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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Ulm und Rastatt.
nur erschweren.*) In der That mußte Preußen wieder ins Mittel
treten. Radowitz der vielgeplagte reiste im Januar 1842 nochmals nach
Wien, München, Stuttgart und brachte mit unsäglicher Mühe einen Ver-
gleich zu Stande, kraft dessen Württemberg den Gouverneur, Baiern den
Commandanten der zukünftigen Festung ernennen sollte.**) Ein Glück
nur, daß der preußische Major Prittwitz, einer der tüchtigsten Ingenieure
aus Aster's Schule, sich durch sein anspruchsloses Wesen und unbestreit-
bares Talent das persönliche Vertrauen König Wilhelm's gewann; so
ließ man ihn bei seinen Ulmer Bauplänen ziemlich frei gewähren.

Im October 1844 wurde der Grundstein für die beiden Festungen
gelegt, und nunmehr schritt der Bau langsam aber ununterbrochen vorwärts.
Rothschild mußte die 20 Mill. Fr. die ihm so vielen Segen gebracht, nach
und nach herauszahlen; er hatte sie in den letzten Jahren, auf Preußens
Andringen, etwas höher als früher, mit 3--31/2 Procent verzinst; jetzt
zog er bei jeder Rückzahlung 1/2 Procent Provision ab, und der Bundes-
tag ließ sich diese vertragswidrige Uebervortheilung gefallen, weil die Frank-
furter Bankiers, die es mit dem mächtigen Hause nicht verderben wollten,
inbrünstig betheuerten, günstigere Bedingungen könne Niemand stellen.***)

Das war das einzige werthvolle Geschenk, das der Deutsche Bund
seinem begeisterten königlichen Verehrer verdankte, und es ward dargebracht
mit einer Großmuth, welche der wohlberechtigten Ansprüche Preußens gar
nicht gedachte. Friedrich Wilhelm versuchte nicht einmal, für seine Truppen
das Mitbesatzungsrecht in den oberdeutschen Bundesfestungen zu fordern,
sondern bewilligte ganz unbedenklich, daß Oesterreich im Frieden für Ulm
einen Theil der Artillerie, für Rastatt die Pioniere, im Kriege für beide
Festungen ein Drittel der Besatzung stellen sollte; ließ man die Oester-
reicher also bis zum Oberrhein vorgehen, so schien der preußische Staat
auf die Vertheidigung Süddeutschlands, die er doch 1831 und 1840 für
sich gefordert hatte, für die Zukunft freiwillig zu verzichten. Daß Rastatt
jemals, so wie es im Jahre 1870 wirklich geschah, einen Angriff auf Straß-
burg unterstützen könnte, ward noch gar nicht als möglich angenommen;
nur Vertheidigungszwecken sollte die neue Bundesfestung dienen und auch
die Arbeiten der süddeutschen Generalstabsoffiziere erörterten immer nur
die klägliche Frage, wohin man sich bei einem französischen Angriffe
zurückziehen müsse.

Seit im Frühjahr 1841 die Kriegsrufe der Franzosen schwächer wurden,
ließ der politische Eifer der kleinen Höfe überall nach; sie alle priesen sich
im Stillen glücklich, daß der Deutsche Bund wieder in seine Nichtigkeit
zurücksank. Baden hatte noch zu Anfang des Jahres einen recht ver-

*) Bülow's Bericht, Frankfurt 24. Dec. 1891.
**) Rochow's Bericht, 16. Febr. 1842.
***) Berichte von Bülow, 7. März 1842, von Dönhoff, 2. Febr. 1847.

Ulm und Raſtatt.
nur erſchweren.*) In der That mußte Preußen wieder ins Mittel
treten. Radowitz der vielgeplagte reiſte im Januar 1842 nochmals nach
Wien, München, Stuttgart und brachte mit unſäglicher Mühe einen Ver-
gleich zu Stande, kraft deſſen Württemberg den Gouverneur, Baiern den
Commandanten der zukünftigen Feſtung ernennen ſollte.**) Ein Glück
nur, daß der preußiſche Major Prittwitz, einer der tüchtigſten Ingenieure
aus Aſter’s Schule, ſich durch ſein anſpruchsloſes Weſen und unbeſtreit-
bares Talent das perſönliche Vertrauen König Wilhelm’s gewann; ſo
ließ man ihn bei ſeinen Ulmer Bauplänen ziemlich frei gewähren.

Im October 1844 wurde der Grundſtein für die beiden Feſtungen
gelegt, und nunmehr ſchritt der Bau langſam aber ununterbrochen vorwärts.
Rothſchild mußte die 20 Mill. Fr. die ihm ſo vielen Segen gebracht, nach
und nach herauszahlen; er hatte ſie in den letzten Jahren, auf Preußens
Andringen, etwas höher als früher, mit 3—3½ Procent verzinſt; jetzt
zog er bei jeder Rückzahlung ½ Procent Proviſion ab, und der Bundes-
tag ließ ſich dieſe vertragswidrige Uebervortheilung gefallen, weil die Frank-
furter Bankiers, die es mit dem mächtigen Hauſe nicht verderben wollten,
inbrünſtig betheuerten, günſtigere Bedingungen könne Niemand ſtellen.***)

Das war das einzige werthvolle Geſchenk, das der Deutſche Bund
ſeinem begeiſterten königlichen Verehrer verdankte, und es ward dargebracht
mit einer Großmuth, welche der wohlberechtigten Anſprüche Preußens gar
nicht gedachte. Friedrich Wilhelm verſuchte nicht einmal, für ſeine Truppen
das Mitbeſatzungsrecht in den oberdeutſchen Bundesfeſtungen zu fordern,
ſondern bewilligte ganz unbedenklich, daß Oeſterreich im Frieden für Ulm
einen Theil der Artillerie, für Raſtatt die Pioniere, im Kriege für beide
Feſtungen ein Drittel der Beſatzung ſtellen ſollte; ließ man die Oeſter-
reicher alſo bis zum Oberrhein vorgehen, ſo ſchien der preußiſche Staat
auf die Vertheidigung Süddeutſchlands, die er doch 1831 und 1840 für
ſich gefordert hatte, für die Zukunft freiwillig zu verzichten. Daß Raſtatt
jemals, ſo wie es im Jahre 1870 wirklich geſchah, einen Angriff auf Straß-
burg unterſtützen könnte, ward noch gar nicht als möglich angenommen;
nur Vertheidigungszwecken ſollte die neue Bundesfeſtung dienen und auch
die Arbeiten der ſüddeutſchen Generalſtabsoffiziere erörterten immer nur
die klägliche Frage, wohin man ſich bei einem franzöſiſchen Angriffe
zurückziehen müſſe.

Seit im Frühjahr 1841 die Kriegsrufe der Franzoſen ſchwächer wurden,
ließ der politiſche Eifer der kleinen Höfe überall nach; ſie alle prieſen ſich
im Stillen glücklich, daß der Deutſche Bund wieder in ſeine Nichtigkeit
zurückſank. Baden hatte noch zu Anfang des Jahres einen recht ver-

*) Bülow’s Bericht, Frankfurt 24. Dec. 1891.
**) Rochow’s Bericht, 16. Febr. 1842.
***) Berichte von Bülow, 7. März 1842, von Dönhoff, 2. Febr. 1847.
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[103/0117] Ulm und Raſtatt. nur erſchweren. *) In der That mußte Preußen wieder ins Mittel treten. Radowitz der vielgeplagte reiſte im Januar 1842 nochmals nach Wien, München, Stuttgart und brachte mit unſäglicher Mühe einen Ver- gleich zu Stande, kraft deſſen Württemberg den Gouverneur, Baiern den Commandanten der zukünftigen Feſtung ernennen ſollte. **) Ein Glück nur, daß der preußiſche Major Prittwitz, einer der tüchtigſten Ingenieure aus Aſter’s Schule, ſich durch ſein anſpruchsloſes Weſen und unbeſtreit- bares Talent das perſönliche Vertrauen König Wilhelm’s gewann; ſo ließ man ihn bei ſeinen Ulmer Bauplänen ziemlich frei gewähren. Im October 1844 wurde der Grundſtein für die beiden Feſtungen gelegt, und nunmehr ſchritt der Bau langſam aber ununterbrochen vorwärts. Rothſchild mußte die 20 Mill. Fr. die ihm ſo vielen Segen gebracht, nach und nach herauszahlen; er hatte ſie in den letzten Jahren, auf Preußens Andringen, etwas höher als früher, mit 3—3½ Procent verzinſt; jetzt zog er bei jeder Rückzahlung ½ Procent Proviſion ab, und der Bundes- tag ließ ſich dieſe vertragswidrige Uebervortheilung gefallen, weil die Frank- furter Bankiers, die es mit dem mächtigen Hauſe nicht verderben wollten, inbrünſtig betheuerten, günſtigere Bedingungen könne Niemand ſtellen. ***) Das war das einzige werthvolle Geſchenk, das der Deutſche Bund ſeinem begeiſterten königlichen Verehrer verdankte, und es ward dargebracht mit einer Großmuth, welche der wohlberechtigten Anſprüche Preußens gar nicht gedachte. Friedrich Wilhelm verſuchte nicht einmal, für ſeine Truppen das Mitbeſatzungsrecht in den oberdeutſchen Bundesfeſtungen zu fordern, ſondern bewilligte ganz unbedenklich, daß Oeſterreich im Frieden für Ulm einen Theil der Artillerie, für Raſtatt die Pioniere, im Kriege für beide Feſtungen ein Drittel der Beſatzung ſtellen ſollte; ließ man die Oeſter- reicher alſo bis zum Oberrhein vorgehen, ſo ſchien der preußiſche Staat auf die Vertheidigung Süddeutſchlands, die er doch 1831 und 1840 für ſich gefordert hatte, für die Zukunft freiwillig zu verzichten. Daß Raſtatt jemals, ſo wie es im Jahre 1870 wirklich geſchah, einen Angriff auf Straß- burg unterſtützen könnte, ward noch gar nicht als möglich angenommen; nur Vertheidigungszwecken ſollte die neue Bundesfeſtung dienen und auch die Arbeiten der ſüddeutſchen Generalſtabsoffiziere erörterten immer nur die klägliche Frage, wohin man ſich bei einem franzöſiſchen Angriffe zurückziehen müſſe. Seit im Frühjahr 1841 die Kriegsrufe der Franzoſen ſchwächer wurden, ließ der politiſche Eifer der kleinen Höfe überall nach; ſie alle prieſen ſich im Stillen glücklich, daß der Deutſche Bund wieder in ſeine Nichtigkeit zurückſank. Baden hatte noch zu Anfang des Jahres einen recht ver- *) Bülow’s Bericht, Frankfurt 24. Dec. 1891. **) Rochow’s Bericht, 16. Febr. 1842. ***) Berichte von Bülow, 7. März 1842, von Dönhoff, 2. Febr. 1847.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/117>, abgerufen am 23.11.2024.