in dieſen Spielbädern könne man die viel-
gerühmte deutſche Sittlichkeit kennen lernen. Das Unweſen wurzelte ſehr
tief. Die Spielpächter Benazet in Baden und Blanc in Homburg zählten
mit Rothſchild, Cotta und Taxis zu den mächtigen Kaufhäuſern, welche
ſich in der Eſchenheimer Gaſſe beſonderer Gunſt erfreuten, ſie waren mit
Blittersdorff und anderen Bundesgenoſſen nahe befreundet, den kleinen
Landesvätern brachten ſie erkleckliche Einnahmen und von den Bewohnern
der Badeſtädte wurden ſie als Wohlthäter der ganzen Umgegend wie
Heilige verehrt. Der Geſandte Graf Dönhoff mußte alſo bald erfahren, in

*) Dönhoff’s Bericht, 7. Mai; Giſe, Weiſung an die Geſandtſchaft in Berlin,
5. Juni 1846.
**) Dönhoff’s Bericht, 3. April 1847.
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[685/0699] Bundeswappen. Spielbanken. ſchrift: „Eintracht tragt ein“; alsbald erwies ſich aber, wie wenig dieſer ſinnige Wahlſpruch zutraf. Die Reihenfolge der Wappenſchilder war ja ſeit Langem ſtreitig, und die Einſtimmigkeit, die für einen ſolchen „organiſchen Beſchluß“ verlangt wurde, mithin ganz undenkbar. So mußte man denn auf den Doppeladler zurückkommen, der in den Jahrhunderten des Ver- falles dem alten Reiche als Wappen gedient hatte. Der bairiſche Bundes- geſandte Obercamp aber meinte: „der Adler war nie ein Zeichen deutſcher Nationalität, ſondern ein dem Heidenthum entſtammendes Symbol römi- ſcher Imperatorenwürde und Weltherrſchaft.“ Nach langen Verhandlungen gab Baiern endlich nach. Der Adler durfte jedoch weder Krone noch Scepter noch Schwert tragen, das hätte die Souveränität der Bundes- ſtaaten zu ſchwer beeinträchtigt; und König Friedrich Wilhelm ließ dem Bundestage durch ſeinen Geſandten ſagen: „auf den Schutzwällen des Bundes würde der entwaffnete Reichsadler den Franzoſen zu vieler Kurz- weil Veranlaſſung geben; ich ſei wahrhaft glücklich daran unſchuldig zu ſein.“ *) Als Preußen ſich ſodann erbot, die 1450 Mann, welche Waldeck und die beiden Lippe zur Kriegsbeſatzung von Luxemburg zu ſenden hatten, ſelber zu ſtellen und dafür die drei Heere in die Feſtungen Weſel und Minden aufzunehmen, wo ſie viel ſicherer waren, auch durch ihre Un- zucht weniger Schaden anrichten konnten, da erklärten die drei Fürſten übereinſtimmend: dieſer Vorſchlag ſei „unangemeſſen“, denn in Luxem- burg ſtänden ihre Truppen unter einem Bundesgeneral — der freilich auch ein Preuße war — in Weſel und Minden dagegen „zur Dispoſition eines Nachbarſtaats“. **) Noch tiefer fühlten ſich die Kleinen beleidigt, als König Friedrich Wilhelm ſich bereit erklärte, die einzige preußiſche Spielbank, die Aachener aufzuheben und vom Bundestage für die Zukunft ein Verbot aller öffent- lichen Spielbanken verlangte. In allen den Badeorten der Frankfurter Umgegend blühten die Spielhöllen; die vornehmen Gauner Europas gaben ſich hier ein Stelldichein, der Pariſer Boulevardier rechnete Hom- bourg und Bade-Bade einfach zu Frankreich, und die öſtlichen Nachbarn ſpotteten nicht mit Unrecht, in dieſen Spielbädern könne man die viel- gerühmte deutſche Sittlichkeit kennen lernen. Das Unweſen wurzelte ſehr tief. Die Spielpächter Benazet in Baden und Blanc in Homburg zählten mit Rothſchild, Cotta und Taxis zu den mächtigen Kaufhäuſern, welche ſich in der Eſchenheimer Gaſſe beſonderer Gunſt erfreuten, ſie waren mit Blittersdorff und anderen Bundesgenoſſen nahe befreundet, den kleinen Landesvätern brachten ſie erkleckliche Einnahmen und von den Bewohnern der Badeſtädte wurden ſie als Wohlthäter der ganzen Umgegend wie Heilige verehrt. Der Geſandte Graf Dönhoff mußte alſo bald erfahren, in *) Dönhoff’s Bericht, 7. Mai; Giſe, Weiſung an die Geſandtſchaft in Berlin, 5. Juni 1846. **) Dönhoff’s Bericht, 3. April 1847.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/699>, abgerufen am 22.11.2024.