Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.Erste Wirkungen des Patents. spruch erhebe, und einstimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorffselbst widersprach in der Sache nicht, obwohl er die Competenz des Land- tages bestritt. In diplomatischen Kreisen nannte er den welfischen Staats- streich beim rechten Namen und sagte voraus, welch ein unheimliches Miß- trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde.*) Der sächsische und der bairische Landtag schlossen sich dem badischen an. Auch in Dresden suchten die Minister nur mit verlegenen Worten zu beschwichtigen. Einen Vertheidiger fand Ernst August nirgends, und er verstärkte nur den all- gemeinen Unmuth, als er dem sächsischen Hofe die herrische Erklärung zusandte: er könne "keiner Regierung, geschweige denn einer Ständever- sammlung gestatten" sich in hannöversche Angelegenheiten einzumischen".**) Besser gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweisen. Die Gegen die beiden deutschen Großmächte zeigte sich Ernst August sehr *) Blittersdorff, Weisung an Frankenberg, 5. Sept. 1837. **) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhausen, 22. Aug. 1837. ***) Palmerston an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weisung an Geh. Rath Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg's Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan, 6. Aug. 1837. +) Hügel's Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther's Weisungen an Maltzan,
3. Aug., 15. Sept. 1837. Erſte Wirkungen des Patents. ſpruch erhebe, und einſtimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorffſelbſt widerſprach in der Sache nicht, obwohl er die Competenz des Land- tages beſtritt. In diplomatiſchen Kreiſen nannte er den welfiſchen Staats- ſtreich beim rechten Namen und ſagte voraus, welch ein unheimliches Miß- trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde.*) Der ſächſiſche und der bairiſche Landtag ſchloſſen ſich dem badiſchen an. Auch in Dresden ſuchten die Miniſter nur mit verlegenen Worten zu beſchwichtigen. Einen Vertheidiger fand Ernſt Auguſt nirgends, und er verſtärkte nur den all- gemeinen Unmuth, als er dem ſächſiſchen Hofe die herriſche Erklärung zuſandte: er könne „keiner Regierung, geſchweige denn einer Ständever- ſammlung geſtatten“ ſich in hannöverſche Angelegenheiten einzumiſchen“.**) Beſſer gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweiſen. Die Gegen die beiden deutſchen Großmächte zeigte ſich Ernſt Auguſt ſehr *) Blittersdorff, Weiſung an Frankenberg, 5. Sept. 1837. **) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhauſen, 22. Aug. 1837. ***) Palmerſton an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weiſung an Geh. Rath Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg’s Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan, 6. Aug. 1837. †) Hügel’s Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther’s Weiſungen an Maltzan,
3. Aug., 15. Sept. 1837. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0667" n="653"/><fw place="top" type="header">Erſte Wirkungen des Patents.</fw><lb/> ſpruch erhebe, und einſtimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorff<lb/> ſelbſt widerſprach in der Sache nicht, obwohl er die Competenz des Land-<lb/> tages beſtritt. In diplomatiſchen Kreiſen nannte er den welfiſchen Staats-<lb/> ſtreich beim rechten Namen und ſagte voraus, welch ein unheimliches Miß-<lb/> trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde.<note place="foot" n="*)">Blittersdorff, Weiſung an Frankenberg, 5. Sept. 1837.</note> Der ſächſiſche<lb/> und der bairiſche Landtag ſchloſſen ſich dem badiſchen an. Auch in Dresden<lb/> ſuchten die Miniſter nur mit verlegenen Worten zu beſchwichtigen. Einen<lb/> Vertheidiger fand Ernſt Auguſt nirgends, und er verſtärkte nur den all-<lb/> gemeinen Unmuth, als er dem ſächſiſchen Hofe die herriſche Erklärung<lb/> zuſandte: er könne „keiner Regierung, geſchweige denn einer Ständever-<lb/> ſammlung geſtatten“ ſich in hannöverſche Angelegenheiten einzumiſchen“.<note place="foot" n="**)">Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhauſen, 22. Aug. 1837.</note></p><lb/> <p>Beſſer gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweiſen. Die<lb/> engliſchen Wahlen ſtanden vor der Thür, die Whigs beeilten ſich den Ge-<lb/> waltſtreich des alten Toryhäuptlings auszubeuten, mit glänzendem Erfolge,<lb/> wie ſich bald zeigte. Palmerſton wollte auch nicht zurückbleiben. Er wußte<lb/> ſchon, daß die Pariſer Preſſe bereits von einer deutſchen Juli-Revolution<lb/> ſprach und die franzöſiſche Regierung an eine gemeinſame Kundgebung der<lb/> liberalen Weſtmächte dachte. Zunächſt fragte er bei Ompteda vertraulich<lb/> an, wie der Rechtsboden des Staatsgrundgeſetzes eigentlich beſchaffen ſei.<lb/> Da empfing er aus Hannover die ſchroffe Antwort: man verweigere amtlich<lb/> alle Auskunft „über einen Gegenſtand, welche jeder nichtdeutſchen Regierung<lb/> fremd ſei“. Mittlerweile hatte der preußiſche Geſandte dem Lord Melbourne<lb/> das Zweckloſe und Ungehörige dieſer Einmiſchung ernſtlich vorgehalten.<lb/> Palmerſton erſchrak und ließ durch ſeinen Unterſtaatsſekretär Fox die<lb/> demüthige Verſicherung abgeben, er habe Se. Majeſtät nicht beleidigen<lb/> wollen.<note place="foot" n="***)">Palmerſton an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weiſung an Geh. Rath<lb/> Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg’s Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan,<lb/> 6. Aug. 1837.</note> Auch die franzöſiſchen Miniſter ließen den Plan fallen; denn<lb/> der Bürgerkönig meinte, ein ſolcher Schritt würde allen Regierungen Un-<lb/> gelegenheiten bereiten und nur den Radicalismus ermuthigen, auch ſcheine<lb/> die Sache doch nur auf einen elenden Geldſtreit hinauszulaufen.<note place="foot" n="†)">Hügel’s Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther’s Weiſungen an Maltzan,<lb/> 3. Aug., 15. Sept. 1837.</note></p><lb/> <p>Gegen die beiden deutſchen Großmächte zeigte ſich Ernſt Auguſt ſehr<lb/> verbindlich. Er wünſchte ſich ihren Beiſtand für alle Fälle zu ſichern und<lb/> ſagte zu dem preußiſchen Geſandten beim erſten Empfange: „ich werde die<lb/> viele Gnade, welche der König für mich gehabt hat, nie vergeſſen, und es<lb/> wird ſtets mein Stolz ſein, mich auch künftig zu ſeiner Armee zu zählen.“<lb/> Aber irgend einen Einfluß auf den Willen des alten Eiſenkopfes konnte<lb/> Niemand, auch der Freund nicht, gewinnen. Er hatte ſich vermeſſen, aus<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [653/0667]
Erſte Wirkungen des Patents.
ſpruch erhebe, und einſtimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorff
ſelbſt widerſprach in der Sache nicht, obwohl er die Competenz des Land-
tages beſtritt. In diplomatiſchen Kreiſen nannte er den welfiſchen Staats-
ſtreich beim rechten Namen und ſagte voraus, welch ein unheimliches Miß-
trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde. *) Der ſächſiſche
und der bairiſche Landtag ſchloſſen ſich dem badiſchen an. Auch in Dresden
ſuchten die Miniſter nur mit verlegenen Worten zu beſchwichtigen. Einen
Vertheidiger fand Ernſt Auguſt nirgends, und er verſtärkte nur den all-
gemeinen Unmuth, als er dem ſächſiſchen Hofe die herriſche Erklärung
zuſandte: er könne „keiner Regierung, geſchweige denn einer Ständever-
ſammlung geſtatten“ ſich in hannöverſche Angelegenheiten einzumiſchen“. **)
Beſſer gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweiſen. Die
engliſchen Wahlen ſtanden vor der Thür, die Whigs beeilten ſich den Ge-
waltſtreich des alten Toryhäuptlings auszubeuten, mit glänzendem Erfolge,
wie ſich bald zeigte. Palmerſton wollte auch nicht zurückbleiben. Er wußte
ſchon, daß die Pariſer Preſſe bereits von einer deutſchen Juli-Revolution
ſprach und die franzöſiſche Regierung an eine gemeinſame Kundgebung der
liberalen Weſtmächte dachte. Zunächſt fragte er bei Ompteda vertraulich
an, wie der Rechtsboden des Staatsgrundgeſetzes eigentlich beſchaffen ſei.
Da empfing er aus Hannover die ſchroffe Antwort: man verweigere amtlich
alle Auskunft „über einen Gegenſtand, welche jeder nichtdeutſchen Regierung
fremd ſei“. Mittlerweile hatte der preußiſche Geſandte dem Lord Melbourne
das Zweckloſe und Ungehörige dieſer Einmiſchung ernſtlich vorgehalten.
Palmerſton erſchrak und ließ durch ſeinen Unterſtaatsſekretär Fox die
demüthige Verſicherung abgeben, er habe Se. Majeſtät nicht beleidigen
wollen. ***) Auch die franzöſiſchen Miniſter ließen den Plan fallen; denn
der Bürgerkönig meinte, ein ſolcher Schritt würde allen Regierungen Un-
gelegenheiten bereiten und nur den Radicalismus ermuthigen, auch ſcheine
die Sache doch nur auf einen elenden Geldſtreit hinauszulaufen. †)
Gegen die beiden deutſchen Großmächte zeigte ſich Ernſt Auguſt ſehr
verbindlich. Er wünſchte ſich ihren Beiſtand für alle Fälle zu ſichern und
ſagte zu dem preußiſchen Geſandten beim erſten Empfange: „ich werde die
viele Gnade, welche der König für mich gehabt hat, nie vergeſſen, und es
wird ſtets mein Stolz ſein, mich auch künftig zu ſeiner Armee zu zählen.“
Aber irgend einen Einfluß auf den Willen des alten Eiſenkopfes konnte
Niemand, auch der Freund nicht, gewinnen. Er hatte ſich vermeſſen, aus
*) Blittersdorff, Weiſung an Frankenberg, 5. Sept. 1837.
**) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhauſen, 22. Aug. 1837.
***) Palmerſton an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weiſung an Geh. Rath
Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenberg’s Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan,
6. Aug. 1837.
†) Hügel’s Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werther’s Weiſungen an Maltzan,
3. Aug., 15. Sept. 1837.
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