lich verschwanden um nachher unter den Rothröcken des römischen Ger- manicums wieder aufzutauchen; kehrten sie dann heim, so waren ihre Münchener Abgangszeugnisse, Dank den unbekannten bairischen Gönnern, stets in bester Ordnung.
Durch den glänzenden Sieg, welchen der römische Stuhl auf dem alten Schlachtfelde der Confessionen, in Belgien erfochten hatte, war das Selbstvertrauen der Clericalen überall mächtig angewachsen; sie nannten sich jetzt selbst die ultramontane Partei, und der Name ist ihnen fortan geblieben. Welch ein unermeßlicher Vortheil, daß man fortan triumphirend auf jenes Land verweisen konnte, das von den kurzsichtigen Liberalen als ein Musterstaat gefeiert wurde: die Alleinherrschaft der römischen Kirche war also mit constitutioneller Freiheit nicht unvereinbar! Der belgische Clerus verleugnete seine hispanische Schule nicht; seine Sprache gegen die evangelische Kirche ward immer dreister und drohender. Einer der flandrischen Bischöfe, van der Velde, warnte seine gläubige Heerde in einem Hirtenbriefe vor den Verführern, welche das katholische Volk in der Fasten- zeit zu Tanzvergnügungen, zum Besuche unzüchtiger Schauspiele und zum Lesen der heiligen Bücher in der Volkssprache verleiteten; durch solche Mittel suchten die Bibelgesellschaften die Gewissen zu bethören, "wie ihre würdigen Muster im sechzehnten Jahrhundert mit so sehr zu beklagendem Erfolge gethan!" So lange die französische Revolution den Clerus unter- drückte und beraubte, stand die Curie im Lager der conservativen Höfe; jetzt aber erhoben sich überall revolutionäre Mächte, welche der Kirche günstig schienen, und sofort zeigte sich, daß die römische Politik nur kirch- liche Ziele verfolgen darf, mithin alle politischen Parteien lediglich als Mittel behandeln kann. In Belgien stand die Clerisei an der Spitze der Rebellen, und sobald sie die Theilung der Niederlande durchgesetzt, wußte sie alle die constitutionellen Freiheiten, welche der römische Stuhl so oft verdammt hatte, die Freiheit der parlamentarischen Rednerbühne, der Presse, der Vereine mit großem Geschick für ihre Zwecke auszunutzen. In Polen wie in Irland schürten die Ultramontanen den Aufruhr; auch in Frank- reich hielten sie sich bereit, jederzeit mit der radicalen Opposition zusammen- zugehen, weil sie trotz der Nachgiebigkeit, welche Ludwig Philipp ihnen er- wies, den durchaus unkirchlichen Charakter dieses Bürgerkönigthums richtig erkannten. Am allerwenigsten wollten sie die alte Pfaffengasse des deut- schen Reichs dem Staate gönnen, den sie mit Recht für die Vormacht des festländischen Protestantismus hielten. Allen Rheinländern war wohlbe- kannt, daß überall geheime Späher des römischen Stuhles und der bel- gischen Ultramontanen das Verhalten des Clerus sorgfältig belauerten und jeden Mißgriff der Regierung ausbeuteten; manche Heißsporne empfahlen die Vereinigung des Rheinlands mit dem katholischen Belgien, Andere wünschten das fromme Haus Wittelsbach, das zwei Jahrhunderte hindurch in Düsseldorf und in Köln geherrscht hatte, an den Rhein zurückzuführen.
Gregor XVI. und der belgiſche Clerus.
lich verſchwanden um nachher unter den Rothröcken des römiſchen Ger- manicums wieder aufzutauchen; kehrten ſie dann heim, ſo waren ihre Münchener Abgangszeugniſſe, Dank den unbekannten bairiſchen Gönnern, ſtets in beſter Ordnung.
Durch den glänzenden Sieg, welchen der römiſche Stuhl auf dem alten Schlachtfelde der Confeſſionen, in Belgien erfochten hatte, war das Selbſtvertrauen der Clericalen überall mächtig angewachſen; ſie nannten ſich jetzt ſelbſt die ultramontane Partei, und der Name iſt ihnen fortan geblieben. Welch ein unermeßlicher Vortheil, daß man fortan triumphirend auf jenes Land verweiſen konnte, das von den kurzſichtigen Liberalen als ein Muſterſtaat gefeiert wurde: die Alleinherrſchaft der römiſchen Kirche war alſo mit conſtitutioneller Freiheit nicht unvereinbar! Der belgiſche Clerus verleugnete ſeine hispaniſche Schule nicht; ſeine Sprache gegen die evangeliſche Kirche ward immer dreiſter und drohender. Einer der flandriſchen Biſchöfe, van der Velde, warnte ſeine gläubige Heerde in einem Hirtenbriefe vor den Verführern, welche das katholiſche Volk in der Faſten- zeit zu Tanzvergnügungen, zum Beſuche unzüchtiger Schauſpiele und zum Leſen der heiligen Bücher in der Volksſprache verleiteten; durch ſolche Mittel ſuchten die Bibelgeſellſchaften die Gewiſſen zu bethören, „wie ihre würdigen Muſter im ſechzehnten Jahrhundert mit ſo ſehr zu beklagendem Erfolge gethan!“ So lange die franzöſiſche Revolution den Clerus unter- drückte und beraubte, ſtand die Curie im Lager der conſervativen Höfe; jetzt aber erhoben ſich überall revolutionäre Mächte, welche der Kirche günſtig ſchienen, und ſofort zeigte ſich, daß die römiſche Politik nur kirch- liche Ziele verfolgen darf, mithin alle politiſchen Parteien lediglich als Mittel behandeln kann. In Belgien ſtand die Cleriſei an der Spitze der Rebellen, und ſobald ſie die Theilung der Niederlande durchgeſetzt, wußte ſie alle die conſtitutionellen Freiheiten, welche der römiſche Stuhl ſo oft verdammt hatte, die Freiheit der parlamentariſchen Rednerbühne, der Preſſe, der Vereine mit großem Geſchick für ihre Zwecke auszunutzen. In Polen wie in Irland ſchürten die Ultramontanen den Aufruhr; auch in Frank- reich hielten ſie ſich bereit, jederzeit mit der radicalen Oppoſition zuſammen- zugehen, weil ſie trotz der Nachgiebigkeit, welche Ludwig Philipp ihnen er- wies, den durchaus unkirchlichen Charakter dieſes Bürgerkönigthums richtig erkannten. Am allerwenigſten wollten ſie die alte Pfaffengaſſe des deut- ſchen Reichs dem Staate gönnen, den ſie mit Recht für die Vormacht des feſtländiſchen Proteſtantismus hielten. Allen Rheinländern war wohlbe- kannt, daß überall geheime Späher des römiſchen Stuhles und der bel- giſchen Ultramontanen das Verhalten des Clerus ſorgfältig belauerten und jeden Mißgriff der Regierung ausbeuteten; manche Heißſporne empfahlen die Vereinigung des Rheinlands mit dem katholiſchen Belgien, Andere wünſchten das fromme Haus Wittelsbach, das zwei Jahrhunderte hindurch in Düſſeldorf und in Köln geherrſcht hatte, an den Rhein zurückzuführen.
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Gregor XVI. und der belgiſche Clerus.
lich verſchwanden um nachher unter den Rothröcken des römiſchen Ger-
manicums wieder aufzutauchen; kehrten ſie dann heim, ſo waren ihre
Münchener Abgangszeugniſſe, Dank den unbekannten bairiſchen Gönnern,
ſtets in beſter Ordnung.
Durch den glänzenden Sieg, welchen der römiſche Stuhl auf dem
alten Schlachtfelde der Confeſſionen, in Belgien erfochten hatte, war das
Selbſtvertrauen der Clericalen überall mächtig angewachſen; ſie nannten
ſich jetzt ſelbſt die ultramontane Partei, und der Name iſt ihnen fortan
geblieben. Welch ein unermeßlicher Vortheil, daß man fortan triumphirend
auf jenes Land verweiſen konnte, das von den kurzſichtigen Liberalen als
ein Muſterſtaat gefeiert wurde: die Alleinherrſchaft der römiſchen Kirche
war alſo mit conſtitutioneller Freiheit nicht unvereinbar! Der belgiſche
Clerus verleugnete ſeine hispaniſche Schule nicht; ſeine Sprache gegen
die evangeliſche Kirche ward immer dreiſter und drohender. Einer der
flandriſchen Biſchöfe, van der Velde, warnte ſeine gläubige Heerde in einem
Hirtenbriefe vor den Verführern, welche das katholiſche Volk in der Faſten-
zeit zu Tanzvergnügungen, zum Beſuche unzüchtiger Schauſpiele und zum
Leſen der heiligen Bücher in der Volksſprache verleiteten; durch ſolche
Mittel ſuchten die Bibelgeſellſchaften die Gewiſſen zu bethören, „wie ihre
würdigen Muſter im ſechzehnten Jahrhundert mit ſo ſehr zu beklagendem
Erfolge gethan!“ So lange die franzöſiſche Revolution den Clerus unter-
drückte und beraubte, ſtand die Curie im Lager der conſervativen Höfe;
jetzt aber erhoben ſich überall revolutionäre Mächte, welche der Kirche
günſtig ſchienen, und ſofort zeigte ſich, daß die römiſche Politik nur kirch-
liche Ziele verfolgen darf, mithin alle politiſchen Parteien lediglich als
Mittel behandeln kann. In Belgien ſtand die Cleriſei an der Spitze der
Rebellen, und ſobald ſie die Theilung der Niederlande durchgeſetzt, wußte
ſie alle die conſtitutionellen Freiheiten, welche der römiſche Stuhl ſo oft
verdammt hatte, die Freiheit der parlamentariſchen Rednerbühne, der Preſſe,
der Vereine mit großem Geſchick für ihre Zwecke auszunutzen. In Polen
wie in Irland ſchürten die Ultramontanen den Aufruhr; auch in Frank-
reich hielten ſie ſich bereit, jederzeit mit der radicalen Oppoſition zuſammen-
zugehen, weil ſie trotz der Nachgiebigkeit, welche Ludwig Philipp ihnen er-
wies, den durchaus unkirchlichen Charakter dieſes Bürgerkönigthums richtig
erkannten. Am allerwenigſten wollten ſie die alte Pfaffengaſſe des deut-
ſchen Reichs dem Staate gönnen, den ſie mit Recht für die Vormacht des
feſtländiſchen Proteſtantismus hielten. Allen Rheinländern war wohlbe-
kannt, daß überall geheime Späher des römiſchen Stuhles und der bel-
giſchen Ultramontanen das Verhalten des Clerus ſorgfältig belauerten und
jeden Mißgriff der Regierung ausbeuteten; manche Heißſporne empfahlen
die Vereinigung des Rheinlands mit dem katholiſchen Belgien, Andere
wünſchten das fromme Haus Wittelsbach, das zwei Jahrhunderte hindurch
in Düſſeldorf und in Köln geherrſcht hatte, an den Rhein zurückzuführen.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/699>, abgerufen am 24.11.2024.
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