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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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XXII. Das Frankfurter Attentat.
sich überall die Burschenschaften darauf vorbereiten. Dies thaten wir nun in der Weise,
daß sich aus den Entschiedensten in der Verbindung ein politischer Club bildete, der
specielle Besprechungen hielt zu obigem Zweck. Es kamen auch zu zwei malen alte Bur-
schenschafter aus Frankfurt, Körner und K. Bunsen, zu uns, um uns über den Stand
der Sache Berichte zu bringen. Es seien, hieß es, die Burschenschaften fast aller der Uni-
versitäten bereit zum Losschlagen. Der Frankfurter Soldateska sei man durch den Haupt-
mann Jungmichel sicher, ebenso seien einige württembergische Regimenter, speciell in Lud-
wigsburg gewonnen, und an die Spitze würden die bewährtesten deutschen Volksmänner
treten. Schließlich wurde uns mitgetheilt, am 3. April sollte der Aufstand geschehen,
und zwar sollten von den einzelnen Universitäten eine Anzahl Studenten nach Frank-
furt kommen, um dort den Hauptcoup zu thun, den Bundestag bei voller Sitzung auf-
zuheben. Der Bundestag hatte sich in letzter Zeit mehr und mehr durch Polizei-Ukase
-- Folgen des Hambacher Festes --, durch die Bundesbeschlüsse vom Juni 1832, zunächst
durch Annullirung des badischen Preßgesetzes, verhaßt gemacht. In den letzten Tagen
des März fuhr ich in einer Retourkutsche nach Frankfurt in Begleitung von drei Heidel-
berger Studenten, die mir unbekannt und die in die Ferien gingen. Unterwegs wurde
auch politisirt, wobei einer der Studenten in höchst auffallender Weise als Aristokrat
und Bundestags-Polizeimann sich gerirte und mit uns Andern in Widerspruch gerieth.
Und wirklich wurde er auch nachher Actuar auf dem Polizeiamt in Frankfurt und hat
dieser Frankfurter Republikaner, er hieß Stellwag, als er mich später zu Gesicht bekam,
im Spätjahr 1834, sich meiner erinnert und in gehässigster Weise gegen mich Aussagen
zu Protokoll gegeben, die mich als Revolutionär belasten sollten. --

Ich kam zu früh, am 24. oder 25. März nach Frankfurt, da ich etwa bei dortigen
Verwandten verweilen, oder auch nach Nahern und Kehnel zu den Pfarrers-Onkeln gehen
konnte, wo man mich zu einem Besuch während der Ferien erwartete. Ich ging aber
zunächst zu einigen mir dem Namen nach bekannten Verschworenen, und Buchhändler
Oehler nahm mich mit in eine Versammlug der Frankfurter Revolutionäre, wo ich mich
alsbald überzeugte, daß die Sache auf gar schwachen Füßen stehe und der Erfolg sehr
zweifelhaft sei. Namentlich schien mir das Einverständniß mit dem Militär (man hoffte
sogar auf Abfall des Mainzer) sehr prekär und am gewissesten stellte sich nur die Be-
theiligung von kurhessischem Landvolk nördlich von Frankfurt heraus, wo unter der
Thätigkeit eines Advokaten, Neuhoff, eine sehr revolutionäre Stimmung herrschte. Zu-
nächst ergab sich bei der Besprechung, daß man der Betheiligung der Würzburger und
Erlanger Burschenschaften nicht sicher sei, und erbot ich mich schließlich selbst dahin zu
reisen, um zu sehen, wie es dort stehe. Und so ging ich mit der Post am andern Tag
nach Würzburg, wo ich im Hause des R. v. Wels wohnte. Von den Würzburgern
wollten einige auf den 3. April nach Frankfurt kommen; sie wollten auch sofort Einen
nach Erlangen schicken mit der Aufforderung der Betheiligung.

Am 1. April kam ich wieder nach Frankfurt zurück und beim Aussteigen aus dem
Postwagen liefen mir meine Heidelberger Bekannten, die eben über Rheinbaiern ange-
kommen waren, in die Hände, und wir gingen zusammen um Wohnung zu nehmen in
den Donnersberg. Wir wurden aufgefordert, am 2. April Mittags nach Bockenheim zu
kommen in ein Gasthaus, wo wir in einem oberen Zimmer allein sein könnten. Dort trafen
wir Studenten mit einigen Frankfurtern, Dr. Bunsen, Körner etc. und dem Göttinger
Rauschenplatt zusammen und es wurden die Rollen vertheilt. Wir wurden, etliche
dreißig Studenten, in drei Rotten abgetheilt. Wir Heidelberger sollten unter der Füh-
rung von Bunsen von der Münze aus, wo wir uns Abends zu versammeln hatten, die
Hauptwache nehmen. Eine zweite Abtheilung sollte die Constabler-Wache stürmen und
das daneben liegende Zeughaus öffnen um die zwei Kanonen und Flinten herauszu-
holen; zu dieser Abtheilung wurden Einzelne, speciell Baiern, die Artillerieschulen durch-
gemacht, gewählt, und Patronen für die Geschütze waren gefertigt. Die dritte Rotte
hatte einige kleinere Posten zu besetzen, speciell auch den Pfarrthurm mit den Frank-

XXII. Das Frankfurter Attentat.
ſich überall die Burſchenſchaften darauf vorbereiten. Dies thaten wir nun in der Weiſe,
daß ſich aus den Entſchiedenſten in der Verbindung ein politiſcher Club bildete, der
ſpecielle Beſprechungen hielt zu obigem Zweck. Es kamen auch zu zwei malen alte Bur-
ſchenſchafter aus Frankfurt, Körner und K. Bunſen, zu uns, um uns über den Stand
der Sache Berichte zu bringen. Es ſeien, hieß es, die Burſchenſchaften faſt aller der Uni-
verſitäten bereit zum Losſchlagen. Der Frankfurter Soldateska ſei man durch den Haupt-
mann Jungmichel ſicher, ebenſo ſeien einige württembergiſche Regimenter, ſpeciell in Lud-
wigsburg gewonnen, und an die Spitze würden die bewährteſten deutſchen Volksmänner
treten. Schließlich wurde uns mitgetheilt, am 3. April ſollte der Aufſtand geſchehen,
und zwar ſollten von den einzelnen Univerſitäten eine Anzahl Studenten nach Frank-
furt kommen, um dort den Hauptcoup zu thun, den Bundestag bei voller Sitzung auf-
zuheben. Der Bundestag hatte ſich in letzter Zeit mehr und mehr durch Polizei-Ukaſe
— Folgen des Hambacher Feſtes —, durch die Bundesbeſchlüſſe vom Juni 1832, zunächſt
durch Annullirung des badiſchen Preßgeſetzes, verhaßt gemacht. In den letzten Tagen
des März fuhr ich in einer Retourkutſche nach Frankfurt in Begleitung von drei Heidel-
berger Studenten, die mir unbekannt und die in die Ferien gingen. Unterwegs wurde
auch politiſirt, wobei einer der Studenten in höchſt auffallender Weiſe als Ariſtokrat
und Bundestags-Polizeimann ſich gerirte und mit uns Andern in Widerſpruch gerieth.
Und wirklich wurde er auch nachher Actuar auf dem Polizeiamt in Frankfurt und hat
dieſer Frankfurter Republikaner, er hieß Stellwag, als er mich ſpäter zu Geſicht bekam,
im Spätjahr 1834, ſich meiner erinnert und in gehäſſigſter Weiſe gegen mich Ausſagen
zu Protokoll gegeben, die mich als Revolutionär belaſten ſollten. —

Ich kam zu früh, am 24. oder 25. März nach Frankfurt, da ich etwa bei dortigen
Verwandten verweilen, oder auch nach Nahern und Kehnel zu den Pfarrers-Onkeln gehen
konnte, wo man mich zu einem Beſuch während der Ferien erwartete. Ich ging aber
zunächſt zu einigen mir dem Namen nach bekannten Verſchworenen, und Buchhändler
Oehler nahm mich mit in eine Verſammlug der Frankfurter Revolutionäre, wo ich mich
alsbald überzeugte, daß die Sache auf gar ſchwachen Füßen ſtehe und der Erfolg ſehr
zweifelhaft ſei. Namentlich ſchien mir das Einverſtändniß mit dem Militär (man hoffte
ſogar auf Abfall des Mainzer) ſehr prekär und am gewiſſeſten ſtellte ſich nur die Be-
theiligung von kurheſſiſchem Landvolk nördlich von Frankfurt heraus, wo unter der
Thätigkeit eines Advokaten, Neuhoff, eine ſehr revolutionäre Stimmung herrſchte. Zu-
nächſt ergab ſich bei der Beſprechung, daß man der Betheiligung der Würzburger und
Erlanger Burſchenſchaften nicht ſicher ſei, und erbot ich mich ſchließlich ſelbſt dahin zu
reiſen, um zu ſehen, wie es dort ſtehe. Und ſo ging ich mit der Poſt am andern Tag
nach Würzburg, wo ich im Hauſe des R. v. Wels wohnte. Von den Würzburgern
wollten einige auf den 3. April nach Frankfurt kommen; ſie wollten auch ſofort Einen
nach Erlangen ſchicken mit der Aufforderung der Betheiligung.

Am 1. April kam ich wieder nach Frankfurt zurück und beim Ausſteigen aus dem
Poſtwagen liefen mir meine Heidelberger Bekannten, die eben über Rheinbaiern ange-
kommen waren, in die Hände, und wir gingen zuſammen um Wohnung zu nehmen in
den Donnersberg. Wir wurden aufgefordert, am 2. April Mittags nach Bockenheim zu
kommen in ein Gaſthaus, wo wir in einem oberen Zimmer allein ſein könnten. Dort trafen
wir Studenten mit einigen Frankfurtern, Dr. Bunſen, Körner etc. und dem Göttinger
Rauſchenplatt zuſammen und es wurden die Rollen vertheilt. Wir wurden, etliche
dreißig Studenten, in drei Rotten abgetheilt. Wir Heidelberger ſollten unter der Füh-
rung von Bunſen von der Münze aus, wo wir uns Abends zu verſammeln hatten, die
Hauptwache nehmen. Eine zweite Abtheilung ſollte die Conſtabler-Wache ſtürmen und
das daneben liegende Zeughaus öffnen um die zwei Kanonen und Flinten herauszu-
holen; zu dieſer Abtheilung wurden Einzelne, ſpeciell Baiern, die Artillerieſchulen durch-
gemacht, gewählt, und Patronen für die Geſchütze waren gefertigt. Die dritte Rotte
hatte einige kleinere Poſten zu beſetzen, ſpeciell auch den Pfarrthurm mit den Frank-

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[746/0760] XXII. Das Frankfurter Attentat. ſich überall die Burſchenſchaften darauf vorbereiten. Dies thaten wir nun in der Weiſe, daß ſich aus den Entſchiedenſten in der Verbindung ein politiſcher Club bildete, der ſpecielle Beſprechungen hielt zu obigem Zweck. Es kamen auch zu zwei malen alte Bur- ſchenſchafter aus Frankfurt, Körner und K. Bunſen, zu uns, um uns über den Stand der Sache Berichte zu bringen. Es ſeien, hieß es, die Burſchenſchaften faſt aller der Uni- verſitäten bereit zum Losſchlagen. Der Frankfurter Soldateska ſei man durch den Haupt- mann Jungmichel ſicher, ebenſo ſeien einige württembergiſche Regimenter, ſpeciell in Lud- wigsburg gewonnen, und an die Spitze würden die bewährteſten deutſchen Volksmänner treten. Schließlich wurde uns mitgetheilt, am 3. April ſollte der Aufſtand geſchehen, und zwar ſollten von den einzelnen Univerſitäten eine Anzahl Studenten nach Frank- furt kommen, um dort den Hauptcoup zu thun, den Bundestag bei voller Sitzung auf- zuheben. Der Bundestag hatte ſich in letzter Zeit mehr und mehr durch Polizei-Ukaſe — Folgen des Hambacher Feſtes —, durch die Bundesbeſchlüſſe vom Juni 1832, zunächſt durch Annullirung des badiſchen Preßgeſetzes, verhaßt gemacht. In den letzten Tagen des März fuhr ich in einer Retourkutſche nach Frankfurt in Begleitung von drei Heidel- berger Studenten, die mir unbekannt und die in die Ferien gingen. Unterwegs wurde auch politiſirt, wobei einer der Studenten in höchſt auffallender Weiſe als Ariſtokrat und Bundestags-Polizeimann ſich gerirte und mit uns Andern in Widerſpruch gerieth. Und wirklich wurde er auch nachher Actuar auf dem Polizeiamt in Frankfurt und hat dieſer Frankfurter Republikaner, er hieß Stellwag, als er mich ſpäter zu Geſicht bekam, im Spätjahr 1834, ſich meiner erinnert und in gehäſſigſter Weiſe gegen mich Ausſagen zu Protokoll gegeben, die mich als Revolutionär belaſten ſollten. — Ich kam zu früh, am 24. oder 25. März nach Frankfurt, da ich etwa bei dortigen Verwandten verweilen, oder auch nach Nahern und Kehnel zu den Pfarrers-Onkeln gehen konnte, wo man mich zu einem Beſuch während der Ferien erwartete. Ich ging aber zunächſt zu einigen mir dem Namen nach bekannten Verſchworenen, und Buchhändler Oehler nahm mich mit in eine Verſammlug der Frankfurter Revolutionäre, wo ich mich alsbald überzeugte, daß die Sache auf gar ſchwachen Füßen ſtehe und der Erfolg ſehr zweifelhaft ſei. Namentlich ſchien mir das Einverſtändniß mit dem Militär (man hoffte ſogar auf Abfall des Mainzer) ſehr prekär und am gewiſſeſten ſtellte ſich nur die Be- theiligung von kurheſſiſchem Landvolk nördlich von Frankfurt heraus, wo unter der Thätigkeit eines Advokaten, Neuhoff, eine ſehr revolutionäre Stimmung herrſchte. Zu- nächſt ergab ſich bei der Beſprechung, daß man der Betheiligung der Würzburger und Erlanger Burſchenſchaften nicht ſicher ſei, und erbot ich mich ſchließlich ſelbſt dahin zu reiſen, um zu ſehen, wie es dort ſtehe. Und ſo ging ich mit der Poſt am andern Tag nach Würzburg, wo ich im Hauſe des R. v. Wels wohnte. Von den Würzburgern wollten einige auf den 3. April nach Frankfurt kommen; ſie wollten auch ſofort Einen nach Erlangen ſchicken mit der Aufforderung der Betheiligung. Am 1. April kam ich wieder nach Frankfurt zurück und beim Ausſteigen aus dem Poſtwagen liefen mir meine Heidelberger Bekannten, die eben über Rheinbaiern ange- kommen waren, in die Hände, und wir gingen zuſammen um Wohnung zu nehmen in den Donnersberg. Wir wurden aufgefordert, am 2. April Mittags nach Bockenheim zu kommen in ein Gaſthaus, wo wir in einem oberen Zimmer allein ſein könnten. Dort trafen wir Studenten mit einigen Frankfurtern, Dr. Bunſen, Körner etc. und dem Göttinger Rauſchenplatt zuſammen und es wurden die Rollen vertheilt. Wir wurden, etliche dreißig Studenten, in drei Rotten abgetheilt. Wir Heidelberger ſollten unter der Füh- rung von Bunſen von der Münze aus, wo wir uns Abends zu verſammeln hatten, die Hauptwache nehmen. Eine zweite Abtheilung ſollte die Conſtabler-Wache ſtürmen und das daneben liegende Zeughaus öffnen um die zwei Kanonen und Flinten herauszu- holen; zu dieſer Abtheilung wurden Einzelne, ſpeciell Baiern, die Artillerieſchulen durch- gemacht, gewählt, und Patronen für die Geſchütze waren gefertigt. Die dritte Rotte hatte einige kleinere Poſten zu beſetzen, ſpeciell auch den Pfarrthurm mit den Frank-

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/760>, abgerufen am 18.04.2024.