wußten alle Eingeweihten, daß der König auf das Urtheil dieses Mannes, soweit er überhaupt einer fremden Meinung zu folgen vermochte, sehr großen Werth legte. Schon als Kronprinz hatte er sich des Freiherrn angenommen, als dieser, unbekümmert um die Verbote der rationalisti- schen Stettiner Regierung, seinen hinterpommerschen Bauern gottselige Predigten hielt, und in hellem Zorne geschrieben: "das Betragen dieser Regierung ist wirklich so ungeheuer dumm, daß es zum Erbarmen ist."*) Senfft kannte die Eigenart Friedrich Wilhelm's ganz genau, er wußte seine vertraulichen Berichte und Gespräche stets der augenblicklichen Stim- mung des Monarchen anzupassen; er scheute sich auch nicht dem Könige, oft sehr unverblümt, zu sagen, was man im Volke über ihn redete. Also, bald aufrichtig, bald berechnend, gewann er mit seiner zähen stillen Ausdauer doch einigen Boden, und immer kam sein Rath den Hochcon- servativen zu gute. Durch seinen und Ludwig Gerlach's gemeinsamen Schwager v. Thadden-Trieglaff unterhielt er regen Verkehr mit einem Kreise altgläubiger hinterpommerscher Edelleute, der sich durch christlichen Wandel und edle Wohlthätigkeit ebenso sehr auszeichnete wie durch reac- tionäre Gesinnung.
Auch was sonst noch dem Herzen des Königs nahe stand, trug hoch- kirchliche Farbe: so der Geheime Rath v. Voß-Buch, seit Jahren vor- tragender Rath des Kronprinzen und auch jetzt noch mit wichtigen Ar- beiten, namentlich im Justizwesen, betraut, nebenbei berühmt durch seine unvergleichlichen Junggesellen-Gastmähler; so Friedrich Wilhelm's Jugend- gespiele, der Kammergerichtspräsident v. Kleist, von den Demagogen der blutige Kleist genannt, ein eiserner Ultra, der nachher den Abschied nahm, als er die neue Verfassung beschwören sollte; so der Hallerianer C. W. v. Lancizolle, vormals Lehrer des deutschen Staatsrechts für die königlichen Prinzen; so der gelehrte Jurist Götze, der kindlich fromme General Carl v. Röder u. A. m., die einst in den ersten Friedensjahren den Conventikeln der Erweckten oder dem Maikäfervereine der jungen Berliner Romantiker angehört hatten.**) Einen ehrbareren Hof hat es nie gegeben; Geist, Wissen, Edelsinn war in diesen Kreisen reichlich vor- handen, aber wenig Willenskraft, wenig Verständniß für die Bedürfnisse der Zeit.
Wie ein Fremdling erschien in dieser christlichen Umgebung der regel- mäßige Genosse der königlichen Abendcirkel Alexander v. Humboldt. Der Geist zog den Geist an, der König und der große Gelehrte konnten von einander nicht lassen, und unwillkürlich gedachten die. Zeitgenossen der Freundschaft zwischen Friedrich und Voltaire -- eine Vergleichung, die doch nur wenig zutraf. Voltaire hatte auf das ästhetische Urtheil des
*) Kronprinz Friedrich Wilhelm an Altenstein, 2. Mai 1830.
**) S. o. II. 27. 91.
Senfft v. Pilſach und die Erweckten.
wußten alle Eingeweihten, daß der König auf das Urtheil dieſes Mannes, ſoweit er überhaupt einer fremden Meinung zu folgen vermochte, ſehr großen Werth legte. Schon als Kronprinz hatte er ſich des Freiherrn angenommen, als dieſer, unbekümmert um die Verbote der rationaliſti- ſchen Stettiner Regierung, ſeinen hinterpommerſchen Bauern gottſelige Predigten hielt, und in hellem Zorne geſchrieben: „das Betragen dieſer Regierung iſt wirklich ſo ungeheuer dumm, daß es zum Erbarmen iſt.“*) Senfft kannte die Eigenart Friedrich Wilhelm’s ganz genau, er wußte ſeine vertraulichen Berichte und Geſpräche ſtets der augenblicklichen Stim- mung des Monarchen anzupaſſen; er ſcheute ſich auch nicht dem Könige, oft ſehr unverblümt, zu ſagen, was man im Volke über ihn redete. Alſo, bald aufrichtig, bald berechnend, gewann er mit ſeiner zähen ſtillen Ausdauer doch einigen Boden, und immer kam ſein Rath den Hochcon- ſervativen zu gute. Durch ſeinen und Ludwig Gerlach’s gemeinſamen Schwager v. Thadden-Trieglaff unterhielt er regen Verkehr mit einem Kreiſe altgläubiger hinterpommerſcher Edelleute, der ſich durch chriſtlichen Wandel und edle Wohlthätigkeit ebenſo ſehr auszeichnete wie durch reac- tionäre Geſinnung.
Auch was ſonſt noch dem Herzen des Königs nahe ſtand, trug hoch- kirchliche Farbe: ſo der Geheime Rath v. Voß-Buch, ſeit Jahren vor- tragender Rath des Kronprinzen und auch jetzt noch mit wichtigen Ar- beiten, namentlich im Juſtizweſen, betraut, nebenbei berühmt durch ſeine unvergleichlichen Junggeſellen-Gaſtmähler; ſo Friedrich Wilhelm’s Jugend- geſpiele, der Kammergerichtspräſident v. Kleiſt, von den Demagogen der blutige Kleiſt genannt, ein eiſerner Ultra, der nachher den Abſchied nahm, als er die neue Verfaſſung beſchwören ſollte; ſo der Hallerianer C. W. v. Lancizolle, vormals Lehrer des deutſchen Staatsrechts für die königlichen Prinzen; ſo der gelehrte Juriſt Götze, der kindlich fromme General Carl v. Röder u. A. m., die einſt in den erſten Friedensjahren den Conventikeln der Erweckten oder dem Maikäfervereine der jungen Berliner Romantiker angehört hatten.**) Einen ehrbareren Hof hat es nie gegeben; Geiſt, Wiſſen, Edelſinn war in dieſen Kreiſen reichlich vor- handen, aber wenig Willenskraft, wenig Verſtändniß für die Bedürfniſſe der Zeit.
Wie ein Fremdling erſchien in dieſer chriſtlichen Umgebung der regel- mäßige Genoſſe der königlichen Abendcirkel Alexander v. Humboldt. Der Geiſt zog den Geiſt an, der König und der große Gelehrte konnten von einander nicht laſſen, und unwillkürlich gedachten die. Zeitgenoſſen der Freundſchaft zwiſchen Friedrich und Voltaire — eine Vergleichung, die doch nur wenig zutraf. Voltaire hatte auf das äſthetiſche Urtheil des
*) Kronprinz Friedrich Wilhelm an Altenſtein, 2. Mai 1830.
**) S. o. II. 27. 91.
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Senfft v. Pilſach und die Erweckten.
wußten alle Eingeweihten, daß der König auf das Urtheil dieſes Mannes,
ſoweit er überhaupt einer fremden Meinung zu folgen vermochte, ſehr
großen Werth legte. Schon als Kronprinz hatte er ſich des Freiherrn
angenommen, als dieſer, unbekümmert um die Verbote der rationaliſti-
ſchen Stettiner Regierung, ſeinen hinterpommerſchen Bauern gottſelige
Predigten hielt, und in hellem Zorne geſchrieben: „das Betragen dieſer
Regierung iſt wirklich ſo ungeheuer dumm, daß es zum Erbarmen iſt.“ *)
Senfft kannte die Eigenart Friedrich Wilhelm’s ganz genau, er wußte
ſeine vertraulichen Berichte und Geſpräche ſtets der augenblicklichen Stim-
mung des Monarchen anzupaſſen; er ſcheute ſich auch nicht dem Könige,
oft ſehr unverblümt, zu ſagen, was man im Volke über ihn redete.
Alſo, bald aufrichtig, bald berechnend, gewann er mit ſeiner zähen ſtillen
Ausdauer doch einigen Boden, und immer kam ſein Rath den Hochcon-
ſervativen zu gute. Durch ſeinen und Ludwig Gerlach’s gemeinſamen
Schwager v. Thadden-Trieglaff unterhielt er regen Verkehr mit einem
Kreiſe altgläubiger hinterpommerſcher Edelleute, der ſich durch chriſtlichen
Wandel und edle Wohlthätigkeit ebenſo ſehr auszeichnete wie durch reac-
tionäre Geſinnung.
Auch was ſonſt noch dem Herzen des Königs nahe ſtand, trug hoch-
kirchliche Farbe: ſo der Geheime Rath v. Voß-Buch, ſeit Jahren vor-
tragender Rath des Kronprinzen und auch jetzt noch mit wichtigen Ar-
beiten, namentlich im Juſtizweſen, betraut, nebenbei berühmt durch ſeine
unvergleichlichen Junggeſellen-Gaſtmähler; ſo Friedrich Wilhelm’s Jugend-
geſpiele, der Kammergerichtspräſident v. Kleiſt, von den Demagogen der
blutige Kleiſt genannt, ein eiſerner Ultra, der nachher den Abſchied nahm,
als er die neue Verfaſſung beſchwören ſollte; ſo der Hallerianer C.
W. v. Lancizolle, vormals Lehrer des deutſchen Staatsrechts für die
königlichen Prinzen; ſo der gelehrte Juriſt Götze, der kindlich fromme
General Carl v. Röder u. A. m., die einſt in den erſten Friedensjahren
den Conventikeln der Erweckten oder dem Maikäfervereine der jungen
Berliner Romantiker angehört hatten. **) Einen ehrbareren Hof hat es
nie gegeben; Geiſt, Wiſſen, Edelſinn war in dieſen Kreiſen reichlich vor-
handen, aber wenig Willenskraft, wenig Verſtändniß für die Bedürfniſſe
der Zeit.
Wie ein Fremdling erſchien in dieſer chriſtlichen Umgebung der regel-
mäßige Genoſſe der königlichen Abendcirkel Alexander v. Humboldt. Der
Geiſt zog den Geiſt an, der König und der große Gelehrte konnten von
einander nicht laſſen, und unwillkürlich gedachten die. Zeitgenoſſen der
Freundſchaft zwiſchen Friedrich und Voltaire — eine Vergleichung, die
doch nur wenig zutraf. Voltaire hatte auf das äſthetiſche Urtheil des
*) Kronprinz Friedrich Wilhelm an Altenſtein, 2. Mai 1830.
**) S. o. II. 27. 91.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/41>, abgerufen am 23.07.2024.
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