unvergeßlichen Augenblicks hielt noch mehrere Tage hindurch an, bis zum Ende der prächtigen, überaus geschmackvollen Festlichkeiten.
Was diese treuen Royalisten in Berlin erregte war trotz der Ver- schiedenheit der politischen Gesinnung im Grunde doch nur derselbe Drang nach großen Worten und großen Empfindungen, der einst die Volks- redner des Hambacher Festes beseelt hatte. Die lyrische Stimmung der goldenen Tage unserer Dichtung war noch immer nicht verflogen. Die Berliner wie vordem die Hambacher Festgenossen wollten, nach einer stillen, allzu nüchternen Zeit, ihrem starken patriotischen Gefühle einmal Luft machen. Wie die staatlosen Pfälzer sich nach einem Vaterlande irgendwo in den Wolken sehnten, so freuten sich die Preußen ihres glorreichen, waffengewaltigen Staates. Und wie einst in Hambach die treuherzige Begeisterung des deutschen Gemüths durch radikale Zuchtlosigkeit getrübt wurde, so ward jetzt in Berlin durch die mächtige Aufwallung wahr- haftiger Königstreue auch der ekle Bodensatz jener Bedientengesinnung emporgewirbelt, welche selbst in edlen Monarchien niemals völlig fehlt und bei Thronwechseln sich in ihrer ganzen Niedertracht zu zeigen pflegt. Manche der Festredner und Huldigungsdichter wußten gar kein Maß zu halten in ihren schmeichlerischen Lobsprüchen für einen König, dessen Thaten alle noch der Zukunft angehörten. Salbungsvolle Theologen priesen den Chrysostomus auf dem Throne, und Ludwig Tieck sang gar:
Was sind Triumpheszüge Der Caesarn, aller der Imperatoren, In römischer Tyrannenzeit geboren ... Ja selbst des Heldenjünglings stolzer Siegeszug ... Der bis zum fernen Ganges seine Waffen trug? -- Darf man sie wohl vergleichen Mit unsers Fürsten Zug durch seine Gauen, Wo Lieb' ihm und Vertrauen In Feld und Wald und Stadt in allen Reichen Entgegentrat, und Freudenthrän' ihm glänzte, Und stark und männlich groß er sich bekränzte, Statt Lorbeer mit dem Laub der vaterländ'schen Eichen?
Das Buch "der Preußen Huldigungsfest", worin der alte Geheimerath Streckfuß die Festlichkeiten der beiden Hauptstädte und der Provinzen schilderte, konnte von freien Männern nur mit gemischten Gefühlen be- trachtet werden; es war der Unterthänigkeit gar zu viel in allen diesen Kundgebungen preußischer Treue, und der wackere Verfasser selbst verfiel zuweilen in einen byzantinischen Ton, den sich unter dem nüchternen, jeder Schmeichelei unzugänglichen alten Könige Niemand erlaubt hatte.
Immerhin mußte Jedermann beim Lesen dieser Festberichte empfin- den, wie stark und volksbeliebt Preußens Krone dastand. Graf Maltzan meldete aus Wien immer wieder, Metternich könne das Gefühl einer Eifersucht, "welche eigentlich dem vergangenen Jahrhundert angehören sollte," nicht unterdrücken; vornehmlich beunruhigte den Staatskanzler die
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Huldigung in Berlin.
unvergeßlichen Augenblicks hielt noch mehrere Tage hindurch an, bis zum Ende der prächtigen, überaus geſchmackvollen Feſtlichkeiten.
Was dieſe treuen Royaliſten in Berlin erregte war trotz der Ver- ſchiedenheit der politiſchen Geſinnung im Grunde doch nur derſelbe Drang nach großen Worten und großen Empfindungen, der einſt die Volks- redner des Hambacher Feſtes beſeelt hatte. Die lyriſche Stimmung der goldenen Tage unſerer Dichtung war noch immer nicht verflogen. Die Berliner wie vordem die Hambacher Feſtgenoſſen wollten, nach einer ſtillen, allzu nüchternen Zeit, ihrem ſtarken patriotiſchen Gefühle einmal Luft machen. Wie die ſtaatloſen Pfälzer ſich nach einem Vaterlande irgendwo in den Wolken ſehnten, ſo freuten ſich die Preußen ihres glorreichen, waffengewaltigen Staates. Und wie einſt in Hambach die treuherzige Begeiſterung des deutſchen Gemüths durch radikale Zuchtloſigkeit getrübt wurde, ſo ward jetzt in Berlin durch die mächtige Aufwallung wahr- haftiger Königstreue auch der ekle Bodenſatz jener Bedientengeſinnung emporgewirbelt, welche ſelbſt in edlen Monarchien niemals völlig fehlt und bei Thronwechſeln ſich in ihrer ganzen Niedertracht zu zeigen pflegt. Manche der Feſtredner und Huldigungsdichter wußten gar kein Maß zu halten in ihren ſchmeichleriſchen Lobſprüchen für einen König, deſſen Thaten alle noch der Zukunft angehörten. Salbungsvolle Theologen prieſen den Chryſoſtomus auf dem Throne, und Ludwig Tieck ſang gar:
Was ſind Triumpheszüge Der Caeſarn, aller der Imperatoren, In römiſcher Tyrannenzeit geboren … Ja ſelbſt des Heldenjünglings ſtolzer Siegeszug … Der bis zum fernen Ganges ſeine Waffen trug? — Darf man ſie wohl vergleichen Mit unſers Fürſten Zug durch ſeine Gauen, Wo Lieb’ ihm und Vertrauen In Feld und Wald und Stadt in allen Reichen Entgegentrat, und Freudenthrän’ ihm glänzte, Und ſtark und männlich groß er ſich bekränzte, Statt Lorbeer mit dem Laub der vaterländ’ſchen Eichen?
Das Buch „der Preußen Huldigungsfeſt“, worin der alte Geheimerath Streckfuß die Feſtlichkeiten der beiden Hauptſtädte und der Provinzen ſchilderte, konnte von freien Männern nur mit gemiſchten Gefühlen be- trachtet werden; es war der Unterthänigkeit gar zu viel in allen dieſen Kundgebungen preußiſcher Treue, und der wackere Verfaſſer ſelbſt verfiel zuweilen in einen byzantiniſchen Ton, den ſich unter dem nüchternen, jeder Schmeichelei unzugänglichen alten Könige Niemand erlaubt hatte.
Immerhin mußte Jedermann beim Leſen dieſer Feſtberichte empfin- den, wie ſtark und volksbeliebt Preußens Krone daſtand. Graf Maltzan meldete aus Wien immer wieder, Metternich könne das Gefühl einer Eiferſucht, „welche eigentlich dem vergangenen Jahrhundert angehören ſollte,“ nicht unterdrücken; vornehmlich beunruhigte den Staatskanzler die
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Huldigung in Berlin.
unvergeßlichen Augenblicks hielt noch mehrere Tage hindurch an, bis zum
Ende der prächtigen, überaus geſchmackvollen Feſtlichkeiten.
Was dieſe treuen Royaliſten in Berlin erregte war trotz der Ver-
ſchiedenheit der politiſchen Geſinnung im Grunde doch nur derſelbe Drang
nach großen Worten und großen Empfindungen, der einſt die Volks-
redner des Hambacher Feſtes beſeelt hatte. Die lyriſche Stimmung der
goldenen Tage unſerer Dichtung war noch immer nicht verflogen. Die
Berliner wie vordem die Hambacher Feſtgenoſſen wollten, nach einer ſtillen,
allzu nüchternen Zeit, ihrem ſtarken patriotiſchen Gefühle einmal Luft
machen. Wie die ſtaatloſen Pfälzer ſich nach einem Vaterlande irgendwo
in den Wolken ſehnten, ſo freuten ſich die Preußen ihres glorreichen,
waffengewaltigen Staates. Und wie einſt in Hambach die treuherzige
Begeiſterung des deutſchen Gemüths durch radikale Zuchtloſigkeit getrübt
wurde, ſo ward jetzt in Berlin durch die mächtige Aufwallung wahr-
haftiger Königstreue auch der ekle Bodenſatz jener Bedientengeſinnung
emporgewirbelt, welche ſelbſt in edlen Monarchien niemals völlig fehlt
und bei Thronwechſeln ſich in ihrer ganzen Niedertracht zu zeigen pflegt.
Manche der Feſtredner und Huldigungsdichter wußten gar kein Maß zu
halten in ihren ſchmeichleriſchen Lobſprüchen für einen König, deſſen Thaten
alle noch der Zukunft angehörten. Salbungsvolle Theologen prieſen den
Chryſoſtomus auf dem Throne, und Ludwig Tieck ſang gar:
Was ſind Triumpheszüge
Der Caeſarn, aller der Imperatoren,
In römiſcher Tyrannenzeit geboren …
Ja ſelbſt des Heldenjünglings ſtolzer Siegeszug …
Der bis zum fernen Ganges ſeine Waffen trug?
— Darf man ſie wohl vergleichen
Mit unſers Fürſten Zug durch ſeine Gauen,
Wo Lieb’ ihm und Vertrauen
In Feld und Wald und Stadt in allen Reichen
Entgegentrat, und Freudenthrän’ ihm glänzte,
Und ſtark und männlich groß er ſich bekränzte,
Statt Lorbeer mit dem Laub der vaterländ’ſchen Eichen?
Das Buch „der Preußen Huldigungsfeſt“, worin der alte Geheimerath
Streckfuß die Feſtlichkeiten der beiden Hauptſtädte und der Provinzen
ſchilderte, konnte von freien Männern nur mit gemiſchten Gefühlen be-
trachtet werden; es war der Unterthänigkeit gar zu viel in allen dieſen
Kundgebungen preußiſcher Treue, und der wackere Verfaſſer ſelbſt verfiel
zuweilen in einen byzantiniſchen Ton, den ſich unter dem nüchternen,
jeder Schmeichelei unzugänglichen alten Könige Niemand erlaubt hatte.
Immerhin mußte Jedermann beim Leſen dieſer Feſtberichte empfin-
den, wie ſtark und volksbeliebt Preußens Krone daſtand. Graf Maltzan
meldete aus Wien immer wieder, Metternich könne das Gefühl einer
Eiferſucht, „welche eigentlich dem vergangenen Jahrhundert angehören
ſollte,“ nicht unterdrücken; vornehmlich beunruhigte den Staatskanzler die
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/65>, abgerufen am 23.11.2024.
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