nicht fehlen werde wo es gelte "teutschem Sinn und teutscher Eintracht ein großartiges Denkmal zu setzen", und bemühte sich einen Dombau- verein deutscher Fürsten zu bilden. Da dieser Plan an den protestan- tischen Bedenklichkeiten der Höfe von Stuttgart und Cassel scheiterte, so ging der Wittelsbacher allein vor und stellte der unter seiner Herrschaft wieder aufgeblühten Kunst der Glasmalerei eine würdige Aufgabe; die herrlichen Fenster, die er dem südlichen Seitenschiffe schenkte, konnten den Vergleich mit der glühenden Farbenpracht der Werke des Mittelalters beinahe aushalten. Es war ein schöner Wetteifer; die Mehrheit der Na- tion ließ sich in ihrer politischen Hochherzigkeit nicht beirren durch die leider sehr nahe liegende Frage: ob denn die Priester dieses Domes sich selbst bekennen würden zu dem Geiste christlicher Liebe, der den könig- lichen Protector des Baues beseelte?
Nur die alten Rationalisten und die jungen Atheisten überschütteten das Unternehmen mit Spott und Hohn. Der halbverschollene greise Bret- schneider in Gotha zeterte wider den Kölnischen Pfaffengeist, da ja Görres soeben in einer warmen und ausnahmsweise friedfertigen Schrift seinen alten Weckruf erneuert hatte. David Friedrich Strauß faßte einen grim- migen, geradezu persönlichen Haß wider den Dombau, denn nach seiner Mei- nung wohnte "der Gott in keinen Tempeln mehr". Heine aber weissagte mit wiehernder Schadenfreude:
Er wird nicht vollendet trotz allem Geschrei Der Raben und der Eulen, Die alterthümlich gesinnt so gern In hohen Kirchthürmen weilen.
Er weidete sich an dem Gedanken, daß man das Gotteshaus dereinst noch in einen Pferdestall verwandeln würde. So gänzlich hatte er an der Seine die Fühlung mit seinem verlassenen Volke verloren. Die geborenen Franzosen dachten anders; ihrer viele gestanden mit stillem Neide: zu einem solchen Werke, dessen das zerrissene Deutschland sich erdreiste, würde romanischer Opfermuth schwerlich ausreichen.
Noch einige Wochen verweilte der König am Rhein, schwelgend in den historischen und künstlerischen Reizen des Landes. Ueberall riß er die warmherzigen Massen hin; selbst die gegen alles preußische Wesen noch sehr mißtrauischen Aachener fühlten sich geehrt als er in gütiger Ansprache ihre Treue lobte. Darauf gab er in Brühl, dem lieblichen Rococoschlosse der Kölnischen Kurfürsten seinen hohen Gästen nochmals ein Fest und feierte in seinen Trinksprüchen erst die beiden Helden des Be- freiungskrieges, die Könige von Württemberg und Niederland, alsdann, an die alte Waffenbrüderschaft erinnernd, den Erzherzog Johann, dessen Name "uns anwehe wie die Bergluft der Hochalpen". In Deutschland war der greise Erzherzog so gut wie unbekannt, von den wenig glücklichen Kriegsthaten seiner Jugendjahre sprach längst Niemand mehr. In der
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
nicht fehlen werde wo es gelte „teutſchem Sinn und teutſcher Eintracht ein großartiges Denkmal zu ſetzen“, und bemühte ſich einen Dombau- verein deutſcher Fürſten zu bilden. Da dieſer Plan an den proteſtan- tiſchen Bedenklichkeiten der Höfe von Stuttgart und Caſſel ſcheiterte, ſo ging der Wittelsbacher allein vor und ſtellte der unter ſeiner Herrſchaft wieder aufgeblühten Kunſt der Glasmalerei eine würdige Aufgabe; die herrlichen Fenſter, die er dem ſüdlichen Seitenſchiffe ſchenkte, konnten den Vergleich mit der glühenden Farbenpracht der Werke des Mittelalters beinahe aushalten. Es war ein ſchöner Wetteifer; die Mehrheit der Na- tion ließ ſich in ihrer politiſchen Hochherzigkeit nicht beirren durch die leider ſehr nahe liegende Frage: ob denn die Prieſter dieſes Domes ſich ſelbſt bekennen würden zu dem Geiſte chriſtlicher Liebe, der den könig- lichen Protector des Baues beſeelte?
Nur die alten Rationaliſten und die jungen Atheiſten überſchütteten das Unternehmen mit Spott und Hohn. Der halbverſchollene greiſe Bret- ſchneider in Gotha zeterte wider den Kölniſchen Pfaffengeiſt, da ja Görres ſoeben in einer warmen und ausnahmsweiſe friedfertigen Schrift ſeinen alten Weckruf erneuert hatte. David Friedrich Strauß faßte einen grim- migen, geradezu perſönlichen Haß wider den Dombau, denn nach ſeiner Mei- nung wohnte „der Gott in keinen Tempeln mehr“. Heine aber weiſſagte mit wiehernder Schadenfreude:
Er wird nicht vollendet trotz allem Geſchrei Der Raben und der Eulen, Die alterthümlich geſinnt ſo gern In hohen Kirchthürmen weilen.
Er weidete ſich an dem Gedanken, daß man das Gotteshaus dereinſt noch in einen Pferdeſtall verwandeln würde. So gänzlich hatte er an der Seine die Fühlung mit ſeinem verlaſſenen Volke verloren. Die geborenen Franzoſen dachten anders; ihrer viele geſtanden mit ſtillem Neide: zu einem ſolchen Werke, deſſen das zerriſſene Deutſchland ſich erdreiſte, würde romaniſcher Opfermuth ſchwerlich ausreichen.
Noch einige Wochen verweilte der König am Rhein, ſchwelgend in den hiſtoriſchen und künſtleriſchen Reizen des Landes. Ueberall riß er die warmherzigen Maſſen hin; ſelbſt die gegen alles preußiſche Weſen noch ſehr mißtrauiſchen Aachener fühlten ſich geehrt als er in gütiger Anſprache ihre Treue lobte. Darauf gab er in Brühl, dem lieblichen Rococoſchloſſe der Kölniſchen Kurfürſten ſeinen hohen Gäſten nochmals ein Feſt und feierte in ſeinen Trinkſprüchen erſt die beiden Helden des Be- freiungskrieges, die Könige von Württemberg und Niederland, alsdann, an die alte Waffenbrüderſchaft erinnernd, den Erzherzog Johann, deſſen Name „uns anwehe wie die Bergluft der Hochalpen“. In Deutſchland war der greiſe Erzherzog ſo gut wie unbekannt, von den wenig glücklichen Kriegsthaten ſeiner Jugendjahre ſprach längſt Niemand mehr. In der
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ein großartiges Denkmal zu ſetzen“, und bemühte ſich einen Dombau-
verein deutſcher Fürſten zu bilden. Da dieſer Plan an den proteſtan-
tiſchen Bedenklichkeiten der Höfe von Stuttgart und Caſſel ſcheiterte, ſo
ging der Wittelsbacher allein vor und ſtellte der unter ſeiner Herrſchaft
wieder aufgeblühten Kunſt der Glasmalerei eine würdige Aufgabe; die
herrlichen Fenſter, die er dem ſüdlichen Seitenſchiffe ſchenkte, konnten den
Vergleich mit der glühenden Farbenpracht der Werke des Mittelalters
beinahe aushalten. Es war ein ſchöner Wetteifer; die Mehrheit der Na-
tion ließ ſich in ihrer politiſchen Hochherzigkeit nicht beirren durch die
leider ſehr nahe liegende Frage: ob denn die Prieſter dieſes Domes ſich
ſelbſt bekennen würden zu dem Geiſte chriſtlicher Liebe, der den könig-
lichen Protector des Baues beſeelte?
Nur die alten Rationaliſten und die jungen Atheiſten überſchütteten
das Unternehmen mit Spott und Hohn. Der halbverſchollene greiſe Bret-
ſchneider in Gotha zeterte wider den Kölniſchen Pfaffengeiſt, da ja Görres
ſoeben in einer warmen und ausnahmsweiſe friedfertigen Schrift ſeinen
alten Weckruf erneuert hatte. David Friedrich Strauß faßte einen grim-
migen, geradezu perſönlichen Haß wider den Dombau, denn nach ſeiner Mei-
nung wohnte „der Gott in keinen Tempeln mehr“. Heine aber weiſſagte
mit wiehernder Schadenfreude:
Er wird nicht vollendet trotz allem Geſchrei
Der Raben und der Eulen,
Die alterthümlich geſinnt ſo gern
In hohen Kirchthürmen weilen.
Er weidete ſich an dem Gedanken, daß man das Gotteshaus dereinſt noch
in einen Pferdeſtall verwandeln würde. So gänzlich hatte er an der
Seine die Fühlung mit ſeinem verlaſſenen Volke verloren. Die geborenen
Franzoſen dachten anders; ihrer viele geſtanden mit ſtillem Neide: zu
einem ſolchen Werke, deſſen das zerriſſene Deutſchland ſich erdreiſte, würde
romaniſcher Opfermuth ſchwerlich ausreichen.
Noch einige Wochen verweilte der König am Rhein, ſchwelgend
in den hiſtoriſchen und künſtleriſchen Reizen des Landes. Ueberall riß
er die warmherzigen Maſſen hin; ſelbſt die gegen alles preußiſche Weſen
noch ſehr mißtrauiſchen Aachener fühlten ſich geehrt als er in gütiger
Anſprache ihre Treue lobte. Darauf gab er in Brühl, dem lieblichen
Rococoſchloſſe der Kölniſchen Kurfürſten ſeinen hohen Gäſten nochmals ein
Feſt und feierte in ſeinen Trinkſprüchen erſt die beiden Helden des Be-
freiungskrieges, die Könige von Württemberg und Niederland, alsdann,
an die alte Waffenbrüderſchaft erinnernd, den Erzherzog Johann, deſſen
Name „uns anwehe wie die Bergluft der Hochalpen“. In Deutſchland
war der greiſe Erzherzog ſo gut wie unbekannt, von den wenig glücklichen
Kriegsthaten ſeiner Jugendjahre ſprach längſt Niemand mehr. In der
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/190>, abgerufen am 23.11.2024.
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