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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Besprechung in Königswarth.
hoffte dort mit Metternich und einem der preußischen Staatsmänner zu
sprechen. Da er mit seinem getreuen Rathgeber noch nicht handelseinig war,
so ließ er sich, zu Schele's Aerger, nicht von dem Minister selbst begleiten,
sondern von dessen Sohne; dieser junge Mann führte den wohllautenden
Titel Legationsrath, welchen die Mittelstaaten den unbrauchbaren Söhnen
ihres Adels anzuheften liebten. Metternich, der durch die hannöverschen
Nachrichten kaum minder peinlich betroffen war als der Berliner Hof,
hatte sich unterdessen in Teplitz mit König Friedrich Wilhelm und Minister
Werther besprochen. Die beiden Cabinette beschlossen, in der heiklen Sache
gemeinsam vorzugehen; sie wollten sich aber auch nicht vorzeitig die Hände
binden, sondern zunächst nur vertrauliche persönliche Rathschläge ertheilen.*)
Demgemäß schrieben Metternich und Werther beide (7. Aug.) an den älteren
Schele, der ihnen eine Denkschrift über das Patent gesendet hatte. Der
Preuße mahnte freundschaftlich, man möge in Hannover Alles vermeiden,
was den Bundestag zum Einschreiten zwingen könnte. Der Oesterreicher
versicherte ebenso behutsam, "jedes rechtmäßige Streben" nach Befestigung
des monarchischen Princips sei willkommen; man dürfe aber nicht ver-
gessen, daß die constitutionellen Bundesregierungen sich auf den Wiener
Conferenzen von 1834 sehr entschieden für die Unverbrüchlichkeit der be-
stehenden Verfassungen ausgesprochen hätten; er schloß mit dem Wunsche,
daß es gelingen möge, "die Verfassungsänderungen im ruhigen, friedlichen
Wege, unter Beachtung aller jener Rücksichten, die einmal nicht umgangen
werden können, in das Leben zu rufen."**)

So war die Stimmung der Höfe, als Maltzan und bald nachher
Metternich bei dem Könige in Karlsbad vorsprachen. Beide waren freudig
überrascht, den gefürchteten Welfen so ruhig, einsichtig, maßvoll reden
zu hören; er versprach bestimmt nur auf gesetzlichem Wege vorzugehen***),
und da sie Beide von den früheren Verhandlungen nichts kannten, so
mußten sie ihm auch Glauben schenken, als er heilig betheuerte, daß er
gegen das Staatsgrundgesetz von vornherein protestirt hätte. Wer konnte
auch für möglich halten, daß ein deutscher Fürst so schamlos löge? Nun-
mehr war Metternich, dessen staatsrechtliche Kenntnisse nicht sehr weit
reichten, fest davon überzeugt, daß Ernst August an das Staatsgrund-
gesetz nicht gebunden sei; er rechnete es dem Welfen sogar zur Ehre an,
daß er die Verpflichtung auf dies Gesetz so ritterlich von der Hand ge-
wiesen hatte.

Aber wie nun friedlich weiter kommen auf der Bahn des Unrechts,
das durchaus Recht sein sollte? Gleich nach den Karlsbader Gesprächen
wurde auf Metternich's Schlosse Königswarth eine lange Berathung ge-
halten (11. August). Theilnehmer waren außer dem Schloßherrn selbst:

*) Metternich, Weisung an Trauttmansdorff, 28. Juli 1837.
**) Werther an Schele, 7. Aug.; Metternich an Schele, 7. Aug. 1837.
***) Maltzan's Bericht, 7. August. Metternich an Trauttmansdorff, 12. Aug. 1837.

Beſprechung in Königswarth.
hoffte dort mit Metternich und einem der preußiſchen Staatsmänner zu
ſprechen. Da er mit ſeinem getreuen Rathgeber noch nicht handelseinig war,
ſo ließ er ſich, zu Schele’s Aerger, nicht von dem Miniſter ſelbſt begleiten,
ſondern von deſſen Sohne; dieſer junge Mann führte den wohllautenden
Titel Legationsrath, welchen die Mittelſtaaten den unbrauchbaren Söhnen
ihres Adels anzuheften liebten. Metternich, der durch die hannöverſchen
Nachrichten kaum minder peinlich betroffen war als der Berliner Hof,
hatte ſich unterdeſſen in Teplitz mit König Friedrich Wilhelm und Miniſter
Werther beſprochen. Die beiden Cabinette beſchloſſen, in der heiklen Sache
gemeinſam vorzugehen; ſie wollten ſich aber auch nicht vorzeitig die Hände
binden, ſondern zunächſt nur vertrauliche perſönliche Rathſchläge ertheilen.*)
Demgemäß ſchrieben Metternich und Werther beide (7. Aug.) an den älteren
Schele, der ihnen eine Denkſchrift über das Patent geſendet hatte. Der
Preuße mahnte freundſchaftlich, man möge in Hannover Alles vermeiden,
was den Bundestag zum Einſchreiten zwingen könnte. Der Oeſterreicher
verſicherte ebenſo behutſam, „jedes rechtmäßige Streben“ nach Befeſtigung
des monarchiſchen Princips ſei willkommen; man dürfe aber nicht ver-
geſſen, daß die conſtitutionellen Bundesregierungen ſich auf den Wiener
Conferenzen von 1834 ſehr entſchieden für die Unverbrüchlichkeit der be-
ſtehenden Verfaſſungen ausgeſprochen hätten; er ſchloß mit dem Wunſche,
daß es gelingen möge, „die Verfaſſungsänderungen im ruhigen, friedlichen
Wege, unter Beachtung aller jener Rückſichten, die einmal nicht umgangen
werden können, in das Leben zu rufen.“**)

So war die Stimmung der Höfe, als Maltzan und bald nachher
Metternich bei dem Könige in Karlsbad vorſprachen. Beide waren freudig
überraſcht, den gefürchteten Welfen ſo ruhig, einſichtig, maßvoll reden
zu hören; er verſprach beſtimmt nur auf geſetzlichem Wege vorzugehen***),
und da ſie Beide von den früheren Verhandlungen nichts kannten, ſo
mußten ſie ihm auch Glauben ſchenken, als er heilig betheuerte, daß er
gegen das Staatsgrundgeſetz von vornherein proteſtirt hätte. Wer konnte
auch für möglich halten, daß ein deutſcher Fürſt ſo ſchamlos löge? Nun-
mehr war Metternich, deſſen ſtaatsrechtliche Kenntniſſe nicht ſehr weit
reichten, feſt davon überzeugt, daß Ernſt Auguſt an das Staatsgrund-
geſetz nicht gebunden ſei; er rechnete es dem Welfen ſogar zur Ehre an,
daß er die Verpflichtung auf dies Geſetz ſo ritterlich von der Hand ge-
wieſen hatte.

Aber wie nun friedlich weiter kommen auf der Bahn des Unrechts,
das durchaus Recht ſein ſollte? Gleich nach den Karlsbader Geſprächen
wurde auf Metternich’s Schloſſe Königswarth eine lange Berathung ge-
halten (11. Auguſt). Theilnehmer waren außer dem Schloßherrn ſelbſt:

*) Metternich, Weiſung an Trauttmansdorff, 28. Juli 1837.
**) Werther an Schele, 7. Aug.; Metternich an Schele, 7. Aug. 1837.
***) Maltzan’s Bericht, 7. Auguſt. Metternich an Trauttmansdorff, 12. Aug. 1837.
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[655/0669] Beſprechung in Königswarth. hoffte dort mit Metternich und einem der preußiſchen Staatsmänner zu ſprechen. Da er mit ſeinem getreuen Rathgeber noch nicht handelseinig war, ſo ließ er ſich, zu Schele’s Aerger, nicht von dem Miniſter ſelbſt begleiten, ſondern von deſſen Sohne; dieſer junge Mann führte den wohllautenden Titel Legationsrath, welchen die Mittelſtaaten den unbrauchbaren Söhnen ihres Adels anzuheften liebten. Metternich, der durch die hannöverſchen Nachrichten kaum minder peinlich betroffen war als der Berliner Hof, hatte ſich unterdeſſen in Teplitz mit König Friedrich Wilhelm und Miniſter Werther beſprochen. Die beiden Cabinette beſchloſſen, in der heiklen Sache gemeinſam vorzugehen; ſie wollten ſich aber auch nicht vorzeitig die Hände binden, ſondern zunächſt nur vertrauliche perſönliche Rathſchläge ertheilen. *) Demgemäß ſchrieben Metternich und Werther beide (7. Aug.) an den älteren Schele, der ihnen eine Denkſchrift über das Patent geſendet hatte. Der Preuße mahnte freundſchaftlich, man möge in Hannover Alles vermeiden, was den Bundestag zum Einſchreiten zwingen könnte. Der Oeſterreicher verſicherte ebenſo behutſam, „jedes rechtmäßige Streben“ nach Befeſtigung des monarchiſchen Princips ſei willkommen; man dürfe aber nicht ver- geſſen, daß die conſtitutionellen Bundesregierungen ſich auf den Wiener Conferenzen von 1834 ſehr entſchieden für die Unverbrüchlichkeit der be- ſtehenden Verfaſſungen ausgeſprochen hätten; er ſchloß mit dem Wunſche, daß es gelingen möge, „die Verfaſſungsänderungen im ruhigen, friedlichen Wege, unter Beachtung aller jener Rückſichten, die einmal nicht umgangen werden können, in das Leben zu rufen.“ **) So war die Stimmung der Höfe, als Maltzan und bald nachher Metternich bei dem Könige in Karlsbad vorſprachen. Beide waren freudig überraſcht, den gefürchteten Welfen ſo ruhig, einſichtig, maßvoll reden zu hören; er verſprach beſtimmt nur auf geſetzlichem Wege vorzugehen ***), und da ſie Beide von den früheren Verhandlungen nichts kannten, ſo mußten ſie ihm auch Glauben ſchenken, als er heilig betheuerte, daß er gegen das Staatsgrundgeſetz von vornherein proteſtirt hätte. Wer konnte auch für möglich halten, daß ein deutſcher Fürſt ſo ſchamlos löge? Nun- mehr war Metternich, deſſen ſtaatsrechtliche Kenntniſſe nicht ſehr weit reichten, feſt davon überzeugt, daß Ernſt Auguſt an das Staatsgrund- geſetz nicht gebunden ſei; er rechnete es dem Welfen ſogar zur Ehre an, daß er die Verpflichtung auf dies Geſetz ſo ritterlich von der Hand ge- wieſen hatte. Aber wie nun friedlich weiter kommen auf der Bahn des Unrechts, das durchaus Recht ſein ſollte? Gleich nach den Karlsbader Geſprächen wurde auf Metternich’s Schloſſe Königswarth eine lange Berathung ge- halten (11. Auguſt). Theilnehmer waren außer dem Schloßherrn ſelbſt: *) Metternich, Weiſung an Trauttmansdorff, 28. Juli 1837. **) Werther an Schele, 7. Aug.; Metternich an Schele, 7. Aug. 1837. ***) Maltzan’s Bericht, 7. Auguſt. Metternich an Trauttmansdorff, 12. Aug. 1837.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/669>, abgerufen am 24.11.2024.