vor Zeiten den Schottenmönchen des heiligen Columban angeschlossen und gleich diesen auf deutschem Boden immer deutsche Gesinnung gezeigt; ihre jetzt aus Oesterreich neu berufenen Brüder bemühten sich redlich, ihre dürftige classische Bildung zu vervollständigen und ertheilten auf den Gymnasien, die man ihnen anvertraute, leidlichen Unterricht. Bedenk- licher erschienen die Mönche von dem räthselhaften "dritten Orden" des heiligen Franz und vornehmlich die der Gesellschaft Jesu affiliirten Redemp- toristen, die ungestört ihre Missionen halten durften, obgleich der König den Jesuiten selbst, trotz der wiederholten Bitten der Clericalen, die Zu- lassung hartnäckig verweigerte.
Fürst Wrede, des Feldmarschalls Sohn, ein stark verschuldeter, übel- beleumdeter Herr stellte nun diese und viele andere Beschwerden gegen die Regierung in einer förmlichen Anklageschrift zusammen, die er den Reichs- räthen übergab; dem Könige aber schrieb er: Abel sei nahe daran, ihn um die Liebe eines großen Theiles seines Volks zu bringen. Da glaubte Fürst Wallerstein, jetzt könne er sich wieder in den Sattel schwingen. In einer schlau berechneten hochpathetischen Rede nannte er sich selbst den Ultramontansten der Ultramontanen, den ergebensten aller Unterthanen und stellte dann einen vorgeblichen Vermittelungsantrag, der doch auf Abel's Sturz ab- zielte; er beantragte, die Regierung möge keinen geistlichen Orden zu- lassen, der den religiösen Frieden stören könne. In einem Briefe an den Vertrauten des Königs Frhrn. v. d. Tann warnte er zugleich die Krone vor der "nahen europäischen Krisis"; es gehe nicht mehr an, jeden Andersdenkenden als Feind anzusehen.*) Wallerstein's Antrag wurde von den Reichsräthen mit allen gegen sechs Stimmen angenommen; der Kronprinz selbst sprach und stimmte dafür.
In solcher Noth griff Abel zu demagogischen Mitteln. Er ließ durch seine Beamten das katholische Volk aufwiegeln, und bald liefen aus allen Winkeln des Landes Adressen ein, die der gerechten Regierung Dank und Vertrauen aussprachen. Der König, der von seinem Minister noch immer nicht ganz lassen wollte, fühlte sich anfangs durch solche Vertrauensbeweise beglückt und schrieb den Augsburgern: "Großen Undank nicht selten er- fahrend, ist mir der Dank von Augsburgs katholischen Bürgern um so erfreulicher, der ich Katholiken und Protestanten in ihren verfassungs- mäßigen Rechten beschütze." Doch die Adressen mehrten und mehrten sich, und ihre pfäffische Frechheit überschritt alles Maß. Eine Eingabe aus München behauptete frischweg: "jeder Baier" verlange Freiheit für seine katholische Kirche, der schon seine Voreltern Gut und Blut geopfert hätten. Die Protestanten wurden also schon gar nicht mehr zu den Baiern ge- rechnet. Noch gröber redeten die ungezählten Flugschriften, die jetzt mit einem male "gegen die neuen Kirchenfeinde und Klosterstürmer" hervortraten:
*) Fürst Ludwig v. Wallerstein an Frhrn. v. d. Tann, 19. Jan. 1846.
21*
Wrede und Wallerſtein gegen Abel.
vor Zeiten den Schottenmönchen des heiligen Columban angeſchloſſen und gleich dieſen auf deutſchem Boden immer deutſche Geſinnung gezeigt; ihre jetzt aus Oeſterreich neu berufenen Brüder bemühten ſich redlich, ihre dürftige claſſiſche Bildung zu vervollſtändigen und ertheilten auf den Gymnaſien, die man ihnen anvertraute, leidlichen Unterricht. Bedenk- licher erſchienen die Mönche von dem räthſelhaften „dritten Orden“ des heiligen Franz und vornehmlich die der Geſellſchaft Jeſu affiliirten Redemp- toriſten, die ungeſtört ihre Miſſionen halten durften, obgleich der König den Jeſuiten ſelbſt, trotz der wiederholten Bitten der Clericalen, die Zu- laſſung hartnäckig verweigerte.
Fürſt Wrede, des Feldmarſchalls Sohn, ein ſtark verſchuldeter, übel- beleumdeter Herr ſtellte nun dieſe und viele andere Beſchwerden gegen die Regierung in einer förmlichen Anklageſchrift zuſammen, die er den Reichs- räthen übergab; dem Könige aber ſchrieb er: Abel ſei nahe daran, ihn um die Liebe eines großen Theiles ſeines Volks zu bringen. Da glaubte Fürſt Wallerſtein, jetzt könne er ſich wieder in den Sattel ſchwingen. In einer ſchlau berechneten hochpathetiſchen Rede nannte er ſich ſelbſt den Ultramontanſten der Ultramontanen, den ergebenſten aller Unterthanen und ſtellte dann einen vorgeblichen Vermittelungsantrag, der doch auf Abel’s Sturz ab- zielte; er beantragte, die Regierung möge keinen geiſtlichen Orden zu- laſſen, der den religiöſen Frieden ſtören könne. In einem Briefe an den Vertrauten des Königs Frhrn. v. d. Tann warnte er zugleich die Krone vor der „nahen europäiſchen Kriſis“; es gehe nicht mehr an, jeden Andersdenkenden als Feind anzuſehen.*) Wallerſtein’s Antrag wurde von den Reichsräthen mit allen gegen ſechs Stimmen angenommen; der Kronprinz ſelbſt ſprach und ſtimmte dafür.
In ſolcher Noth griff Abel zu demagogiſchen Mitteln. Er ließ durch ſeine Beamten das katholiſche Volk aufwiegeln, und bald liefen aus allen Winkeln des Landes Adreſſen ein, die der gerechten Regierung Dank und Vertrauen ausſprachen. Der König, der von ſeinem Miniſter noch immer nicht ganz laſſen wollte, fühlte ſich anfangs durch ſolche Vertrauensbeweiſe beglückt und ſchrieb den Augsburgern: „Großen Undank nicht ſelten er- fahrend, iſt mir der Dank von Augsburgs katholiſchen Bürgern um ſo erfreulicher, der ich Katholiken und Proteſtanten in ihren verfaſſungs- mäßigen Rechten beſchütze.“ Doch die Adreſſen mehrten und mehrten ſich, und ihre pfäffiſche Frechheit überſchritt alles Maß. Eine Eingabe aus München behauptete friſchweg: „jeder Baier“ verlange Freiheit für ſeine katholiſche Kirche, der ſchon ſeine Voreltern Gut und Blut geopfert hätten. Die Proteſtanten wurden alſo ſchon gar nicht mehr zu den Baiern ge- rechnet. Noch gröber redeten die ungezählten Flugſchriften, die jetzt mit einem male „gegen die neuen Kirchenfeinde und Kloſterſtürmer“ hervortraten:
*) Fürſt Ludwig v. Wallerſtein an Frhrn. v. d. Tann, 19. Jan. 1846.
21*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0337"n="323"/><fwplace="top"type="header">Wrede und Wallerſtein gegen Abel.</fw><lb/>
vor Zeiten den Schottenmönchen des heiligen Columban angeſchloſſen und<lb/>
gleich dieſen auf deutſchem Boden immer deutſche Geſinnung gezeigt; ihre<lb/>
jetzt aus Oeſterreich neu berufenen Brüder bemühten ſich redlich, ihre<lb/>
dürftige claſſiſche Bildung zu vervollſtändigen und ertheilten auf den<lb/>
Gymnaſien, die man ihnen anvertraute, leidlichen Unterricht. Bedenk-<lb/>
licher erſchienen die Mönche von dem räthſelhaften „dritten Orden“ des<lb/>
heiligen Franz und vornehmlich die der Geſellſchaft Jeſu affiliirten Redemp-<lb/>
toriſten, die ungeſtört ihre Miſſionen halten durften, obgleich der König<lb/>
den Jeſuiten ſelbſt, trotz der wiederholten Bitten der Clericalen, die Zu-<lb/>
laſſung hartnäckig verweigerte.</p><lb/><p>Fürſt Wrede, des Feldmarſchalls Sohn, ein ſtark verſchuldeter, übel-<lb/>
beleumdeter Herr ſtellte nun dieſe und viele andere Beſchwerden gegen die<lb/>
Regierung in einer förmlichen Anklageſchrift zuſammen, die er den Reichs-<lb/>
räthen übergab; dem Könige aber ſchrieb er: Abel ſei nahe daran, ihn um<lb/>
die Liebe eines großen Theiles ſeines Volks zu bringen. Da glaubte Fürſt<lb/>
Wallerſtein, jetzt könne er ſich wieder in den Sattel ſchwingen. In einer ſchlau<lb/>
berechneten hochpathetiſchen Rede nannte er ſich ſelbſt den Ultramontanſten<lb/>
der Ultramontanen, den ergebenſten aller Unterthanen und ſtellte dann<lb/>
einen vorgeblichen Vermittelungsantrag, der doch auf Abel’s Sturz ab-<lb/>
zielte; er beantragte, die Regierung möge keinen geiſtlichen Orden zu-<lb/>
laſſen, der den religiöſen Frieden ſtören könne. In einem Briefe an den<lb/>
Vertrauten des Königs Frhrn. v. d. Tann warnte er zugleich die Krone<lb/>
vor der „nahen europäiſchen Kriſis“; es gehe nicht mehr an, jeden<lb/>
Andersdenkenden als Feind anzuſehen.<noteplace="foot"n="*)">Fürſt Ludwig v. Wallerſtein an Frhrn. v. d. Tann, 19. Jan. 1846.</note> Wallerſtein’s Antrag wurde<lb/>
von den Reichsräthen mit allen gegen ſechs Stimmen angenommen; der<lb/>
Kronprinz ſelbſt ſprach und ſtimmte dafür.</p><lb/><p>In ſolcher Noth griff Abel zu demagogiſchen Mitteln. Er ließ durch<lb/>ſeine Beamten das katholiſche Volk aufwiegeln, und bald liefen aus allen<lb/>
Winkeln des Landes Adreſſen ein, die der gerechten Regierung Dank und<lb/>
Vertrauen ausſprachen. Der König, der von ſeinem Miniſter noch immer<lb/>
nicht ganz laſſen wollte, fühlte ſich anfangs durch ſolche Vertrauensbeweiſe<lb/>
beglückt und ſchrieb den Augsburgern: „Großen Undank nicht ſelten er-<lb/>
fahrend, iſt mir der Dank von Augsburgs katholiſchen Bürgern um ſo<lb/>
erfreulicher, der ich Katholiken und Proteſtanten in ihren verfaſſungs-<lb/>
mäßigen Rechten beſchütze.“ Doch die Adreſſen mehrten und mehrten ſich,<lb/>
und ihre pfäffiſche Frechheit überſchritt alles Maß. Eine Eingabe aus<lb/>
München behauptete friſchweg: „jeder Baier“ verlange Freiheit für ſeine<lb/>
katholiſche Kirche, der ſchon ſeine Voreltern Gut und Blut geopfert hätten.<lb/>
Die Proteſtanten wurden alſo ſchon gar nicht mehr zu den Baiern ge-<lb/>
rechnet. Noch gröber redeten die ungezählten Flugſchriften, die jetzt mit<lb/>
einem male „gegen die neuen Kirchenfeinde und Kloſterſtürmer“ hervortraten:<lb/><fwplace="bottom"type="sig">21*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[323/0337]
Wrede und Wallerſtein gegen Abel.
vor Zeiten den Schottenmönchen des heiligen Columban angeſchloſſen und
gleich dieſen auf deutſchem Boden immer deutſche Geſinnung gezeigt; ihre
jetzt aus Oeſterreich neu berufenen Brüder bemühten ſich redlich, ihre
dürftige claſſiſche Bildung zu vervollſtändigen und ertheilten auf den
Gymnaſien, die man ihnen anvertraute, leidlichen Unterricht. Bedenk-
licher erſchienen die Mönche von dem räthſelhaften „dritten Orden“ des
heiligen Franz und vornehmlich die der Geſellſchaft Jeſu affiliirten Redemp-
toriſten, die ungeſtört ihre Miſſionen halten durften, obgleich der König
den Jeſuiten ſelbſt, trotz der wiederholten Bitten der Clericalen, die Zu-
laſſung hartnäckig verweigerte.
Fürſt Wrede, des Feldmarſchalls Sohn, ein ſtark verſchuldeter, übel-
beleumdeter Herr ſtellte nun dieſe und viele andere Beſchwerden gegen die
Regierung in einer förmlichen Anklageſchrift zuſammen, die er den Reichs-
räthen übergab; dem Könige aber ſchrieb er: Abel ſei nahe daran, ihn um
die Liebe eines großen Theiles ſeines Volks zu bringen. Da glaubte Fürſt
Wallerſtein, jetzt könne er ſich wieder in den Sattel ſchwingen. In einer ſchlau
berechneten hochpathetiſchen Rede nannte er ſich ſelbſt den Ultramontanſten
der Ultramontanen, den ergebenſten aller Unterthanen und ſtellte dann
einen vorgeblichen Vermittelungsantrag, der doch auf Abel’s Sturz ab-
zielte; er beantragte, die Regierung möge keinen geiſtlichen Orden zu-
laſſen, der den religiöſen Frieden ſtören könne. In einem Briefe an den
Vertrauten des Königs Frhrn. v. d. Tann warnte er zugleich die Krone
vor der „nahen europäiſchen Kriſis“; es gehe nicht mehr an, jeden
Andersdenkenden als Feind anzuſehen. *) Wallerſtein’s Antrag wurde
von den Reichsräthen mit allen gegen ſechs Stimmen angenommen; der
Kronprinz ſelbſt ſprach und ſtimmte dafür.
In ſolcher Noth griff Abel zu demagogiſchen Mitteln. Er ließ durch
ſeine Beamten das katholiſche Volk aufwiegeln, und bald liefen aus allen
Winkeln des Landes Adreſſen ein, die der gerechten Regierung Dank und
Vertrauen ausſprachen. Der König, der von ſeinem Miniſter noch immer
nicht ganz laſſen wollte, fühlte ſich anfangs durch ſolche Vertrauensbeweiſe
beglückt und ſchrieb den Augsburgern: „Großen Undank nicht ſelten er-
fahrend, iſt mir der Dank von Augsburgs katholiſchen Bürgern um ſo
erfreulicher, der ich Katholiken und Proteſtanten in ihren verfaſſungs-
mäßigen Rechten beſchütze.“ Doch die Adreſſen mehrten und mehrten ſich,
und ihre pfäffiſche Frechheit überſchritt alles Maß. Eine Eingabe aus
München behauptete friſchweg: „jeder Baier“ verlange Freiheit für ſeine
katholiſche Kirche, der ſchon ſeine Voreltern Gut und Blut geopfert hätten.
Die Proteſtanten wurden alſo ſchon gar nicht mehr zu den Baiern ge-
rechnet. Noch gröber redeten die ungezählten Flugſchriften, die jetzt mit
einem male „gegen die neuen Kirchenfeinde und Kloſterſtürmer“ hervortraten:
*) Fürſt Ludwig v. Wallerſtein an Frhrn. v. d. Tann, 19. Jan. 1846.
21*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/337>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.