junger Poet, freuten sich an seinem seelenvollen Gespräche und dem wunder- baren Blicke der dunklen Dichteraugen.
Nur für dramaturgische Aufgaben nahm man seine Kraft noch mehrmals in Anspruch. Er richtete die Antigone des Sophokles für die Bühne ein, Mendelssohn setzte die erhabenen Chorgesänge in Musik, die Aufführung ge- lang über alle Erwartung, und in seiner dankbaren Freude ließ der König eine prächtige Medaille prägen, welche die Antigone mit der Urne und dazu über griechischen Versen die Bilder ihrer beiden Wiedererwecker zeigte. Auch Shake- speare's Sommernachtstraum erweckte, wie ihn die Beiden dem modernen Theater angepaßt hatten, allgemeinen Beifall. Als aber der König auch noch den Oedipus auf Kolonos, dann sogar, gegen Tieck's eigenen Wunsch, den Gestiefelten Kater und den Blaubart aufführen ließ, da zeigte die ablehnende Haltung der Hörer, daß die Bühne sich zu gelehrten oder phantastischen Experimenten nicht hergeben darf. Vollends Racine's Athalie, dies ein- tönige Stück, dessen salbungsvolles Pathos den Deutschen meist schon auf der Schulbank verleidet wird, brachte die Berliner fast zur Wuth; sie witterten jetzt überall pfäffische Anschläge und riefen in Gegenwart des Hofes ungebärdig: wir wollen keine Predigten. Ein so genügsamer stand- hafter Theaterbesucher wie sein Vater konnte Friedrich Wilhelm, der selbst schon so viel gedacht und empfunden hatte, niemals werden, denn ideen- reichen Köpfen fällt das Hören immer schwerer als das Sehen; nur von Zeit zu Zeit reizte ihn das Außerordentliche, Seltsame, Fremdartige. Er sprach oft enthusiastisch von der Verjüngung des deutschen Theaters, je- doch die aufstrebenden dramatischen Talente, an denen die Zeit nicht arm war, ließen ihn kalt, weil sie allesammt zur Opposition gehörten. Also brachte seine Regierung auch der Bühne kein frisches Leben. Der neue aus München berufene Theaterdirektor v. Küstner waltete seines Amts mit Kraft und Eifer, er zeigte sich auch nicht unfreundlich gegen die jungen Poeten; die Herrscherin im königlichen Schauspielhause blieb doch nach wie vor die gute Charlotte Birch-Pfeiffer.
Am allerwenigsten war Friedrich Rückert der Mann um die Pläne einer Theaterreform, mit denen der König spielte, in's Leben einzuführen. Er warf sich, seit auch er nach Berlin berufen worden, mit jugendlichem Eifer auf dramatische Arbeiten, doch sie konnten seinem lyrischen Genius nicht gelingen; eine Thätigkeit, die ihn dem Bühnenleben näher gebracht hätte, ward ihm gar nicht angewiesen. So wurden ihm diese Berliner Jahre die traurigsten und die unfruchtbarsten seines Lebens. "Der in- dische Bramane, geboren auf der Flur" fand den Hof und die vornehme Gesellschaft ebenso ungenießbar wie den Lärm der Großstadt und ihre reizlose Gegend; die Handvoll Zuhörer, die sich in der bescheidenen Wohnung auf der Behrenstraße zu den orientalistischen Collegien des Dichters ein- fand, bot ihm auch keinen Trost, und er dankte Gott als er nach einigen Jahren heimkehren durfte in's fränkische Hügelland, um wieder in länd-
Tieck und Rückert.
junger Poet, freuten ſich an ſeinem ſeelenvollen Geſpräche und dem wunder- baren Blicke der dunklen Dichteraugen.
Nur für dramaturgiſche Aufgaben nahm man ſeine Kraft noch mehrmals in Anſpruch. Er richtete die Antigone des Sophokles für die Bühne ein, Mendelsſohn ſetzte die erhabenen Chorgeſänge in Muſik, die Aufführung ge- lang über alle Erwartung, und in ſeiner dankbaren Freude ließ der König eine prächtige Medaille prägen, welche die Antigone mit der Urne und dazu über griechiſchen Verſen die Bilder ihrer beiden Wiedererwecker zeigte. Auch Shake- ſpeare’s Sommernachtstraum erweckte, wie ihn die Beiden dem modernen Theater angepaßt hatten, allgemeinen Beifall. Als aber der König auch noch den Oedipus auf Kolonos, dann ſogar, gegen Tieck’s eigenen Wunſch, den Geſtiefelten Kater und den Blaubart aufführen ließ, da zeigte die ablehnende Haltung der Hörer, daß die Bühne ſich zu gelehrten oder phantaſtiſchen Experimenten nicht hergeben darf. Vollends Racine’s Athalie, dies ein- tönige Stück, deſſen ſalbungsvolles Pathos den Deutſchen meiſt ſchon auf der Schulbank verleidet wird, brachte die Berliner faſt zur Wuth; ſie witterten jetzt überall pfäffiſche Anſchläge und riefen in Gegenwart des Hofes ungebärdig: wir wollen keine Predigten. Ein ſo genügſamer ſtand- hafter Theaterbeſucher wie ſein Vater konnte Friedrich Wilhelm, der ſelbſt ſchon ſo viel gedacht und empfunden hatte, niemals werden, denn ideen- reichen Köpfen fällt das Hören immer ſchwerer als das Sehen; nur von Zeit zu Zeit reizte ihn das Außerordentliche, Seltſame, Fremdartige. Er ſprach oft enthuſiaſtiſch von der Verjüngung des deutſchen Theaters, je- doch die aufſtrebenden dramatiſchen Talente, an denen die Zeit nicht arm war, ließen ihn kalt, weil ſie alleſammt zur Oppoſition gehörten. Alſo brachte ſeine Regierung auch der Bühne kein friſches Leben. Der neue aus München berufene Theaterdirektor v. Küſtner waltete ſeines Amts mit Kraft und Eifer, er zeigte ſich auch nicht unfreundlich gegen die jungen Poeten; die Herrſcherin im königlichen Schauſpielhauſe blieb doch nach wie vor die gute Charlotte Birch-Pfeiffer.
Am allerwenigſten war Friedrich Rückert der Mann um die Pläne einer Theaterreform, mit denen der König ſpielte, in’s Leben einzuführen. Er warf ſich, ſeit auch er nach Berlin berufen worden, mit jugendlichem Eifer auf dramatiſche Arbeiten, doch ſie konnten ſeinem lyriſchen Genius nicht gelingen; eine Thätigkeit, die ihn dem Bühnenleben näher gebracht hätte, ward ihm gar nicht angewieſen. So wurden ihm dieſe Berliner Jahre die traurigſten und die unfruchtbarſten ſeines Lebens. „Der in- diſche Bramane, geboren auf der Flur“ fand den Hof und die vornehme Geſellſchaft ebenſo ungenießbar wie den Lärm der Großſtadt und ihre reizloſe Gegend; die Handvoll Zuhörer, die ſich in der beſcheidenen Wohnung auf der Behrenſtraße zu den orientaliſtiſchen Collegien des Dichters ein- fand, bot ihm auch keinen Troſt, und er dankte Gott als er nach einigen Jahren heimkehren durfte in’s fränkiſche Hügelland, um wieder in länd-
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Tieck und Rückert.
junger Poet, freuten ſich an ſeinem ſeelenvollen Geſpräche und dem wunder-
baren Blicke der dunklen Dichteraugen.
Nur für dramaturgiſche Aufgaben nahm man ſeine Kraft noch mehrmals
in Anſpruch. Er richtete die Antigone des Sophokles für die Bühne ein,
Mendelsſohn ſetzte die erhabenen Chorgeſänge in Muſik, die Aufführung ge-
lang über alle Erwartung, und in ſeiner dankbaren Freude ließ der König eine
prächtige Medaille prägen, welche die Antigone mit der Urne und dazu über
griechiſchen Verſen die Bilder ihrer beiden Wiedererwecker zeigte. Auch Shake-
ſpeare’s Sommernachtstraum erweckte, wie ihn die Beiden dem modernen
Theater angepaßt hatten, allgemeinen Beifall. Als aber der König auch noch
den Oedipus auf Kolonos, dann ſogar, gegen Tieck’s eigenen Wunſch, den
Geſtiefelten Kater und den Blaubart aufführen ließ, da zeigte die ablehnende
Haltung der Hörer, daß die Bühne ſich zu gelehrten oder phantaſtiſchen
Experimenten nicht hergeben darf. Vollends Racine’s Athalie, dies ein-
tönige Stück, deſſen ſalbungsvolles Pathos den Deutſchen meiſt ſchon auf
der Schulbank verleidet wird, brachte die Berliner faſt zur Wuth; ſie
witterten jetzt überall pfäffiſche Anſchläge und riefen in Gegenwart des
Hofes ungebärdig: wir wollen keine Predigten. Ein ſo genügſamer ſtand-
hafter Theaterbeſucher wie ſein Vater konnte Friedrich Wilhelm, der ſelbſt
ſchon ſo viel gedacht und empfunden hatte, niemals werden, denn ideen-
reichen Köpfen fällt das Hören immer ſchwerer als das Sehen; nur von
Zeit zu Zeit reizte ihn das Außerordentliche, Seltſame, Fremdartige. Er
ſprach oft enthuſiaſtiſch von der Verjüngung des deutſchen Theaters, je-
doch die aufſtrebenden dramatiſchen Talente, an denen die Zeit nicht arm
war, ließen ihn kalt, weil ſie alleſammt zur Oppoſition gehörten. Alſo
brachte ſeine Regierung auch der Bühne kein friſches Leben. Der neue
aus München berufene Theaterdirektor v. Küſtner waltete ſeines Amts
mit Kraft und Eifer, er zeigte ſich auch nicht unfreundlich gegen die jungen
Poeten; die Herrſcherin im königlichen Schauſpielhauſe blieb doch nach
wie vor die gute Charlotte Birch-Pfeiffer.
Am allerwenigſten war Friedrich Rückert der Mann um die Pläne
einer Theaterreform, mit denen der König ſpielte, in’s Leben einzuführen.
Er warf ſich, ſeit auch er nach Berlin berufen worden, mit jugendlichem
Eifer auf dramatiſche Arbeiten, doch ſie konnten ſeinem lyriſchen Genius
nicht gelingen; eine Thätigkeit, die ihn dem Bühnenleben näher gebracht
hätte, ward ihm gar nicht angewieſen. So wurden ihm dieſe Berliner
Jahre die traurigſten und die unfruchtbarſten ſeines Lebens. „Der in-
diſche Bramane, geboren auf der Flur“ fand den Hof und die vornehme
Geſellſchaft ebenſo ungenießbar wie den Lärm der Großſtadt und ihre
reizloſe Gegend; die Handvoll Zuhörer, die ſich in der beſcheidenen Wohnung
auf der Behrenſtraße zu den orientaliſtiſchen Collegien des Dichters ein-
fand, bot ihm auch keinen Troſt, und er dankte Gott als er nach einigen
Jahren heimkehren durfte in’s fränkiſche Hügelland, um wieder in länd-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/235>, abgerufen am 25.11.2024.
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