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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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V. 7. Polen und Schleswigholstein.
hatten. Die Behörden verfuhren überall wachsam, fest und ohne unnütze
Härte, so daß der König nachher dem Oberpräsidenten Beurmann wohl-
verdienten Dank aussprach*), die Truppen blieben unverbrüchlich treu, bis
auf eine Handvoll Lieutenants und Unteroffiziere. Eine schon im Januar
eingesetzte Untersuchungs-Commission ließ zahlreiche Verhaftungen vor-
nehmen, und nachdem der Belagerungszustand verkündet war schien die
Provinz sich schnell zu beruhigen. Dem leichten, fast unblutigen Siege
entsprangen aber sofort neue Gefahren. Die Verschwörung war sehr weit
verbreitet, der Demokratische Verein zählte mindestens 3000 Mitglieder,
dazu in der Provinz noch eine Menge halbeingeweihter Genossen, und da
die Verräther die Schärfe der preußischen Waffen nicht ernstlich gefühlt
hatten, so glomm das Feuer unter der Asche fort. Auch im russischen
Polen wurden nur einige kleine Aufstandsversuche gewagt und alsbald
grausam niedergeschlagen.

Weit gewaltsamer verlief der Aufruhr in Galizien. Am 18. Febr.
rückte General Collin mit 1000 Mann Oesterreichern in Krakau ein, weil
die republikanischen Behörden selbst erklärt hatten, sie vermöchten sich nicht
zu vertheidigen. Als der Aufruhr drei Tage später wirklich ausbrach, da
verlor der kaiserliche General die Besinnung und räumte die Stadt, die
er mit einigem Muthe wohl halten konnte; mit ihm flohen auch die recht-
mäßige Regierung und die Residenten der drei Schutzmächte. Die elende
Republik gab sich selber auf, in ihrem Gebiete schaltete einige Tage lang
der Dictator Tyssowski mit seinen Banden. Der Dictator verkündete sofort
allen Polen in einem Manifeste: die Stunde der Empörung hat geschlagen,
und forderte alle auf, der nationalen Regierung der polnischen Republik un-
bedingten Gehorsam zu schwören. Krakau sollte den Mittelpunkt des wieder-
auferstehenden Polenreichs bilden. Da kamen die österreichischen Truppen
nochmals heran, diesmal in größerer Anzahl und verstärkt durch Bauern-
schaaren; bald wurden die Aufständischen geworfen. Oberst Benedek, der
Falke von der Weichsel legte in diesen Gefechten den Grund für seinen
militärischen Ruhm. Am 3. März war die Stadt wieder in den Händen
der Oesterreicher; alsbald ließen auch die beiden anderen Schutzmächte
Truppen einrücken, die letzten Flüchtlinge der aufständischen Schaaren er-
gaben sich den Preußen, eine von den drei Residenten beaufsichtigte Re-
gierung stellte die Ordnung her. In den benachbarten Strichen Galiziens
tobte unterdessen ein gräßlicher Bauernkrieg. Hier hatten sich die Agenten
der polnischen Revolution selber die Ruthe gebunden. Nicht umsonst war
den Bauern seit Jahren das Traumbild communistischer Glückseligkeit vor-
gespiegelt worden. Jetzt kochte die Wuth der mißhandelten Fröhner auf,
sie ergoß sich aber nicht gegen die kaiserlichen Behörden, die der Bauer
wenig kannte, sondern gegen die nächsten Bedrücker, die Grundherren und

*) Cabinetsordre an Beurmann, 8. Oct. 1846.

V. 7. Polen und Schleswigholſtein.
hatten. Die Behörden verfuhren überall wachſam, feſt und ohne unnütze
Härte, ſo daß der König nachher dem Oberpräſidenten Beurmann wohl-
verdienten Dank ausſprach*), die Truppen blieben unverbrüchlich treu, bis
auf eine Handvoll Lieutenants und Unteroffiziere. Eine ſchon im Januar
eingeſetzte Unterſuchungs-Commiſſion ließ zahlreiche Verhaftungen vor-
nehmen, und nachdem der Belagerungszuſtand verkündet war ſchien die
Provinz ſich ſchnell zu beruhigen. Dem leichten, faſt unblutigen Siege
entſprangen aber ſofort neue Gefahren. Die Verſchwörung war ſehr weit
verbreitet, der Demokratiſche Verein zählte mindeſtens 3000 Mitglieder,
dazu in der Provinz noch eine Menge halbeingeweihter Genoſſen, und da
die Verräther die Schärfe der preußiſchen Waffen nicht ernſtlich gefühlt
hatten, ſo glomm das Feuer unter der Aſche fort. Auch im ruſſiſchen
Polen wurden nur einige kleine Aufſtandsverſuche gewagt und alsbald
grauſam niedergeſchlagen.

Weit gewaltſamer verlief der Aufruhr in Galizien. Am 18. Febr.
rückte General Collin mit 1000 Mann Oeſterreichern in Krakau ein, weil
die republikaniſchen Behörden ſelbſt erklärt hatten, ſie vermöchten ſich nicht
zu vertheidigen. Als der Aufruhr drei Tage ſpäter wirklich ausbrach, da
verlor der kaiſerliche General die Beſinnung und räumte die Stadt, die
er mit einigem Muthe wohl halten konnte; mit ihm flohen auch die recht-
mäßige Regierung und die Reſidenten der drei Schutzmächte. Die elende
Republik gab ſich ſelber auf, in ihrem Gebiete ſchaltete einige Tage lang
der Dictator Tyſſowski mit ſeinen Banden. Der Dictator verkündete ſofort
allen Polen in einem Manifeſte: die Stunde der Empörung hat geſchlagen,
und forderte alle auf, der nationalen Regierung der polniſchen Republik un-
bedingten Gehorſam zu ſchwören. Krakau ſollte den Mittelpunkt des wieder-
auferſtehenden Polenreichs bilden. Da kamen die öſterreichiſchen Truppen
nochmals heran, diesmal in größerer Anzahl und verſtärkt durch Bauern-
ſchaaren; bald wurden die Aufſtändiſchen geworfen. Oberſt Benedek, der
Falke von der Weichſel legte in dieſen Gefechten den Grund für ſeinen
militäriſchen Ruhm. Am 3. März war die Stadt wieder in den Händen
der Oeſterreicher; alsbald ließen auch die beiden anderen Schutzmächte
Truppen einrücken, die letzten Flüchtlinge der aufſtändiſchen Schaaren er-
gaben ſich den Preußen, eine von den drei Reſidenten beaufſichtigte Re-
gierung ſtellte die Ordnung her. In den benachbarten Strichen Galiziens
tobte unterdeſſen ein gräßlicher Bauernkrieg. Hier hatten ſich die Agenten
der polniſchen Revolution ſelber die Ruthe gebunden. Nicht umſonſt war
den Bauern ſeit Jahren das Traumbild communiſtiſcher Glückſeligkeit vor-
geſpiegelt worden. Jetzt kochte die Wuth der mißhandelten Fröhner auf,
ſie ergoß ſich aber nicht gegen die kaiſerlichen Behörden, die der Bauer
wenig kannte, ſondern gegen die nächſten Bedrücker, die Grundherren und

*) Cabinetsordre an Beurmann, 8. Oct. 1846.
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[544/0558] V. 7. Polen und Schleswigholſtein. hatten. Die Behörden verfuhren überall wachſam, feſt und ohne unnütze Härte, ſo daß der König nachher dem Oberpräſidenten Beurmann wohl- verdienten Dank ausſprach *), die Truppen blieben unverbrüchlich treu, bis auf eine Handvoll Lieutenants und Unteroffiziere. Eine ſchon im Januar eingeſetzte Unterſuchungs-Commiſſion ließ zahlreiche Verhaftungen vor- nehmen, und nachdem der Belagerungszuſtand verkündet war ſchien die Provinz ſich ſchnell zu beruhigen. Dem leichten, faſt unblutigen Siege entſprangen aber ſofort neue Gefahren. Die Verſchwörung war ſehr weit verbreitet, der Demokratiſche Verein zählte mindeſtens 3000 Mitglieder, dazu in der Provinz noch eine Menge halbeingeweihter Genoſſen, und da die Verräther die Schärfe der preußiſchen Waffen nicht ernſtlich gefühlt hatten, ſo glomm das Feuer unter der Aſche fort. Auch im ruſſiſchen Polen wurden nur einige kleine Aufſtandsverſuche gewagt und alsbald grauſam niedergeſchlagen. Weit gewaltſamer verlief der Aufruhr in Galizien. Am 18. Febr. rückte General Collin mit 1000 Mann Oeſterreichern in Krakau ein, weil die republikaniſchen Behörden ſelbſt erklärt hatten, ſie vermöchten ſich nicht zu vertheidigen. Als der Aufruhr drei Tage ſpäter wirklich ausbrach, da verlor der kaiſerliche General die Beſinnung und räumte die Stadt, die er mit einigem Muthe wohl halten konnte; mit ihm flohen auch die recht- mäßige Regierung und die Reſidenten der drei Schutzmächte. Die elende Republik gab ſich ſelber auf, in ihrem Gebiete ſchaltete einige Tage lang der Dictator Tyſſowski mit ſeinen Banden. Der Dictator verkündete ſofort allen Polen in einem Manifeſte: die Stunde der Empörung hat geſchlagen, und forderte alle auf, der nationalen Regierung der polniſchen Republik un- bedingten Gehorſam zu ſchwören. Krakau ſollte den Mittelpunkt des wieder- auferſtehenden Polenreichs bilden. Da kamen die öſterreichiſchen Truppen nochmals heran, diesmal in größerer Anzahl und verſtärkt durch Bauern- ſchaaren; bald wurden die Aufſtändiſchen geworfen. Oberſt Benedek, der Falke von der Weichſel legte in dieſen Gefechten den Grund für ſeinen militäriſchen Ruhm. Am 3. März war die Stadt wieder in den Händen der Oeſterreicher; alsbald ließen auch die beiden anderen Schutzmächte Truppen einrücken, die letzten Flüchtlinge der aufſtändiſchen Schaaren er- gaben ſich den Preußen, eine von den drei Reſidenten beaufſichtigte Re- gierung ſtellte die Ordnung her. In den benachbarten Strichen Galiziens tobte unterdeſſen ein gräßlicher Bauernkrieg. Hier hatten ſich die Agenten der polniſchen Revolution ſelber die Ruthe gebunden. Nicht umſonſt war den Bauern ſeit Jahren das Traumbild communiſtiſcher Glückſeligkeit vor- geſpiegelt worden. Jetzt kochte die Wuth der mißhandelten Fröhner auf, ſie ergoß ſich aber nicht gegen die kaiſerlichen Behörden, die der Bauer wenig kannte, ſondern gegen die nächſten Bedrücker, die Grundherren und *) Cabinetsordre an Beurmann, 8. Oct. 1846.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/558>, abgerufen am 22.11.2024.