Heer, trotz der Rüstungen der jüngsten Zeit, noch immer in üblem Zu- stande,*) und die Geldmittel konnten nur durch den mehr bereitwilligen als wohlfeilen Beistand des getreuen Hauses Rothschild aufgebracht werden; doch zu einem Kampfe gegen italienische Freischaaren fühlte sich die alte Kaiser- macht noch stark genug. Sobald der Papst und die vertriebenen Fürsten ihren Hilferuf nach Wien erschallen ließen, rückten die Oesterreicher ein, und ehe der März zu Ende ging war das gesammte aufständische Gebiet wieder unterworfen. Franz von Modena verherrlichte seine Rückkehr nach seiner Gewohnheit durch Hinrichtungen und Einkerkerungen; der Papst aber begrüßte dankbar die auserlesene Schaar der Weißröcke, welche die Tempelschänder aus dem Levitengebiete vertrieben habe.
Den Hof des Palais Royal hielt Metternich durch einen diplo- matischen Meisterzug in Schach. Er sendete nach Paris eine aus Wahr- heit und Dichtung kunstvoll zusammengewobene Darstellung von dem Wesen und Ziele der italienischen Revolution (15. Februar). Danach sollte die Bewegung allein von dem Pariser Comite directeur ausgehen und den bestimmten Zweck verfolgen, den Sohn Napoleon's zum consti- tutionellen Könige von Italien zu erheben. Einige Beweisstücke, welche die weitverzweigten geheimen Umtriebe der Bonapartisten aufdeckten, legte er bei; dagegen verschwieg er weislich, daß der herrische König von Rom keineswegs gesonnen war, den italienischen Patrioten als Werkzeug zu dienen, sondern vielmehr zornglühend sich erboten hatte, mit seinem guten Degen seiner Mutter Marie Luise das verlorene Herzogthum Parma wieder zu erobern. Zwischen den Zeilen ward dann noch ange- deutet, der Großvater Napoleon's II. könne vielleicht doch in die Lage kommen, sich seines Enkels zu bedienen. Zum Schluß die unverblümte Drohung: "Unser Bekenntniß muß von denen verstanden werden, welche bei Strafe ihrer eigenen Vernichtung die Freunde unserer Sache sein müssen; denn unsere Sache ist im Grunde ihre eigene." Das Mittel wirkte. Die Orleans zitterten vor dem Bonapartismus, der selbst in Ludwig Philipp's nächster militärischer Umgebung geheime Anhänger zählte, und der Gedanke der Einheit Italiens war der neidischen Politik des Bürger- königthums ganz ebenso unheimlich wie dem Wiener Hofe. Frankreich regte sich nicht. Erst als der Aufstand gebändigt war erließ das Pariser Cabinet eine Verwahrung gegen die Besetzung des Kirchenstaates; von den kleinen Herzogthümern sprach man nicht, sie galten allgemein als ein unantastbares Familienbesitzthum des Hauses Oesterreich. Metternich aber baute dem geschlagenen Feinde goldene Brücken. Ganz wie vor zehn Jahren versicherte er feierlich, Oesterreich sei nicht um seinetwillen, sondern um der europäischen Ruhe willen eingeschritten. Darum wider- sprach er auch nicht, als auf Frankreichs Wunsch die Gesandten der fünf
*) Maltzahn's Bericht, 9. Januar 1831.
5*
Die Oeſterreicher im Kirchenſtaate.
Heer, trotz der Rüſtungen der jüngſten Zeit, noch immer in üblem Zu- ſtande,*) und die Geldmittel konnten nur durch den mehr bereitwilligen als wohlfeilen Beiſtand des getreuen Hauſes Rothſchild aufgebracht werden; doch zu einem Kampfe gegen italieniſche Freiſchaaren fühlte ſich die alte Kaiſer- macht noch ſtark genug. Sobald der Papſt und die vertriebenen Fürſten ihren Hilferuf nach Wien erſchallen ließen, rückten die Oeſterreicher ein, und ehe der März zu Ende ging war das geſammte aufſtändiſche Gebiet wieder unterworfen. Franz von Modena verherrlichte ſeine Rückkehr nach ſeiner Gewohnheit durch Hinrichtungen und Einkerkerungen; der Papſt aber begrüßte dankbar die auserleſene Schaar der Weißröcke, welche die Tempelſchänder aus dem Levitengebiete vertrieben habe.
Den Hof des Palais Royal hielt Metternich durch einen diplo- matiſchen Meiſterzug in Schach. Er ſendete nach Paris eine aus Wahr- heit und Dichtung kunſtvoll zuſammengewobene Darſtellung von dem Weſen und Ziele der italieniſchen Revolution (15. Februar). Danach ſollte die Bewegung allein von dem Pariſer Comité directeur ausgehen und den beſtimmten Zweck verfolgen, den Sohn Napoleon’s zum conſti- tutionellen Könige von Italien zu erheben. Einige Beweisſtücke, welche die weitverzweigten geheimen Umtriebe der Bonapartiſten aufdeckten, legte er bei; dagegen verſchwieg er weislich, daß der herriſche König von Rom keineswegs geſonnen war, den italieniſchen Patrioten als Werkzeug zu dienen, ſondern vielmehr zornglühend ſich erboten hatte, mit ſeinem guten Degen ſeiner Mutter Marie Luiſe das verlorene Herzogthum Parma wieder zu erobern. Zwiſchen den Zeilen ward dann noch ange- deutet, der Großvater Napoleon’s II. könne vielleicht doch in die Lage kommen, ſich ſeines Enkels zu bedienen. Zum Schluß die unverblümte Drohung: „Unſer Bekenntniß muß von denen verſtanden werden, welche bei Strafe ihrer eigenen Vernichtung die Freunde unſerer Sache ſein müſſen; denn unſere Sache iſt im Grunde ihre eigene.“ Das Mittel wirkte. Die Orleans zitterten vor dem Bonapartismus, der ſelbſt in Ludwig Philipp’s nächſter militäriſcher Umgebung geheime Anhänger zählte, und der Gedanke der Einheit Italiens war der neidiſchen Politik des Bürger- königthums ganz ebenſo unheimlich wie dem Wiener Hofe. Frankreich regte ſich nicht. Erſt als der Aufſtand gebändigt war erließ das Pariſer Cabinet eine Verwahrung gegen die Beſetzung des Kirchenſtaates; von den kleinen Herzogthümern ſprach man nicht, ſie galten allgemein als ein unantaſtbares Familienbeſitzthum des Hauſes Oeſterreich. Metternich aber baute dem geſchlagenen Feinde goldene Brücken. Ganz wie vor zehn Jahren verſicherte er feierlich, Oeſterreich ſei nicht um ſeinetwillen, ſondern um der europäiſchen Ruhe willen eingeſchritten. Darum wider- ſprach er auch nicht, als auf Frankreichs Wunſch die Geſandten der fünf
*) Maltzahn’s Bericht, 9. Januar 1831.
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Die Oeſterreicher im Kirchenſtaate.
Heer, trotz der Rüſtungen der jüngſten Zeit, noch immer in üblem Zu-
ſtande, *) und die Geldmittel konnten nur durch den mehr bereitwilligen als
wohlfeilen Beiſtand des getreuen Hauſes Rothſchild aufgebracht werden; doch
zu einem Kampfe gegen italieniſche Freiſchaaren fühlte ſich die alte Kaiſer-
macht noch ſtark genug. Sobald der Papſt und die vertriebenen Fürſten
ihren Hilferuf nach Wien erſchallen ließen, rückten die Oeſterreicher ein,
und ehe der März zu Ende ging war das geſammte aufſtändiſche Gebiet
wieder unterworfen. Franz von Modena verherrlichte ſeine Rückkehr
nach ſeiner Gewohnheit durch Hinrichtungen und Einkerkerungen; der
Papſt aber begrüßte dankbar die auserleſene Schaar der Weißröcke, welche
die Tempelſchänder aus dem Levitengebiete vertrieben habe.
Den Hof des Palais Royal hielt Metternich durch einen diplo-
matiſchen Meiſterzug in Schach. Er ſendete nach Paris eine aus Wahr-
heit und Dichtung kunſtvoll zuſammengewobene Darſtellung von dem
Weſen und Ziele der italieniſchen Revolution (15. Februar). Danach
ſollte die Bewegung allein von dem Pariſer Comité directeur ausgehen
und den beſtimmten Zweck verfolgen, den Sohn Napoleon’s zum conſti-
tutionellen Könige von Italien zu erheben. Einige Beweisſtücke, welche
die weitverzweigten geheimen Umtriebe der Bonapartiſten aufdeckten,
legte er bei; dagegen verſchwieg er weislich, daß der herriſche König von
Rom keineswegs geſonnen war, den italieniſchen Patrioten als Werkzeug
zu dienen, ſondern vielmehr zornglühend ſich erboten hatte, mit ſeinem
guten Degen ſeiner Mutter Marie Luiſe das verlorene Herzogthum
Parma wieder zu erobern. Zwiſchen den Zeilen ward dann noch ange-
deutet, der Großvater Napoleon’s II. könne vielleicht doch in die Lage
kommen, ſich ſeines Enkels zu bedienen. Zum Schluß die unverblümte
Drohung: „Unſer Bekenntniß muß von denen verſtanden werden, welche
bei Strafe ihrer eigenen Vernichtung die Freunde unſerer Sache ſein
müſſen; denn unſere Sache iſt im Grunde ihre eigene.“ Das Mittel wirkte.
Die Orleans zitterten vor dem Bonapartismus, der ſelbſt in Ludwig
Philipp’s nächſter militäriſcher Umgebung geheime Anhänger zählte, und
der Gedanke der Einheit Italiens war der neidiſchen Politik des Bürger-
königthums ganz ebenſo unheimlich wie dem Wiener Hofe. Frankreich
regte ſich nicht. Erſt als der Aufſtand gebändigt war erließ das Pariſer
Cabinet eine Verwahrung gegen die Beſetzung des Kirchenſtaates; von
den kleinen Herzogthümern ſprach man nicht, ſie galten allgemein als
ein unantaſtbares Familienbeſitzthum des Hauſes Oeſterreich. Metternich
aber baute dem geſchlagenen Feinde goldene Brücken. Ganz wie vor
zehn Jahren verſicherte er feierlich, Oeſterreich ſei nicht um ſeinetwillen,
ſondern um der europäiſchen Ruhe willen eingeſchritten. Darum wider-
ſprach er auch nicht, als auf Frankreichs Wunſch die Geſandten der fünf
*) Maltzahn’s Bericht, 9. Januar 1831.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/81>, abgerufen am 27.11.2024.
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